Leben

PFAS: Das Gift aus der Regenjacke

Atmungsaktiv, wasserabweisend – und mit Schadstoffen belastet. Kleidungsstücke können PFAS enthalten. Dabei gibt es längst Alternativen.

Per- und polyfluorierte Substanzen, kurz PFAS, haben viele praktische Eigenschaften. Die künstlich hergestellten Chemikalien sind beispielsweise wasserabweisend. Als Beschichtungsmittel machen sie Hosen und Jacken regen- und schneefest. Viele Zelte, Wanderschuhe und Rucksäcke enthalten ebenfalls PFAS. Die Chemikalien können auch in Teflon-Pfannen, Sprays zum Imprägnieren, Teppichen, Polstermöbeln und Zahnseide stecken. Kurzum: Sie sind sehr weit verbreitet. Man kann sie sogar dort finden, wo man sie nie haben wollte: auf Feldern und Waldböden, in Flüssen und Seen. Ähnlich wie Mikroplastik verbreiten sich PFAS bis in die entlegensten Winkel der Welt. „Sie wurden auch schon in den Polarregionen entdeckt“, erzählt Manuel Fernandez, Referent für Chemikalienpolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). 

Das Problem an der zunehmenden Verbreitung: PFAS sind persistent. Das bedeutet, dass sie sich nicht auf natürliche Weise abbauen. Sie können Hunderte Jahre überdauern. Deshalb werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt. Von ihnen existieren heute schätzungsweise mehr als 10 000 Varianten.

Glitzerndes Mikroplastik unter der Lupe

Umwelt

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PFAS: eine Gefahr für die Gesundheit von Kindern

Bei der Umweltverschmutzung bleibt es aber nicht. Experte Fernandez versucht aufzurütteln: „Ein Fünftel der Kinder in Deutschland sind mit PFAS belastet“, sagt er. Fernandez beruft sich auf eine 2020 vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie. Forscher untersuchten darin rund 1100 Blutproben von Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren. In allen Proben stießen sie auf PFAS. Bei einem Fünftel war die Konzentration im Blut so hoch, dass laut Umweltbundesamt eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr ausgeschlossen werden könne.

Die konkreten Folgen für die menschliche Gesundheit sind allerdings nicht vollumfänglich bekannt. Nach bisherigem Forschungsstand können PFAS eine Reihe von Krankheiten auslösen oder verstärken. Sie können etwa die Fruchtbarkeit von Menschen vermindern, die Wirkung von Impfungen verringern, das Hormon- und Immunsystem schädigen. Sie können für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich sein und stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Der Nachweis, dass eine Erkrankung direkt auf PFAS zurückzuführen ist, fällt jedoch schwer. Denn weitere Faktoren wie eine ungesunde Lebensweise und andere Umweltgifte spielen ebenfalls eine Rolle.

Die Belastung mit PFAS ist kontinuierlich und zunehmend.

Manuel Fernandez, Referent für Chemikalienpolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland 

Doch wie gelangen PFAS überhaupt in den menschlichen Körper? „Wir nehmen sie hauptsächlich mit den Nahrungsmitteln auf“, sagt Experte Fernandez. Erst gelangten die Chemikalien in die Umwelt, etwa mit dem Abwasser aus der Waschmaschine. „Mit dem Wasser werden sie überall verteilt, bis ins Grundwasser“, so Fernandez weiter. PFAS reichern sich schließlich in Pflanzen und Tieren an und landeten so auf unserem Teller. Selbst im deutschen Trinkwasser wurden schon PFAS festgestellt. Über Emissionen von Chemiefabriken und anderen Produktionsanlagen geraten sie in die Atmosphäre. „Wir haben eine kontinuierliche und zunehmende Belastung. Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen“, fordert Manuel Fernandez.

So erkennen Sie PFAS

  • Frei von PFAS
    Verlässlich sind Angaben auf Etiketten von Kleidungsstücken mit Begriffen wie „PFAS-frei“, „frei von PFC“ oder „fluorfrei“.
  • PFAS enthalten
    Begriffe wie „fleckengeschützt“, „wasserabweisend“, „ölabweisend“ können Hinweise darauf sein, dass PFAS verwendet wurden. 
  • Werbetricks
    Begriffe wie „PFOS-frei“, „PFOA-frei“ und „GenX-frei“ bedeuten nur, dass die Kleidung frei von bestimmten Einzelsubstanzen ist. Laut der Verbraucherzentrale NRW sind sie vielmehr ein Hinweis darauf, dass andere PFAS-Varianten enthalten sein können. 
  • Eine App als Hilfe
    Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland hat eine App entwickelt, die Verbraucher:innen helfen soll, toxische Substanzen in Produkten zu erkennen. „ToxFox“ ist kostenlos nutzbar, allerdings stehen nicht immer alle Informationen zur Verfügung. Das gilt insbesondere für Kleidung, die saisonweise neu auf den Markt kommt. Ausprobieren lohnt sich dennoch!

Alternativen zu PFAS

Einige Hersteller von Outdoor-Kleidung haben das Problem erkannt und ihre Produktion bereits komplett oder zumindest teilweise umgestellt. Sie setzen auf andere synthetisch erzeugte Stoffe, die als weniger problematisch gelten, etwa Silikone und Polyurethane. Aber auch Wachse auf pflanzlicher Basis finden als PFAS-Ersatz Verwendung. Eine schadstofffreie Alternative können Jacken aus Bio-Baumwolle darstellen. Wenn sie eng gewoben sind, halten sie zumindest leichtem Regen stand. Trotzdem sind noch immer Kleidungsstücke im Handel, die PFAS enthalten. Das hat im Frühjahr 2024 eine internationale Untersuchung gezeigt. Mehrere Organisationen haben weltweit 72 Kleidungsstücke für Kinder auf die Schadstoffe getestet. Mehr als die Hälfte war belastet. Auch zwei Jacken aus Deutschland wurden untersucht, eine davon wies PFAS auf. 

Wegen der Gefahren für Mensch und Umwelt wird aktuell in Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union über ein weitreichendes Verbot der gesamten Chemikalien-Gruppe diskutiert. Widerstand kommt aus der Industrie, die die Chemikalien nicht nur für ihre wasserabweisenden Eigenschaften schätzt. PFAS weisen außerdem auch Schmutz, Fett und Öl ab. Sie sind temperatur- und chemikalienbeständig. Elektrobranche, Halbleiter-Industrie, Medizintechnik und andere Industriezweige wollen auf diese Talente nicht verzichten. Sie beklagen, dass es keine adäquaten Ersatzmaterialien gibt. Mit einem PFAS-Verbot drohten viele Anwendungen nicht mehr zur Verfügung zu stehen. 

Fernandez vom BUND hält dagegen. Er sagt, es seien Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen geplant. Die Industrie bekomme genug Zeit, sich umzustellen. Zugleich warnt er: „Ohne gesetzliche Vorgaben würde sich nichts ändern. Dann wären wir den PFAS immer mehr ausgesetzt.“ 

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