Interview

Maren Kroymann: „Ich will keine Industriegifte zu mir nehmen.“

Maren Kroymann feiert 75. Geburtstag. Grund genug für ein Gespräch mit der feministischen Kabarettistin: Im Interview spricht sie über Ayurveda, Reformhäuser in den 50ern und wie sie als erste Frau eine Satireshow im Fernsehen bekam.

Gerade war die Schauspielerin und Sängerin Maren Kroymann wieder auf Tour mit ihrem Bühnenprogramm „In My Sixties“. Neue Folgen für die beliebte ARD-Satiresendung "Kroymann" sind auch geplant. Beim Interview saßen wir im März vor einem belebten Café in Berlin-Charlottenburg und sprachen über Umweltschutz, Kroymanns Weg zum Feminismus und Wendepunkte in ihrem Leben.

In Ihrer Sendung nehmen Sie auch deutsche Essgewohnheiten aufs Korn. Was essen Sie denn gerne?
Ich esse lieber Gemüse als tierische Produkte, aber wenn ich zweimal im Jahr Lust auf Currywurst habe, dann esse ich sie. Ich verbiete mir nichts, deshalb nenne ich mich nicht Vegetarierin, sondern Gemüsefreundin. Am liebsten kaufe ich mein Gemüse auf dem Markt oder im Bio-Laden. Zur Zeit liebe ich Chicorée: Den dünste ich mit Öl in der Pfanne und mache Muskat dran, ein bisschen Zitrone oder Orangensaft und Kokosblütensirup. Das schmeckt großartig.

Seit wann kaufen Sie Bio?

Meine Patentante Elisabeth hat in den 50ern schon im Reformhaus eingekauft und mir immer Fruchtschnitten mit gebracht statt Süßigkeiten. Das fand ich toll. Heute kaufe ich Bio ein, weil ich keine Industriegifte zu mir nehmen will und die Flora und Fauna schützen möchte. Das geht eben nur, wenn nicht überall Gifte gespritzt werden.

Sie karikieren gerne Menschen, die ihren Umweltschutz vor sich hertragen. Glauben Sie, dass Nachhaltigkeit nur ein Trend ist?

Ich habe nichts gegen einen Trend, wenn er politisch gut ist. Auf Social Media wird so vieles propagiert und dabei finde ich das Eintreten für den Umweltschutz wesentlich sinnvoller als Beauty-Themen.

Was hat Sie politisiert?

Ich habe eine liberal-konservative Prägung in Tübingen erhalten, wo ich aufgewachsen bin. Als ich dort rauskam – in die USA, nach Frankreich und Berlin – habe ich festgestellt, wie privilegiert ich bin. Dass ich studieren darf, Auslandssemester machen kann und Schauspielkurse. Das war der Anfang meines linken Bewusstseins und meines gesellschaftlichen Engagements. Ich möchte etwas zurückgeben.

Zur Person

Porträt von Maren Kroymann

Schauspielerin, Kabarettistin, Sängerin: Maren Kroymann

Maren Kroymann hat Anglistik, Amerikanistik und Romanistik in Tübingen, Paris und Berlin studiert. 1982 entwickelte sie ihr erstes Bühnenprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ und wurde dadurch fürs Fernsehen entdeckt. Ihre erste Hauptrolle spiele sie 1988 in der Fernsehserie „Oh Gott, Herr Pfarrer“; von 1993 – 1997 hatte sie mit „Nachtschwester Kroymann“ als erste Frau eine eigene Satiresendung im TV. Seit 2017 ist sie in ihrer Sendung „Kroymann“ im Ersten zu sehen. 2023 erhielt sie den Grimme-Preis für ihr Lebenswerk.

Sie waren die erste Frau mit einer eigenen Satireshow im Fernsehen. Wie kam es dazu?
Von Radio Bremen wurde mir Anfang der 90er ein TV-Sendeplatz angeboten – da gab es einen tollen Unterhaltungschef, der hat mein satirisches Bühnenprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ gesehen und an mich geglaubt. So gelangte ich mit feministischen Sketches ins Fernsehen, bevor das dort ein großes Thema war. Ich wurde damals unterschätzt und noch nicht richtig erfasst als Feministin. Das war mein Vorteil, damit konnte ich überraschen – und hatte eine gute Einschaltquote. Natürlich ist die Sendung auch angeeckt, aber genau das war auch mein Ziel.

