Im Telefoninterview mit Schrot&Korn erklärt Malaika Mihambo, warum vegane Ernährung und Meditation vor dem Wettkampf so wichtig für sie sind. Die Ausnahme-Sportlerin brennt nicht nur für Leichtathletik, sondern auch für Achtsamkeit und den Umweltschutz.
Wie fühlt sich ein Weitsprung an?
Ein bisschen so, als würde ich fliegen. Auch ein weiter Sprung geht zwar relativ schnell wieder vorbei, aber es ist ein unheimlich schönes Gefühl, wenn man merkt, dass man gerade optimal angelaufen ist und auch beim Absprung den richtigen Punkt getroffen hat. Dann lässt sich die Flugphase noch etwas länger hinauszögern.
Wie bereiten Sie sich in den letzten Tagen auf den Wettkampf vor?
Für mich geht’s in den letzten zwei Wochen vorm Wettkampf eigentlich nur noch darum, runterzukommen. Die sogenannte Taperingphase bedeutet, dass man immer mal wieder das maximale Leistungsvermögen antippt, aber viele Ruhepausen hat. Es geht um Regeneration und ums Kräftesammeln. Damit man im Optimalfall zum Hauptwettkampf in einer ausgezeichneten Verfassung dasteht. Für mich heißt das, aktiv Ausgleiche zu suchen und Abstand zu gewinnen vom Druck des Wettkampfs oder von Erwartungen und stattdessen den Fokus auf sich selbst zu setzen. Am liebsten mit Meditation und Musik.
Wie meditieren Sie?
Mal mache ich eine Atemmeditation und mal erzeuge ich bestimmte Gefühle wie Selbstvertrauen oder Dankbarkeit. Manchmal suche ich auch einfach nur die Stille oder mache Visualisierungen und stelle mir den perfekten Sprung vor. Für mich ist es wichtig, mich mental auf den Sieg einzustellen und diesen schon mal im Kopf durchgespielt zu haben, bevor ich auf den Platz gehe.
Was hat Sie dazu inspiriert, zu meditieren?
Meine Mutter hat mich als Kind schon zum Yoga mitgenommen. Später ging ich mit ihr in eine Meditationsgruppe und lernte darüber die Vipassana Meditation kennen. Vor ein paar Jahren habe ich mir dann einen Kurs in Indien ausgesucht, wo diese Meditationstechnik herkommt. Ein halbes Jahr lang bereitete ich mich darauf vor: Angefangen mit fünf Minuten Stille konnte ich irgendwann eine Stunde am Stück meditieren ohne mich zu bewegen. Meine Reise nach Indien selbst und der Kurs haben mir gezeigt, dass ich über mich hinauswachsen und mir mehr zutrauen kann, zum Beispiel als Frau alleine nach Indien zu reisen.
Zur Person
Malaika Mihambo wurde 1994 in Heidelberg geboren und bereits im Alter von drei Jahren Mitglied im Sportverein TSV Oftersheim. Mit acht Jahren wurde sie bei einem Ferienprogramm entdeckt und ins Leichtathletiktraining eingeladen. Im Alter von 16 spezialisierte sie sich auf Sprint und Sprung – und trat zum ersten Mal bei einer internationalen Meisterschaft an. Mihambo wurde 2019 und 2022 Weltmeisterin im Weitsprung und 2021 Olympiasiegerin. Sie hat einen Bachelor in Politikwissenschaften und studiert Umweltwissenschaften im Master.
In Ihrem Buch „Spring dich frei“ schreiben Sie, dass Sie schon als Kind immer höher hinaus wollten. Was hat Ihren Ehrgeiz entfacht?
Ich bin von Natur aus so gestrickt, dass ich es liebe, Neues zu lernen, Dinge weiterzuentwickeln und über mich hinauszuwachsen. Das habe ich schon als Kind beim Klettern gerne gemacht. Und es hat vielleicht dazu geführt, dass ich meinen Ehrgeiz heute im Sport auslebe. Es geht mir dabei nicht um die Konkurrenz mit anderen, sondern ich versuche immer, mich selbst zu verbessern.
