- Warum Pestizide in der Schwangerschaft gefährlich sind
- Welche Auswirkungen Pestizide auf das ungeborene Kind haben können
- Wie und wo wir mit Pestiziden in Kontakt kommen
- Schützen Grenzwerte vor Pestiziden?
- Warum Bio-Obst und -Gemüse weniger mit Pestiziden belastet ist
- Können Bio-Lebensmittel Schwangere und ihr Ungeborenes schützen?
Manche werdenden Eltern spielen ihrem Fötus Mozart-Symphonien vor, um seine Gehirnzellen optimal zu verschalten. Andere versuchen ihm mit Lichtsignalen Mathematik beizubringen. Auch wenn viele Mediziner beides für Unfug halten – klar ist, dass Kinder bereits im Mutterleib durch äußere Faktoren geprägt werden. Und das nicht nur positiv. Ärzte und Ärztinnen raten Schwangeren darum schon lange von Drogen, Alkohol und Zigaretten ab. Doch neuerdings wird immer deutlicher, dass auch Umweltgifte Einfluss auf das Ungeborene nehmen können, darunter Pestizide.
Warum Pestizide in der Schwangerschaft gefährlich sind
In Kalifornien durchgeführte Studien der Wissenschaftlerin Beate Ritz haben gezeigt, dass vor allem Schwangere, die in der Nähe von Äckern und Feldern wohnen, vorsichtig sein sollten. „Denn eine chronisch hohe Belastung mit Pestiziden stört die Neuroentwicklung der Ungeborenen“, sagt die Epidemiologin Ritz. Sie konnte zum Beispiel zeigen, dass Autismus, Verhaltensstörungen und motorische Störungen bei Kindern häufiger auftreten, wenn die Mütter während der Schwangerschaft einer hohen Pestizidbelastung ausgesetzt waren. Beate Ritz hat dafür Krankenregister mit landwirtschaftlichen Registern verglichen, die zeigen, wo viele Pestizide zum Einsatz kommen. Solche Studien sind nur in den USA möglich, da es in Deutschland keine Pestizid-Register gibt, aus denen abgelesen werden könnte, auf welchem Acker wann, was und wie viel gespritzt wurde.
Podcast: Wie ungesund sind Pestizide wirklich?

Oskar Smollny und Johanna Juni sind die Hosts vom Schrot&Korn-Podcast „Weltretter Bio? “.
In diesem Schrot&Korn-Podcast geht es um das brisante und hoch aktuelle Thema: Pestizide. Die Gesprächspartner der Podcast-Hosts Johanna Juni und Oskar Smollny sind die Epidemiologin Dr. Beate Ritz, die Toxikologin Dr. Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt und Ökotoxikologe Dr. Carsten Brühl.
Ihre Studien können zwar keine ursächlichen Zusammenhänge nachweisen, sie liefern jedoch erste Hinweise auf mögliche Wirkungen. Zudem legen Tierstudien nahe, dass vor allem Insektizide, also Pestizide, die gegen Insekten eingesetzt werden, auch das Nervensystem des Menschen schädigen könnten. „Diese Produkte werden teils so konzipiert, dass sie das Nervensystem von Insekten angreifen, um Nutzpflanzen vor Schädlingen zu schützen“, zeigt sich Ritz wenig verwundert und erklärt, dass Abbauprodukte der Pestizide durch die Plazenta zum Gehirn des Kindes gelangen und dort zum Beispiel die Reizübertragung stören können.
»Eine chronisch hohe Belastung mit Pestiziden stört die Neuroentwicklung«
Welche Auswirkungen Pestizide auf das ungeborene Kind haben können
Wie und wo wir mit Pestiziden in Kontakt kommen
Beate Ritz rät darum: „Wer in der Nähe von Feldern wohnt, sollte die Fenster schließen und nicht spazieren gehen, wenn gerade gespritzt wird.“ Natürlich sollten auch zu Hause keine Pestizide verwendet werden, zum Beispiel um im Garten Unkraut oder Schnecken zu bekämpfen oder die Katze von Läusen und Flöhen zu befreien.
Doch auch über die Ernährung können Pestizide in den Körper gelangen. „Wenn ich noch mal schwanger wäre, würde ich das Geld für ungespritztes Obst und Gemüse ausgeben und alles tun, um die Belastung mit Pestiziden zu verringern“, so Ritz.
Eine hohe Pestizid-Belastung bei Schwangeren fördert laut der Umweltorganisation BUND neben neurologischen Störungen auch andere Krankheiten. „Das geht von der Fehlgeburt bis hin zu Schäden, die sich erst Jahre oder Jahrzehnte später äußern wie Asthma, Allergien, Adipositas und ein erhöhtes Krebsrisiko“, sagt BUND-Expertin Corinna Hölzel. „Auch Fehlbildungen, Frühgeburten oder Wachstumsstörungen können mit Pestizidkontakt in Verbindung gebracht werden.“
Schützen Grenzwerte vor Pestiziden?
