Gift im Mund
Füllungen, Brücken, Kronen und Zahnspangen sind gesundheitlich nicht unbedenklich. Über Risiken oder Nebenwirkungen von Zahnmaterialien lesen Sie hier. // Christian Zehenter
Zahnfüllungen aus Amalgam mit über 50 Prozent Quecksilber sind Giftquellen. In den vergangenen Jahren zwar heftig in Kritik geraten, existiert bislang jedoch kaum eine kostengünstige Alternative. So einfach lässt sich Amalgam nicht verbieten - Millionen Menschen tragen es als Kassenleistung im Mund und Zahnärzte blombieren nach wie vor damit. Allerdings nutzten Dentalhersteller die Gunst der Stunde, um neue Kunststoffmaterialien auf den Markt zu bringen - nicht immer zum Nutzen der Patienten.
Amalgam in (fast) aller Munde
50 Millionen Menschen in Deutschland tragen Amalgam im Mund - Tendenz rückläufig: Von den knapp 70 Millionen Füllungen, die jährlich in Zahnarztpraxen gelegt werden, besteht noch ein Drittel aus Amalgam. Viele verzichten jedoch auf diesen gefährlichen Werkstoff - aus gutem Grund, wie der Labortest zeigt: Der Speichel von Amalgamträgern enthält mehr Quecksilber als das eine Mikrogramm pro Liter, das die Trinkwasserverordnung toleriert. Ihre Atemluft enthält nach dem Essen mehr Quecksilber als der Ausstoß eines Kohlekraftwerks. Das liegt auch daran, dass Quecksilber sich in Flüssigkeiten leicht löst und bereits bei Raumtemperatur verdampft. Besonders der Quecksilberdampf ist sehr gefährlich, da er ungehindert über die Lunge in den Körper und das zentrale Nervensystem gelangt und von dort aus fortschreitend den Organismus schädigt.
Füllungen aus Kunststoff
Anstelle von Amalgam werden meist Flüssigkunststoffe verwendet, so genannte Composites. Mittlerweile machen Composites 36 Prozent der Zahnfüllungen aus. Sie sind herkömmlichem Holzleim ähnlich und werden mit UV-Licht im Mund ausgehärtet. Der Nachteil ist, dass das Material schrumpft. Dadurch verändert sich der Biss, was Kaubeschwerden, Veränderungen im Bewegungsapparat und sogar bei der Atmung verursachen kann.
Composite-Füllungen müssen häufiger ausgetauscht werden und die Randspalten sind anfällig für Karies. Das kann zum früheren Verlust des Zahnes führen. Wenn die Füllungen zu schnell verarbeitet werden, verstärkt sich diese Tendenz: Der Kunststoff muss in sehr dünnen Schichten aufgetragen und vollständig ausgehärtet werden. Daher taugt er nur für sehr kleine Füllungen, die nicht der Kaubelastung ausgesetzt sind. Neuere Kunststoffe wie Tetric®Ceram, Definite® oder Solitaire® sind durch ein eingebautes Keramik- oder Silikatgerüst erheblich stabiler. Allerdings haben alle Flüssigkunststoffe für Allergiker und empfindliche Personen einen entscheidenden Nachteil: Sie setzen im Mund ständig allergene Einzelbestandteile, so genannte Monomere, frei und enthalten häufig nicht deklarierte Verunreinigungen wie Aldehyd, Phenol oder aromatische Kohlenwasserstoffe. Laborgefertigte Kunststoffe wie Artglass® oder Targis/Vectris® bieten bei Kronen und Brücken deutlich bessere Qualität: Mit Hilfe integrierter Keramik-, Glasfaser- oder Fiberglasgerüste lassen sich langlebige Kronen und Brücken mit bis zu fünf Gliedern realisieren. Außerdem werden durch die bessere Verarbeitung und Aushärtung weniger schädliche Substanzen freigesetzt als bei Kunststoff, der im Mund verarbeitet wird.
Keramik ist erste Wahl
Keramik ist der hochwertigste und verträglichste Zahnwerkstoff. Sie wird aus einer mineralischen Ausgangssubstanz gebrannt. Dank hoher Brenntemperaturen lösen sich später kaum noch Stoffe heraus. Da Keramik ein starres, bruchanfälliges Material ist, sind die Kronen auch dickwandiger, wofür leider mehr Zahnsubstanz verloren geht. Der zweite Nachteil: Keramikfüllungen werden in der Regel mit belastendem Kunstharzkleber eingesetzt. Die bessere Alternative wäre hier, die Keramik auf eine hochwertige Goldlegierung aufzubrennen, welche mit Zement eingesetzt wird. Der Werkstoff Keramik ist härter als Zahnschmelz. Er muss sehr passgenau gearbeitet sein, sonst schädigt er die gegenüberliegenden Zähne. In jüngster Zeit wurde Zirkonoxid (zum Beispiel Lava®, Cercon® oder Procera®) entwickelt. Er ist mit 400-550 Euro pro Krone etwas teurer, kann jedoch ohne größeren Verlust an Zahnsubstanz mit Zement eingesetzt werden. Aus Zirkonoxid lassen sich auch metallfreie Zahnimplantate herstellen.
