Interview

Moritz Neumeier: „Die Welt endet 2050“

Der Comedian Moritz Neumeier glaubt nicht daran, dass wir die Klimakrise überleben. Trotzdem möchte er möglichst nachhaltig leben. Wir sprachen mit ihm über Hoffnung, Humor und die letzten 30 Jahre der Menschheit.

Moritz Neumeier ist nicht pur lustig. Sein Humor wächst aus Weltschmerz. Er legt den Finger in unsere Wunden, bis es wehtut. Und dann, mittendrin, entsteht das Lachen. – Ein Gespräch am Rande seiner Deutschland-Tour „Am Ende is eh egal“.

Moritz, was treibt dich derzeit um?

Die Frage, wie ich leben will und damit eng verbunden: der Klimawandel und die Folgen des Klimawandels.

Du sagst, dass du davon ausgehst, dass 2050 die Welt untergeht.

Das glaube ich. Und selbst wenn es nicht so ist, möchte ich leben, als wäre es so.

Also ein Leben in Saus und Braus?

Nein. Mein Ziel ist, dass ich möglichst glücklich bin, meine Familie glücklich ist und wir es schaffen, viele Menschen glücklich zu machen. Jetzt und die nächsten 30 Jahre, danach kann es vorbei sein. Ich hab keinen Bock zu denken, wenn ich 60, 70 bin, lehne ich mich zurück. Ich will jetzt Zeit haben, vielleicht werde ich weder 60, geschweige denn 70.

Zur Person: Moritz Neumeier

Der 34-Jährige wuchs mit sieben Geschwistern in Schleswig-Holstein auf. Mit 20 stand er als Poetry-Slammer auf der Bühne. Als Comedian wurde er bekannt mit seinen Youtube-Videos „Auf eine Zigarette mit Moritz Neumeier“. Derzeit tourt er mit seinem Programm „Am Ende is eh egal“ durch Deutschland. Er ist ein trauriger Clown, spricht über das Leben, die Kinder und das Scheitern an den eigenen Ansprüchen. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern wohnt er in Norddeutschland. Ein Leben ohne Bühne würde für ihn nicht funktionieren. Dann wäre er dauerhaft bei seinen Kindern.

Zeit haben bedeutet Glück für dich?

Der Kapitalismus erzählt: Kauf dir was Schönes! Du kannst sowieso nichts ändern! Früher haben wir sinnlos Sachen angeschafft. Dann haben wir gemerkt: Das macht nicht wirklich zufrieden. Wir haben aufgehört, zweimal im Jahr irgendwo hin zu fliegen. Heute kaufen wir Fairtrade-Sachen, die weder die Umwelt noch Menschen, vor allem Kinder, ausbeuten. Wir sanieren unser Haus ökologisch, das kostet das Doppelte, fühlt sich aber besser an. Wir essen so gut wie kein Fleisch und wenn doch, dann welches, was in der Nähe geschossen wurde, wobei wir da nicht ganz konsequent sind. In der Summe sind das nur Kleinigkeiten, die für die Welt absolut nichts ändern. Aber ich habe ein besseres Gefühl. Das ist die Sache, die dann zählt.

Fürs bessere Gefühl lebst du nachhaltig, öko und kaufst Fairtrade?

Für mein eigenes gutes Gefühl und den positiven Effekt, dass Kinder nicht mehr nähen müssen. Die Nachfrage regelt das Angebot. Es ist möglich, dafür zu sorgen, dass das, was du kaufst, nicht von Kindern gemacht wird. Und wenn das genug Menschen machen, können vielleicht wenigstens drei Kinder mehr zur Schule gehen. Das ist mein Gewissen, mein persönlicher Style. Damit ich sagen kann, ich mache meinen Teil. Sonst würde ich mich beschissen fühlen.

Trotzdem hast du kein bisschen Hoffnung, dass wir die Welt doch noch retten?