Wie sind Sie Feministin geworden?

Ich bin mit vier Brüdern aufgewachsen: Wir sind im Grunde alle gleich erzogen worden und trotzdem hatte ich andere Bedingungen als meine Brüder und viel weniger Selbstbewusstsein. Als ich dann in den 70ern die ersten feministischen Gedanken mitbekam, hat mich das sofort überzeugt. Und mir fiel schon im Studium auf, dass sowohl in der Romanistik als auch in der Anglistik keine einzige Literatin oder Dichterin vorkam. Außerdem stellten wir Frauen gefühlt 90 Prozent der Studierenden– und gleichzeitig gab es keine Professorinnen. Gegen diese Ungerechtigkeit wollte ich etwas tun.

Viele männliche Kollegen in Ihrem Alter verachten das Gendern, während Sie schon seit den 80ern auf genderneutrale Sprache achten ...

Dass zahlreiche Begriffe in der männlichen Form vorkommen, hat mich schon lange gestört. Viele Menschen haben Angst, durch genderneutrale Sprache etwas zu verlieren und das ist komplett irrational. Es heißt immer, die Links-
Grünen verbieten alles, zum Beispiel das Fleisch. Dabei ist die einzige Partei, die gerade wirklich etwas verbietet, die CSU – nämlich das Gendern. Das Gender-Verbot ist ein Anbiedern an die Rechten.

Sie hatten Anfang der 90er im Stern Ihr Coming-out und erhielten danach erst mal keine Aufträge. Warum sind Sie der Branche treu geblieben?
Ich hab‘ dann einfach durchgehalten, denn ich liebe ja meinen Beruf. Und ich war davon überzeugt, das Richtige zu tun. Ich dachte: Wenn ich jetzt schon prominent bin, dann kann ich doch auch etwas Sinnvolles damit anstellen.

Hatten Sie keine Angst?

Doch, mir war bewusst, dass mir das beim Fernsehen schaden könnte. Aber ich dachte, durch mein Coming-out kann ich in der Gesellschaft mehr verändern, als wenn ich eine stromlinienförmige Karriere mache. Außerdem hatte ich mich noch nicht an Prominenz oder viel Geld gewöhnt. Und ich bin ohne Fernseher aufgewachsen, denn das Fernsehen war im Bildungsbürgertum lange nicht erwünscht – auch von meiner Mutter nicht.

Hatte Ihre Mutter denn später einen Fernseher?

Ja, aber selbst als ich die erste Hauptrolle in „Oh Gott, Herr Pfarrer“ hatte, sagte sie noch: Du weißt ja, Kind, ich gucke keine Serien. Erst als in Tübingen fast alle diese Serie schauten, hat sie sich erweichen lassen und die Serie laufen lassen – aber den Ton nur laut gedreht, wenn ich dran war.

„Wenn die erste Meise singt, schreibe ich das in mein Tagebuch.“

Maren Kroymann

Gerade waren Sie wieder auf Tour mit Ihrer Band. Warum genießen Sie nicht den Ruhestand?
Weil´s toll ist auf der Bühne zu stehen! Ich liebe es, mit meiner Band zu singen, es kommt so viel zurück. Es macht mich glücklich, die Leute direkt gegenüber zu haben – nicht so weit weg wie beim Fernsehen. Natürlich ist es körperlich anstrengend, aber es lohnt sich.

Was gibt Ihnen Kraft?

Ich nehme mir regelmäßig im Winter eine Auszeit und mache über Weihnachten drei Wochen Ayurveda-Kur auf Sri Lanka. Meditation und das gesunde Essen helfen mir beim Abschalten und mit meinem Körper wieder ins Reine zu kommen.

Was tut Ihnen im Alltag gut?

Ich gehe fünfmal pro Woche im Grunewald walken. Dabei mache ich mir nichts auf die Ohren, sondern nehme den Wald wahr. Wenn zum Beispiel im Januar die erste Meise im Wald singt, schreibe ich das danach in mein Tagebuch. Wir sind im Alltag so reizüberflutet, dass ich es sehr wichtig finde, einfach mal nichts nebenbei zu tun.

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