Interview

Patrice: „Mein neues Album wird auf Bio-Schallplatten gepresst"

Der Musiker Patrice über Nachhaltigkeit in der Musikindustrie, musikalische Vorbilder und kreative Selbstfindung.

Patrice hat gerade sein neuntes Album mit dem Titel „9“ veröffentlicht und tourt damit durch Europa. Als einer der ersten Künstler weltweit presst er seine Musik jetzt auf Bio-Vinyl aus Frittenfett. Im digitalen Interview erzählt der Reggae-Musiker, wie es dazu kam und warum er in seiner Selbstversorger-Oase besonders kreativ wird.


Du bist nach sieben Jahren mit deinem neuen Album zurück. Wie kam es zu der Pause?
Ich wollte raus aus meiner gewohnten Umgebung und etwas Neues erleben. Deshalb bin ich nach Jamaika gezogen und habe eine Pause für zwei Jahre anvisiert. Aber dann kam die Pandemie und letztlich wurden es sieben Jahre. In der Zeit war ich sehr kreativ: Ich habe viel geschrieben und über hundert Stücke aufgenommen. Das neue Album ist das Kondensat aus all diesen Songs.

Warum Jamaika?
Jamaika ist ein besonderer Ort für mich: Obwohl die Insel so klein ist, schwappt ihre Kultur in die ganze Welt. Außerdem wollte ich dorthin, wo meine Lieblingsmusik herkommt und ich habe sehr gute Freunde dort. Deshalb habe ich irgendwann angefangen, auf einem Hügel im Hinterland von Jamaika ein Studio aufzubauen.

Du hast dort eine Art autarke Oase aufgebaut. Wie darf man sich das vorstellen?
Das Studio ist sehr weit abgelegen, sozusagen mitten im Busch. Es gab lange keine Straße, sodass die Gebäude nur mit Eseln erreichbar waren. Inzwischen bauen wir dort eigenes Gemüse an und haben eigene Energie, solarbetrieben. Die Idee dahinter ist, dass man komplett autark dort leben kann und alle Energie, die in die Musik einfließt, positiv ist.

Hat ökologischer Anbau dabei eine Rolle gespielt?
Ja, denn das Terrain lässt gar nichts anderes zu außer ökologische Bewirtschaftung. Wir bauen auch viele seltene Pflanzen und Gemüsesorten dort an.

Du bist in Köln aufgewachsen, in der Hip-Hop-Szene der 90er. Wie kamst du zum Reggae?
Viele Hip-Hop-Songs der 90er haben kurze Reggae-Parts und das waren immer meine Lieblingsstellen. Ich erinnere mich noch gut an ein Album von Ice-T, wo mich vor allem diese Reggae-Parts ins Schwingen gebracht haben.

Zur Person

Patrice Bart Williams wurde 1979 in Köln geboren und startete im Alter von 20 Jahren seine Karriere als Reggae-Sänger und Songwriter. Sein erstes Album „Ancient Spirit“ veröffentlichte er im Jahr 2000. Acht Jahre später lieferte Patrice das musikalische Vorprogramm für den Auftritt von Barack Obama an der Berliner Siegessäule vor mehr als 200 000 Menschen. Inzwischen hat der Musiker neun Alben veröffentlicht und zahlreiche Tourneen hinter sich. Patrice hat zwei Kinder und lebt in Köln, Paris und Jamaika.

Welche Musiker haben dich noch inspiriert?
Bob Marley! Meine Schwester hatte ein Tape und ich habe das auf Dauerschleife gehört. Damals war ich erst neun oder zehn Jahre alt, aber es hat mich so abgeholt und mich so stark angesprochen wie nichts anderes davor und auch nichts anderes seitdem. Ich wollte daraufhin einfach alles über diesen Menschen wissen und seine Musik. Und immer wenn ich etwas Geld übrig hatte, habe ich mir immer eine Platte von Bob Marley geholt und dann noch eine und noch eine.