Jeder Experte sagt: Alles, was wir gerade machen, ist maximal falsch. In 30 Jahren ist das hier vorbei, bei den Leuten in Südostasien noch ein bisschen früher. Vielleicht überleben irgendwo ein paar Superreiche, aber die Welt, wie ich sie kenne, endet 2050.

Viele Experten sagen, wir könnten es schaffen, zu überleben ...

... und wir machen es nicht! Wir sagen lieber: Jeder darf seine eigene Meinung haben, jeder darf leben, wie er will. – Gut, dann sterben wir eben in 30 Jahren. Das ist auch okay.

Wenn du die Wahl hättest: Lieber Demokratie oder Öko-Diktatur?

Öko-Diktatur. Ich verstehe nicht, warum es immer noch erlaubt ist, so viel Fleisch zu essen oder innerhalb Deutschlands zu fliegen. Das ist einfach pervers und krank. Das sollte ab heute verboten werden. Es gibt kein Argument für Inlandsflüge – außer vielleicht Organspende oder Notfälle.

Humor hilft bei der Bewältigung negativer Gefühle.

Moritz Neumeier, Comedian

Und du wärst für eine Regierung, die Smartphones verbietet, für die Kinder in Minen geschuftet haben?

Sofort. Klar. Es wäre so viel einfacher, wenn jemand sagen würde: Nee, darfst du nicht, kannst du nicht machen. Du kannst kein Smartphone haben, weil da Kinder für gearbeitet haben. Du kannst eines kaufen, das einwandfrei hergestellt wurde, davon gibt es aber nicht genug. Also hat nicht jeder ein Recht auf ein Smartphone, sondern muss nachweisen, dass er oder sie eines braucht.

Jetzt glaube ich auch nicht mehr, dass wir die Welt retten können.

Es klappt auch nicht. Warum sollte es?

Weil das Leben doch schön ist.

Ja, ich bin auch absurd neidisch auf meine Eltern und Schwiegereltern, weil die exakt die Rente haben, die ich gerne hätte und ich weiß, ich habe das nicht mehr. Der schwerste Gedanke ist, dass die Kinder ausziehen und ich keine Weltreise machen kann. Aber schließlich hat mir das niemand versprochen.

Bist du mit deiner Familie aufs Land gezogen, damit ihr ein bisschen länger überlebt?

Nee, wir finden es auf dem Land einfach am schönsten und die Kinder auch.

Machst du lieber Witze über Veganer oder über Fleischesser?

Weder noch. Wenn einer sagt: Ich habe keinen Bock, dass ein Tier leidet oder stirbt, damit ich mich ernähre, da kann man doch nicht sagen: Bist du scheiße! – Ich schaffe es nicht, vegan zu leben. Dass jemand das schafft, Chapeau! Ich mache eher Witze darüber, dass ich Fleisch esse, aber viel lieber so tun würde, als wäre ich Vegetarier, weil es besser ankommt bei meiner Bubble.

Du lachst über dich selber ...

... und über dich! Ich lache auch über dich. Denn wenn ich Witze über mich selbst mache, weiß ich, dass du denkst: Ach, das mache ich ja genauso. – Und dann können wir zusammen lachen und das Gefühl haben, es ist in Ordnung, dass nicht alles perfekt ist. Und demnächst hast du oder hab ich vielleicht ja doch noch die Kraft, etwas zu ändern.

Bist du deshalb Comedian?

Ich mache automatisch Witze, wenn ich Angst habe, traurig, depressiv oder wütend bin. Das ist wie ein Schutzschild. Viele machen das so. Es gibt zum Beispiel enorm gute Witze über den Holocaust – erzählt von jüdischen Menschen. Sie verarbeiten das humorvoll. Humor hilft bei der Bewältigung negativer Gefühle. Spaß und Ernst bedingen sich gegenseitig. Gut gelaunte, lachende Menschen haben eher die Kraft, sich ernste Themen anzuschauen und etwas zu ändern. Und wer deprimiert ist, kann oft umso lauter lachen. Denn Lachen befreit.

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