Laut BUND haben Deutschland und Europa zwar die strengsten Pestizidgesetze. Das heißt: Viele gefährliche Pestizide sind hierzulande verboten und die Grenzwerte etwa im Vergleich zu den USA oder Brasilien niedrig angesetzt. „Die aktuellen Grenzwerte bei uns schützen jedoch nicht vollständig“, sagt Hölzel. Bei hormonell wirksamen Pestiziden seien sie meist nicht effektiv, da Hormongifte besonders bei Schwangeren und Kindern schon in allerkleinsten Dosen wirken können, so die BUND-Expertin weiter.
Das sieht man beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) anders: „Pflanzenschutzmittel werden nur dann zugelassen, wenn sie für alle Gruppen, auch Schwangere und kleine Kinder, sicher sind“, schreiben BfR-Experten auf Anfrage. Von gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei bei Einhaltung der gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstgehalte nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht auszugehen, so das BfR. Und tatsächlich ist es so, dass die Studienlage nicht eindeutig ist. Einige Studien finden einen Zusammenhang zwischen Krankheiten und Pestiziden in niedrigen Mengen, andere nicht.
Bei Lebensmittelkontrollen werden jedoch auch immer wieder Grenzwert-Überschreitungen aufgedeckt. Häufig sind Produkte aus dem EU-Ausland betroffen. Zum Beispiel exotische Früchte wie Granatäpfel oder Mangos. Laut einer EU-weiten Analyse der Lebensmittelbehörde EFSA aus dem Jahr 2022 überschritten hingegen lediglich 1,6 Prozent der Lebensmittel aus der EU die erlaubten maximalen Rückstandshöchstgehalte. Insgesamt war die Hälfte der EU-Lebensmittel frei von Pestizidbelastungen. Rund zwei Drittel der belasteten Lebensmittel enthielten jedoch Mehrfachrückstände. Solche Pestizid-Cocktails seien besonders gefährlich, weil sie sich in ihrer Wirkung potenzieren könnten, urteilt Ritz. Auch Corinna Hölzel sieht Kombinationseffekte kritisch: „Sie werden bei der Festlegung von Grenzwerten nicht berücksichtigt. Schließlich wird jedes Pestizid einzeln bewertet.“
Warum Bio-Obst und -Gemüse weniger mit Pestiziden belastet ist
Im Öko-Landbau ist der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide verboten. Rückstände von Glyphosat & Co. findet man in Bio-Lebensmitteln deshalb kaum. Das hat auch das Öko-Monitoring der Lebensmittelbehörde CVUA Stuttgart von 2023 gezeigt: Bei 77 Prozent der Obst- und Gemüseproben aus Bio-Anbau waren keine Rückstände an Pestiziden nachweisbar. Insgesamt lagen die Werte im Spurenbereich, unter 0,01 Milligramm pro Kilogramm. Bei konventionellen Produkten lagen die Rückstandsgehalte im Schnitt zwischen 0,44 und 0,49 Milligramm pro Kilogramm.
Pestizid-arm Essen: Tipps für den Alltag

Wählt Bio! Im Bio-Anbau sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Durch Abdrift von konventionellen Feldern kann es zwar zu Verunreinigungen kommen. Analysen zeigen jedoch, dass Bio-Produkte weitgehend rückstandsfrei sind. Auf konventionelle Produkte trifft das nicht zu. Für sie gilt:
- Waschen und abtrocknen: Obst und Gemüse unter fließendem Wasser waschen und mit einem Mikrofasertuch abtrocknen. Pestizidrückstände werden dadurch zumindest teilweise entfernt.
- Schälen? Obst sollte möglichst ungeschält bleiben, da wertvolle Vitalstoffe in der Schale stecken. Kartoffeln mit dem Hinweis „nach der Ernte behandelt“ sollten geschält werden. Sie wurden mit Keim- und Schimmelhemmungsmitteln behandelt.
- Hände waschen: Nach dem Schälen von Mangos, Bananen oder Zitrusfrüchten Hände waschen. Noch besser: Früchte vorher gründlich reinigen.
- Wurzelgemüse bevorzugen: Karotten und Pastinaken enthalten weniger Rückstände als Blatt- oder Fruchtgemüse wie Salat, Tomaten oder Gurken. Bei Salat die äußeren Blätter entfernen.
- Label beachten: Das QS-Prüfzeichen auf konventionellen Lebensmitteln steht für häufigere Kontrollen.
- Regional kaufen: Saisonale Produkte aus der Region sind meist weniger belastet als Importe aus Drittstaaten.
Können Bio-Lebensmittel Schwangere und ihr Ungeborenes schützen?