Metall
Metalle kommen in der Zahnmedizin fast immer als Legierungen, also gemischt, zum Einsatz. Einzeln wären sie zu spröde und kaum zu verarbeiten. Sie neigen jedoch dazu, sich im Speichel zu lösen. Befinden sich mehrere verschiedene Legierungen im Mund, bauen sich vermehrt elektrische Spannungen und Ströme auf, die das Herauslösen noch verstärken. Vorsicht ist bei Kobalt, Nickel oder Beryllium aus Stahllegierungen in Prothesenklammern und Zahnspangen geboten. Sie verursachen Allergien und können die Schleimhäute schädigen. Beryllium ist zudem sehr giftig und krebserregend. Ungünstige Edelmetalllegierungen, die häufig als „Gold“ bezeichnet werden, enthalten Zinn, Silber, Kupfer oder Indium. Im Speichel erreichen sie teils belastende Konzentrationen und können Immun- und Nervensystem schädigen. Der Allergieauslöser Palladium ist in 90 Prozent aller „Goldkronen“ enthalten.
Gold, Platin und Titan
Verträgliche Legierungen für Kronen oder Brücken, wie Bio-Maingold I®, BioGold plus® und Bio-Herador SG® bestehen aus mindestens 85 Prozent Gold und zehn Prozent Platin, ohne die oben genannten Metalle. Eine Sonderrolle nimmt Titan ein: Es ist verträglich, hart und beständig. Äußerst schwer zu bearbeiten, wird es praktisch nur für Implantate verwendet. Wer Metall auch hier vermeiden möchte, kann auf Zirkonoxid zurückgreifen.
Zement
Ein traditionelles, verträgliches und kostengünstiges Füllmaterial ist Zement. Viele Zahnärzte behaupten, er tauge nur als Kitt oder Provisorium. Dennoch macht er bereits ein Drittel aller Füllungen aus. Die herkömmlichen Silikat-, Phosphat- oder Steinzemente sind gegenüber selbsthärtenden Kunststoffzementen deutlich unproblematischer. Nachteilig ist die begrenzte Lebensdauer. Je nach Größe und Ernährung hält Zement nur Monate bis Jahre. Weil die Füllungen häufiger ausgetauscht werden, geht auf Dauer mehr Zahnsubstanz verloren als bei langlebigen Alternativen.
Zahnmaterialien im Überblick
Material
Verwendung
Bestandteile
Eigenschaften
Stahl
Zahnspangen, Prothesen-
klammern, Provisorien
Nichtedel-
metalle, meist auf Chrom-Molybdän-Basis
Nickel, Kobalt und Beryllium vermeiden.
Amalgam
Füllung (ca. 30 €)
Metallgemisch mit 51,5 Prozent Quecksilber, > 20 Prozent Silber, ca. 25 Prozent Zinn, Kupfer u. a.
Quecksilber in den freigesetzten Konzentrationen kann Nervenschäden verursachen und belastet den Embryo.
Kunststoff als Füllmaterial
Füllung (50-150 €)
Erdölprodukte, die im Mund aushärten.
In dünnen Schichten vollständig aushärten. Nur für kleine Defekte.
Zement
Füllung (20-30 €), Klebemasse für höherwertige Materialien
Mineralische Gemische, die bei Vermischen mit Flüssigkeit aushärten.
Phosphat-, Silikat- oder Steinzement gegenüber Kunststoff-
zementen bevorzugen. Mittelfristige, verträgliche Einfachversorgung.
Edelmetall-
legierungen
Kronen (300-500 €), Füllungen, Brücken
Metallgemische, meist auf Palladiumbasis, mit Zinn, Kupfer, Gold und Silber. Beimengungen wie Iridium oder Indium.
Goldanteil sollte bei mindestens 85 Prozent liegen. Auf Zinn, Palladium, Kupfer, Silber und Indium verzichten. Immer nur eine Sorte Metalllegierung einsetzen.
Keramik
Kronen (350-500 €), Füllungen, Brücken, Implantate
Gebrannte Mineralien-
gemische von hoher Härte und Beständigkeit.
Sechsfach gebrannt. Metallkeramik oder Zirkonoxid schonen die Zahnsubstanz und können mit Zement eingesetzt werden.
Labor-
gefertigter Kunststoff
Kronen (300-500 €), Brücken, Prothesen
Vollständig ausgehärtete Erdölprodukte. Mit Keramik- oder Glasfasergerüst sehr biegeelastisch.
