Gesundheit

Mit Shiatsu dem Stress richtig Druck machen

Die japanische Heildruckmassage Shiatsu liegt im Trend. Aber bringt sie die Energie wirklich wieder in Fluss? Ein Selbstversuch.

Ich liege auf dem Rücken, alle Viere von mir gestreckt, ein glücklicher Seestern. Wohlige Wogen wabern durch meinen Körper. Alles ist gut. Dabei war ich vor einer Stunde noch total gestresst von mir und meinem Leben. Was ist passiert? Valium? Ein Schlag auf den Kopf? Nichts dergleichen! Jemand Nettes mit Sachverstand hat meine Energielinien neu ausgerichtet – mit Shiatsu.

Ich bin nicht esoterisch. Auch wenn es viel zwischen Himmel und Erde gibt, das ich mir nicht erklären kann, muss ich ja nicht gleich an alternative Fakten glauben, nur weil die sich besser anfühlen. Immer wieder stürzen sich Leute auf alle möglichen Welterklärungslehren, die Schluss machen sollen mit dem ganzen Herumgezweifel und dem Leben endlich einen neuen Sinn geben. Naturheilkunde, die auf uralten Philosophien aus Fernost beruht, gehört für mich dazu. Besonders, wenn ständig von „Energie“ die Rede ist.

Trotzdem möchte ich es gerne ausprobieren. Denn ich schlafe schlecht ein und selten durch, fühle mich gehetzt und bin hin und wieder traurig darüber, dass das Leben so schnell an mir vorbeizieht. Vielleicht ist es auch einfach nur das, was zwischen Quarter- und Midlife-Crisis kommt. Aber auch dafür wäre neue Lebensenergie hilfreich. Warum also nicht mal Shiatsu? Freunde von mir schwärmen von dieser japanischen Heildruckmassage, die auf der traditionellen chinesischen Medizin beruht. Das System wurde vor rund 100 Jahren in Japan entwickelt und beruht auf besagter Lebensenergie, dem Ki. Sie fließt auf bestimmten Bahnen durch den Körper und sammelt sich in den Meridianen – ähnlich den Chakren im Yoga. Ist der Energiefluss gestört, äußert sich das durch Beschwerden von Körper und Geist. Shiatsu heißt übersetzt „Fingerdruck“. Und genau mit dem soll die Energie wieder zum Fließen gebracht werden.

Sie zieht, dehnt, knetet und schüttelt

Eine Freundin empfiehlt mir Andrea, mit der ich einen Termin ausmache, zu dem ich gleichermaßen skeptisch wie gestresst erscheine. Andrea trägt weite, weiße Hosen und ein freundliches Lächeln, als sie mich in den Behandlungsraum führt. Der ist klein und klar auf Minimalismus getrimmt. Mit wenigen aber schönen Möbelstücken und ein paar Buddhafiguren auf den Fensterbrettern. Vor den Fenstern lärmt die Straße vor sich hin. Auf dem Boden liegt eine Bambusmatte mit einem Futon darauf. Bevor es losgeht, möchte Andrea wissen, mit welchem Thema ich zu ihr komme. Wir trinken grünen Tee aus kleinen Schalen und ich erzähle. Andrea hört so geduldig zu, dass ich gar nicht mehr aus dem Reden herauskomme.

Fast finde ich es schade, als das Erstgespräch vorbei ist, und ich mich auf den Futon legen soll, der von einer Heizmatte erwärmt wird.

Ich bekomme ein Kissen unter den Kopf, eines unter meine Knie, dann breitet Andrea noch eine Wolldecke über mich. Mir ist behaglich zumute. Sie kniet sich neben mich und schließt konzentriert die Augen. Dann bearbeitet sie meinen gesamten Körper, die Arme, die Beine, Rumpf und Kopf. Sie drückt, sie zieht, sie knetet, sie dehnt, sie klopft, sie schüttelt, manchmal drückt sie so fest, dass es fast wehtut, aber auf angenehme Weise. 350 Shiatsu-Punkte gibt es. Andrea findet sie alle – und aktiviert sie mit Daumen, Handballen, Ellbogen, Knien und Füßen. Anders als bei der Akupunktur werden aber nicht nur die Punkte stimuliert, sondern jene Meridiane, die diese Punkte verbinden.