Mittlerweile gibt es auch Studien etwa aus den Niederlanden oder Norwegen, die der Frage nachgehen, wie sich der Konsum von biologischen Lebensmitteln in der Schwangerschaft auf Mutter und Kind auswirkt. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Risiko an Bluthochdruck oder einer Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie) zu erkranken durch eine Ernährung mit Bio-Produkten sinken könnte. In einigen Studien kam es zudem seltener zu Geburtskomplikationen und die Jungs litten seltener an Hodenhochstand. Diese Daten sind jedoch mit Vorsicht zu bewerten, da Konsumentinnen von Bio-Lebensmitteln oft einen höheren sozio-ökonomischen Status haben, häufiger Sport treiben oder vegetarisch essen. Diese Faktoren könnten die Ergebnisse verzerren. Es besteht also noch weiter Forschungsbedarf.
Nichtsdestotrotz macht es nicht nur für Schwangere Sinn, den Kontakt mit Pestiziden zu minimieren. Die Politik könnte sie dabei unterstützen, indem sie – wie von vielen Umwelt- und Verbraucherorganisationen gefordert – Zulassungsverfahren reformiert beziehungsweise besonders gefährliche Pestizide verbietet.
Wie gefährlich sind Pestizide für das Ungeborene?
Pestizide können bereits im Mutterleib eine Gefahr für das ungeborene Kind darstellen. Studien zeigen, dass eine hohe Belastung mit Pestiziden die Neuroentwicklung des Fötus stören kann. Neben neurologischen Störungen wie Autismus können Pestizide auch das Risiko für Fehlbildungen, Asthma, Allergien und Krebs erhöhen.
Wie kann ich meine Pestizidbelastung reduzieren?
Fünf wichtige Tipps:
- Bio-Produkte bevorzugen: Im Bio-Anbau sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Studien zeigen, dass Bio-Lebensmittel deutlich weniger Rückstände enthalten.
- Obst und Gemüse waschen: Unter fließendem Wasser reinigen und mit einem Mikrofaser- oder Küchentuch abtrocknen. So lässt sich zumindest ein Teil der Pestizide entfernen.
- Schälen: Besonders bei konventionellen Produkten, die nach der Ernte behandelt wurden (z. B. Kartoffeln).
- Hände waschen: Nach dem Schälen oder Berühren von konventionellem Obst und Gemüse.
- Fenster schließen: Wer in der Nähe von Feldern lebt, sollte während und nach dem Spritzen von Pestiziden Fenster geschlossen halten und Spaziergänge vermeiden.
Sind Bio-Lebensmittel wirklich pestizidfrei?
Bio-Produkte enthalten in der Regel deutlich weniger Pestizidrückstände als konventionelle Lebensmittel, da chemisch-synthetische Pestizide im Ökolandbau verboten sind. Dennoch können geringe Belastungen durch Abdrift von benachbarten konventionellen Feldern auftreten. Die Verbraucherzentrale rät: „Obst- und Gemüse aus ökologischem Anbau sind eine gute Wahl, wenn es um Pestizidbelastung geht. Sie sind weitgehend rückstandsfrei und oft kaum teurer als konventionell angebaute Produkte, wenn sie entsprechend der Saison einkauft werden.“
Welches Obst und Gemüse ist häufig mit Pestiziden belastet?
Gefüllte Weinblätter oder frische Kräuter aus Übersee überschreiten häufiger die Grenzwerte. Aber auch empfindliches Obst und Gemüse aus Deutschland ist immer wieder belastet. Dazu zählen zum Beispiel frische Beeren, Birnen, Paprika und Tomaten. zu.
Welche Produkte sind selten mit Pestiziden belastet?
Robustere Sorten wie Kohl, rote Bete oder Möhren enthalten weniger Pestizide. Laut Verbraucherzentrale gilt: „Wurzelgemüse ist in der Regel rückstandsärmer als Blatt- und Fruchtgemüse.“
Untersuchungen der Lebensmittelüberwachungs-Behörden zeigen zudem, dass Lebensmittel aus Drittstaaten oft stärker belastet sind als Lebensmittel aus der Europäischen Union, so die Verbraucherzentrale weiter.
Sind Produkte, die als „unbehandelt“ gekennzeichnet sind, frei von Pestiziden?
Nicht unbedingt. Die Kennzeichnung bedeutet lediglich, dass die Produkte nach der Ernte nicht mit Schalenbehandlungsmitteln behandelt wurden. Beim Anbau könnten also durchaus Pestizide verwendet worden sein. Wer Zitronen- oder Orangenschale für ein Rezept benötigt sollte deshalb lieber Bio-Ware verwenden.
Übrigens: Sind Kartoffeln mit dem Hinweis „nach der Ernte behandelt“ gekennzeichnet, sollten sie unbedingt geschält werden. Denn sie wurden mit Keim- oder Schimmelhemmungsmitteln behandelt.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.