Kann mit Zement eingesetzt werden. Bei Allergieneigung Prothesen aus Kautschuk bevorzugen. Gaumenplatten aus Kunststoff enthalten häufig allergenen Farbstoff.
Weitere Infos
- Dr. med. Joachim Mutter: Amalgam - Risiko für die Menschheit. Quecksilbervergiftungen richtig ausleiten.
Fit fürs Leben Verlag, 2002, ISBN 3898815226, 14,95 Euro - www.umweltmedizin.de Veröffentlichungen über Zahnmaterialien sowie Adressen von umweltmedizinisch tätigen Ärzten.
- www.amalgam-info.ch Seite des Schweizer Vereins Amalgamgeschädigter mit Informationen, Beratungsangebot und Links.
Standpunkt
"Die hoffnungsvollste Alternative ist Zirkonoxid."
Christian Zehenter ist Heilpraktiker mit Schwerpunkt Umweltmedizin und leitete früher eine Patientenberatungsstelle. Heute arbeitet er als Redakteur der Zeitschrift Naturarzt.
! Millionen Patienten ließen sich ihre Amalgamfüllungen entfernen. Der größte Hersteller stellte seine Amalgamproduktion ein. Viele Zahnärzte stiegen auf Kunststoff um - der allerdings nur eine Alternative für kleine Defekte darstellt. Studien bestätigten, dass giftige Zahnmetalle sich im Körper einlagern. Teils wurden Gesundheitsschäden sogar von Krankenkassen und Gerichten anerkannt. Trotzdem blieb Amalgam die einzige, kassenbezahlte Regelversorgung und seine Wirkung wird heute wieder bagatellisiert.
? Häufig hört man, die Risiken von Zahnmaterialien seien nicht belegt.
! Bei Verstorbenen fanden sich abhängig von der Zahl der Amalgamfüllungen stark erhöhte Quecksilberkonzentrationen in Nieren, Leber und Gehirn. Es gab Tierversuche sowie Befragungen und Tests an fast 20.000 Patienten. Der Zusammenhang zwischen Amalgam im Speichel und Krankheitssymptomen ist belegt. In Schweden und Russland wurde die Verwendung von Amalgam deshalb eingeschränkt. Das erste Amalgamverbot wurde bereits 1840 in den USA ausgesprochen. Dass Edelmetalllegierungen giftige Metalle und Kunststofffüllungen organische Substanzen freisetzen, lässt sich leicht nachprüfen, indem man den Speichel im Labor untersuchen lässt.
? Welche Beschwerden treten auf?
! Quecksilber und Zinn verursachen neurologische Probleme, die sich in Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit und Leistungsminderung äußern können. Auch Schwindel, Seh- und Orientierungsprobleme kommen vor. Jedoch können Menschen, die unter Angst, Stress, schizoiden oder neurologischen Erkrankungen leiden, ähnliche Symptome entwickeln, müssen jedoch anders behandelt werden.
Kunststoffe, Kleber, Lacke und Stahllegierungen verursachen vorwiegend Entzündungen im Mund. Auch Aphthen, Hals- und Magenreizungen können auftreten.
? Sollte man Füllungen austauschen?
! Amalgam belastet den Körper mit bis zur 20fachen Menge der laut WHO zulässigen Höchstaufnahme von täglich 0,05 mg undsollte in jedem Fall entfernt werden. Wer auf Kunststoffe, Lacke und Kleber im Mund bislang nicht reagiert hat, wird höchstwahrscheinlich keine Beschwerden bekommen, wenn sie im Mund bleiben. Bei Entzündungen im Mund zuerst Nahrungsmittelallergien ausschließen.
? Und bei neuen Füllungen …?
! … das Datenblatt des Herstellers einsehen. Tabu sind Zinn, Palladium, Kupfer, Beryllium, Indium, Kobalt, Nickel und Silber. Eventuell auf Kunststoff, Kleber und Lacke zugunsten von Zement verzichten.
? Bergen nicht alle Zahnmaterialien Gefahren? Was empfehlen Sie?
! Die Dosis macht das Gift. Doch die Unterschiede bei Zahnmaterialien sind extrem. Viele Amalgamträger fallen eigentlich unter die Gefahrstoffbestimmungen. Alternativ zu Amalgam bieten sich Zement oder mit Keramik verblendete hochwertige Goldlegierungen an. Für Kronen stehen mit Zirkonoxid, Metallkeramik und laborgefertigten Kunststoffen verträgliche Materialien zur Verfügung. Die hoffnungsvollste Alternative ist Zirkonoxid. Es ist nach bisherigen Erkenntnissen ohne Schadstoffbelastung für fast jede Versorgung einsetzbar, und es ist sehr haltbar.
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