Sie studieren Umweltwissenschaften im Master. Was hat Sie dazu motiviert?
Ich habe zuerst meinen Bachelor in Politikwissenschaften gemacht, weil es mich brennend interessiert, wie wir Menschen zusammenleben: Welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme bilden wir, um miteinander zu agieren? Umweltschutz ist dabei einer der wichtigsten Aspekte, um auf allen Ebenen Lösungen zu finden und die Harmonie zwischen Mensch und Natur bestmöglich zu unterstützen.
Wie könnte man den Sport nachhaltiger gestalten?
Das Ziel vom IOC für die Olympischen Spiele in Paris ist, diese so nachhaltig wie noch nie zuvor zu gestalten. Der Sport greift das Thema allmählich auf, und das ist wichtig, weil Sport die soziale Kraft hat, Menschen zu vereinen. Unabhängig davon finde ich es aber zu kurz gedacht, hierbei nur an den Sport zu denken.
Sie ernähren sich vegetarisch. Wann haben Sie damit begonnen?
Ich habe mit sechs Jahren angefangen, kein Rind und kein Schwein mehr zu essen. Zu dieser Zeit gab es den großen BSE Skandal und das hat mir als Kind bewusst gemacht, wie schlecht Tiere häufig gehalten werden und dass sie für unser Essen sterben müssen. Mit 8 habe ich dann auch auf Fisch verzichtet und mittlerweile esse ich auch keine Eier mehr und so wenig Honig wie möglich. Ab und an verzehre ich Käse, alle anderen Produkte ersetze ich durch vegane Alternativen. Es geht mir zum einen um das Tierwohl, zum anderen aber auch um Nachhaltigkeit.
„Vor dem Wettkampf ernähre ich mich am liebsten vegan“
Wie wichtig ist die vegetarische Ernährung für Sie als Sportlerin?
Dadurch ist mein Körper viel weniger belastet. An einem Wettkampf-Tag ernähre ich mich am liebsten vegan, weil mein Körper dabei weniger Energie braucht als beim Verdauen von tierischen Produkten. Dadurch gehe ich viel leichter an den Start.
Welche Rolle spielt Bio dabei?
Biologischer Anbau kommt in der Regel ohne Giftstoffe aus und verbraucht weniger Wasser und Düngemittel. Bio-Produkte sind deshalb nicht nur gesünder für mich, sondern auch für den Planeten. Ich setze Bio aber nicht um jeden Preis durch, da ich häufig in Hotels esse, und es dann nicht in meiner Hand liegt. Ich denke, es gibt auch andere Wege sich zu engagieren, als immer auf jedes einzelne Produkt zu achten.
Welche Wege wären das?
Mir gefällt das Konzept des Klima-Handabdrucks: Je größer dieser ist, desto mehr trägt man selbst zum Umweltschutz bei. Zum Beispiel, indem man an seinen Arbeitgeber herantritt oder an die eigene Gemeinde und gemeinsam überlegt, wie man Dinge nachhaltiger gestalten und so größere Hebel in Bewegung setzen kann als im Alleingang.
Mit Ihrem Verein „Malaikas Herzsprung“ wollen Sie Kinder für den Sport begeistern...
Studien zeigen, dass immer weniger Kinder in Vereinen sind, sich weniger bewegen und Adipositas zunimmt. Auch die psychische Gesundheit hängt stark mit Bewegung zusammen. Deshalb habe ich mich an meiner alten Grundschule dafür eingesetzt, Kinder zu bewegen – mit Spiel, Spaß und Wertevermittlung. Daraus ist schließlich mein Verein entstanden, der Familien finanziell unterstützt, ihre Kinder in einem Leichtathletikverein anzumelden
Zur Info: Wann geht Malaika Mihambo bei den Olympischen Spielen an den Start?
Die Leichtathletin hat sich für das Weitsprung-Finale am Donnerstag, 8. August 2024, 20:00 Uhr, in Paris qualifiziert.
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