Der Energiestau ist beseitigt

Es scheint zu funktionieren, ich gleite immer tiefer in meinem eigenen Körper. Sogar die Straßengeräusche klingen jetzt wie das angenehme Rauschen einer Brandung. Andrea hat magische Hände, mal warm, mal kühl. Besonders beeindruckt bin ich von dem, was sie mit meinem Bauch macht. Im Prinzip legt sie nur ihre Hand auf eine Stelle ein paar Zentimeter unterhalb meines Bauchnabels, und auf einen Schlag spüre ich – ich weiß, das klingt jetzt komisch – meinen Darm und wie nervös er ist. Ein Gefühl, das ich sonst, sagen wir, nur indirekt vermittelt bekomme. Und immer wieder strömt urplötzlich ein warmes Einverstandensein mit dem Universum durch mich hindurch. Stress wegen dem Job? Pah. Nur dieses wunderbare Seesterngefühl.

Zum Abschluss reibt sie meine Ohren, und wer noch nie die Ohren gerieben bekommen hat, dem sei dies wärmstens empfohlen. Ich fühle mich jetzt wie nach dem Saunieren, aber nicht erschöpft, nur entspannt. Anschließend reden wir, und Andrea sagt mir Dinge auf den Kopf zu, die ich vergessen hatte, im Gespräch vorher zu erwähnen: Beispielsweise wird mir manchmal beim Sprechen die Luft knapp, ohne dass ich aber Probleme mit körperlicher Anstrengung hätte. Sie spricht von einem „Energiestau“ beim Lungenmeridian und dass sie einiges an Energie durch mich durchgejagt habe. Insgesamt, meint sie, solle ich lernen, mich zu entspannen, und empfiehlt mir Übungen.

In den nächsten Tagen habe ich ausgesprochen gute Laune, fühle mich geradezu aufgeladen. Sicher: Dafür braucht man vielleicht keine freigefegten Energiebahnen. Vermutlich ist jede Art von Glauben hilfreich für einen Heilungsprozess. Und Zuwendung, die wir Menschen als soziale Wesen brauchen, um uns geborgen zu fühlen, ist prima fürs Immunsystem. Aber eigentlich ist mir egal, wie man das erklärt. Ich weiß nur, dass ich wiederkommen werde.

Tipps für die Shiatsu-Behandlung:

  • Die Kosten: Gesetzliche Krankenkassen zahlen Shiatsu-Behandlungen nicht, unter den privaten Versicherungen tun das nur manche. Eine einstündige Sitzung kostet zwischen 40 und 65 Euro. Für einen optimalen Therapieerfolg werden zehn Sitzungen veranschlagt.
  • Sich Zeit nehmen: Eine Sitzung dauert rund eine Stunde, es kann aber auch mehr sein.
  • Die Chemie muss stimmen: Wer sich unwohl oder nicht ernstgenommen fühlt bei der Behandlung, der sollte sich jemand anderen suchen.
  • Bei der Behandlung: Bequeme Kleidung tragen – nichts, was drückt.
  • Das Vorgespräch: Bei Shiatsu geht es um Körper, Geist und Seele. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie zunächst von sich und Ihrem Alltag erzählen.
  • Offline sein: Smartphone während der Behandlung ausstellen!

Mehr zum Thema

www.shiatsu-gsd.de

Nicht jeder, der Shiatsu anbietet, verfügt über eine fundierte Ausbildung. Bei der Suche nach einem kompetenten Praktizierenden hilft die Website der Gesellschaft für Shiatsu in Deutschland.

www.heilpraktiker.org/shiatsu

Der Fachverband Deutscher Heilpraktiker bietet Informationen zur Geschichte des Shiatsu und Hintergrundwissen für Patienten.

www.tiershiatsu.ch

Shiatsu für Tiere – auch das gibt es. Eine Therapeutenliste findet sich auf der Website der Schweizer Tier-Shiatsu-Schule.

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