Woraus ziehst du Kreativität?
Ich versetze mich bewusst in einen kreativen Zustand, indem ich an mir selbst arbeite und versuche mich weiterzuentwickeln, eine neue Perspektive zu erlangen. Das gelingt mir besonders gut, wenn ich neue Orte aufsuche, aus meiner Routine ausbreche und mich aus meiner Komfortzone bewege. Und wenn ich in diesem kreativen Zustand bin, kann ich schreiben ohne Ende. Der kreative Flow entsteht dann wie von selbst. Ein bisschen so, als wäre man extrem verliebt.

Ein Song auf deinem neuen Album heißt „Become who you are“. Wie findet man denn zu sich selbst?
Ich will mit dem Song rüberbringen, dass es eben nicht so leicht funktioniert, sich zu finden und dann festzuhalten. Es ist vielmehr ein Prozess, in dem man sich jeden Tag und in jedem Moment befindet und das ist auch gut so. Denn es macht einen unglücklich, wenn man etwas die ganze Zeit anstrebt und nicht erreicht. „Become who you are“ ist also das ständige Streben nach sich selbst, es ist ein Tun, ein nie endender Prozess. Ohne dass man dabei an ein Ziel kommen muss.

Dein zweiter Name Babatunde erinnert an deinen Großvater …
Ja, er beschreibt die Rückkehr oder die Wiedergeburt des Großvaters, weil ich an dem Tag geboren bin, an dem mein Großvater gestorben ist.

Bist du religiös?
Nein, aber ich bin auf jeden Fall spirituell. Ich glaube, dass es mehr gibt, als das, was wir Realität nennen. Ich halte es für sehr unrealistisch, dass es keine spirituelle Ebene gibt. Denn genau damit arbeite ich als Künstler. Ich ziehe meine Inspiration aus dem Bereich der Ideen, der jenseits der Realität, jenseits des Greifbaren liegt.

Du setzt bei deinem neuen Album auf Bio-Vinyl. Was hat es damit auf sich?

Mein neues Album wird auf Bio-Schallplatten aus Frittenfett gepresst. Dabei kommt recyceltes Altspeiseöl anstelle von Erdöl zum Einsatz. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern die neuen Bio-Schallplatten klingen genauso gut wie die herkömmliche Variante mit Erdöl und sie riechen völlig neutral. Deshalb wollte ich unbedingt einer der ersten Künstler sein, die Bio-Vinyl ausprobieren.

„Wir verzichten auf Tourbusse und Einwegplastik“

Patrice

Was tust du noch, um die Musikindustrie nachhaltiger zu gestalten?
Wir hängen zum Beispiel kaum Plakate mehr auf und haben Einwegplastik aus unserem Catering und dem Backstagebereich verbannt. Außerdem fordern wir unser Publikum dazu auf, Carsharing zu machen und haben dafür Kooperationen mit den Städten, in denen wir touren. Wir fahren jetzt nicht mehr mit riesigen Tourbussen, sondern mit kleinen Elektroautos und Anhängern. Dadurch können wir viel CO2 sparen.

Könnt ihr damit euer komplettes Equipment transportieren?
Wir haben unser Equipment stark reduziert und kommen jetzt mit einem kleinen, aber sehr effizienten Besteck aus und haben trotzdem eine enorme Wirkung auf der Bühne. Es ist zwar reduzierter, aber genau dadurch vielleicht sogar kreativer. Die Promoter und auch die Konzerthallen begrüßen das jedenfalls, weil es für sie in vielerlei Hinsicht auch einfacher ist, wenn nicht zehn riesige Nightliner ankommen.

Wie engagierst du dich privat für Nachhaltigkeit?
Ich versuche, mich komplett zu reduzieren und minimalistisch zu leben. Das tut mir sehr gut. Ich empfinde es als eine Bereicherung, wenn man weniger besitzt und der Luxus vielmehr darin liegt, Zeit und Raum für Kreativität zu haben.

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