Im Jahr 2034 hat sich die Klimakrise dramatisch zugespitzt: Dürren, Waldbrände, Wasserknappheit. In Europa ist es unerträglich heiß. So sieht das Szenario in der ARD-Produktion „Ökozid“ aus, in dem Nina Kunzendorf eine der Hauptrollen spielt. Im November 2020, bei deutlich milderen Temperaturen, grüßt mich die Schauspielerin mit einem freundlichen Lächeln vom Bildschirm – Sie wissen schon – wegen Corona.
Was haben die Dreharbeiten von „Ökozid“ mit Ihnen gemacht?
Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, wusste ich sofort, dass ich bei dieser Produktion dabei sein will. Da musste ich keine Sekunde nachdenken. Momentan brennt mir kein Thema so auf der Seele wie der Klimawandel.
Und wie war dann der Dreh?
Der stand ziemlich im Zeichen von Corona. Die Bedingungen, unter denen gedreht wurde, waren neu für uns. Zum Glück gab es wenig Drehortwechsel, es fand fast alles in einer Art Studio statt. Das hat die Einhaltung der Hygienemaßnahmen erleichtert. Wir haben 18 Tage wie in einer Druckkammer gearbeitet. Die Dreharbeiten waren daher ziemlich anstrengend. Trotzdem herrschte eine wahnsinnig positive Energie am Set, weil uns das Thema motiviert hat. Wir hatten einfach alle, von den Hauptdarstellern über die Filmcrew bis zu den Komparsen, richtig Bock, diesen Film zu machen.
Zur Person

Glauben Sie, dass man mit Fiktion im Kampf gegen den Klimawandel etwas erreichen kann?
Als Fiktion würde ich „Ökozid“ nicht bezeichnen. Immerhin basiert das Szenario auf wissenschaftlichen Hochrechnungen. Und die Zeit, die juristisch verhandelt wird, liegt vor 2020. Wir kennen also die Fakten. Es wurde akribisch recherchiert und von Experten gegengelesen. Die Frage ist trotzdem spannend. Ich stelle häufig fest, wenn ich zum Beispiel Lesungen zu Themen wie #metoo oder Rassismus mache, dass da meistens Leute im Publikum sitzen, die ohnehin entsprechend sensibilisiert sind. Deshalb bin ich froh, dass „Ökozid“ im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Da ist die Chance größer, Menschen zu erreichen, die den Klimawandel noch nicht so dringlich auf dem Schirm haben.
Im Film sieht die Zukunft ziemlich düster aus. Keine Panik?
Ich bin zumindest zutiefst alarmiert. Aber nicht erst seit diesem Film. Ich musste nicht erst eine Anwältin spielen, die 31 Staaten des sogenannten globalen Südens vertritt, um den Ernst der Lage zu verstehen. Über die politischen Mechanismen habe ich viel Neues erfahren, aber wie schlimm es um unseren Planeten steht, war mir lange vorher bewusst.
Ihre Figur ist die abgeklärte Anwältin, ihre etwas jüngere, idealistische Kollegin hingegen spielt „Alles oder Nichts“. Geht Weltretten nur mit dieser jugendlichen Mentalität?
Ich finde es wirklich bewundernswert, wie sich Fridays for Future entwickelt haben. Gleichzeitig ist es beschämend, dass es Kinder und Jugendliche braucht, damit mal einer auf die Tonne haut. Und ja, so einen Satz wie „I want you to panic“ finde ich richtig. Die Jugend soll laut sein und massiv und fordernd. Die Politik muss dann schauen, was von diesen Forderungen umgesetzt werden kann.
Auch Filmproduktionen werden nachhaltiger. Wie sah das bei „Ökozid“ aus?
Das lief ziemlich gut. Es gab zwar wegen der Hygiene-Maßnahmen zum Beispiel mehr Autofahrten. Ulrich Tukur und ich sind dann irgendwann aber einfach mit dem Fahrrad zum Drehort gefahren. Außerdem gab es an drei von fünf Drehtagen ausschließlich vegetarische Gerichte. Da musste selbst der Caterer lachen.
Was ist daran lustig?
Früher hätte man in ganz Deutschland keinen veganen Oberbeleuchter gefunden. Mettbrötchen wurden in Filmkreisen Brötchen mit Beleuchtermarmelade genannt. Inzwischen gibt es viele Vegetarier oder Veganer in den Teams, da hat sich zum Glück viel verändert.
Wie sieht die Ernährung bei Ihnen zu Hause aus?
Im letzten Frühjahr habe ich mit meinen Kindern einen Gemüsegarten angelegt. Wir haben das erhabene Gefühl kennengelernt, eigenes Gemüse zu ernten – zum Beispiel Zucchini, von denen es am Ende viel zu viele gab. Daneben noch Kräuter, Kohlrabi, Bohnen, Zuckerschoten, Salat und – Achtung – eine Karotte. Ist halt ein kleines Beet. Ich bin seit vielen Jahren irgendetwas zwischen Vegetarierin und Veganerin, meine Tochter auch. Das kam zuerst aus dem kindlichen Bedürfnis, Tiere nicht töten zu wollen. Später kamen andere Argumente dazu, als sie anfing, sich eine politische Meinung zu bilden.
Wann immer ich kann, gehe ich auf Demos.
Diesen Prozess hat Fridays for Future dann beschleunigt?
Das kann man so nicht sagen. Die Themen waren längst Teil unseres Alltags: regional und saisonal einkaufen, im Bio-Laden natürlich, oder ÖkoStrom beziehen oder kein großes Auto fahren – damit sind meine Kinder groß geworden. Daher stand es nie zur Debatte, ob die freitags mitlaufen wollen oder nicht.
Und Sie, gehen Sie auch noch demonstrieren?
Ja klar, wann immer ich kann, gehe ich auf Demos – schlumpelig, wie ich eben privat rumlaufe. Da habe ich keine Berührungsängste oder Angst für irgendetwas vereinnahmt zu werden.
Sie spielen auch in der Netflix-Produktion „Freaks“ mit. Da geht es um Superhelden. Welche Superkräfte hätten Sie gerne?
Mich hat dieser Hype um Superhelden nie wirklich mitgenommen, auch in meiner Jugend nicht. Das kommt mir manchmal vor wie eine Flucht, weil diese Welten so weit weg sind von unserer Realität. Ich glaube aber, dass wir Menschen brauchen, die voran gehen, also „normale“ Helden, wenn Sie so wollen.
Wer ist das für Sie?
Die Ärzte und Pflegekräfte auf Corona-Stationen oder in Seniorenheimen, vor denen ziehe ich meinen Hut. Aktuell finde ich die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern spitze. Die macht einfach echt viel richtig, zum Beispiel eine Maori-Frau in ihr Kabinett zu berufen. Ich glaube auch, dass es der ganzen Umweltbewegung um Fridays for Future gut getan hat, jemanden wie Greta Thunberg zu haben. Oder wenn man nach Weißrussland schaut. Das trifft schon meine Vorstellung von Helden, mit was für einem Risiko die Menschen dort auf die Straße gehen.
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