Du hast kürzlich dein Buch „Was wäre, wenn wir mutig sind?“ veröffentlicht. Worum geht es?
Mein Buch handelt davon, wie wir in harten Zeiten Hoffnung und Mut finden. Das ist für viele von uns nicht einfach. Bei meiner Arbeit stelle ich aber immer wieder fest: Wir sind als Zivilgesellschaft viel stärker, als viele glauben.
Du schreibst von „bequemer“ und „realistisch unbequemer Hoffnung“. Was bedeutet das?
Alles wird gut. Irgendwer wird sich schon kümmern. Das ist bequeme Hoffnung. Wer hingegen unbequem hofft, verlässt sich nicht auf leere Versprechen, sondern packt das Problem selbst an. Das setzt einen Bewusstseinswandel voraus. Diese Menschen begreifen: Guter Wandel kann kommen, wenn wir für ihn kämpfen, losgehen, aktiv werden.
Was müssen wir jetzt anpacken?
In Deutschland müssten wir erst mal geltendes Recht einhalten. Wir haben ein Klimaschutzgesetz, das nicht eingehalten wird. Haben ein Verfassungsgerichtsurteil zum Klima, das ignoriert wird. Wir haben Umweltschutzauflagen, die nicht wahrgenommen werden. Wir müssten das Rad gar nicht neu erfinden, sondern erst mal machen, wozu wir verpflichtet sind. Das gilt auch für internationale Klimaziele.
„Wie viele Krisen trifft auch die Klimakrise Frauen stärker als Männer.“
Du steigst mit einer Geschichte deiner Großmutter ins Buch ein. Von ihr sagst du, dass sie klimaaktivistisch radikaler ist als du. Inwiefern?
Meine Großmutter ist 92 und fragt mich bei jeder Hose, die ich trage, ob die fair produziert ist. Sie spricht Leute an, wenn sie die Umwelt vermüllen. Sie hält die Chefs der dreckigsten Konzerne der Welt für kriminell und sagt das auch so. In unseren Überzeugungen sind wir nicht weit auseinander, aber in der Art, wie wir damit umgehen, ist sie durchaus radikaler.
Was meinst du, warum die Klimakrise so wenig mediale Präsenz bekommt?
Im Vergleich zu vor zehn Jahren bekommt Klima zum Glück schon viel mehr Aufmerksamkeit. In der New York Times etwa hat die Berichterstattung um 300 Prozent zugenommen. Auch im deutschen Fernsehen wird mehr darüber gesprochen. Das ist insgesamt aber zu wenig. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist der weit verbreitete Mythos, dass es immer etwas wichtigeres gibt als das Klima. Wissenschaftlich muss man sagen: Ohne Lebensgrundlagen ist alles nichts.
Politisch kommt dann auch noch Druck aus den USA. Präsident Trump hat etwa Klimakrise, Feminismus und Frau zu unerwünschten Worten erklärt. Hast du dafür noch Worte?
Donald Trump hat eine solche Angst vor der Wahrheit, dass er sie verbietet, wo er kann. Er versucht, uns in unserem moralischen Urteilsvermögen zu verunsichern. Dagegen müssen wir uns wehren, indem wir für die Akzeptanz der Wahrheit, unserer Werte und der Wissenschaft kämpfen. Durch unseren Kampf gegen die Klimakatastrophe haben wir bereits Übung darin, brauchen aber auch politischen Rückhalt.
Zur Person

Mit ihrem aktuellen Buch ist Luisa Neubauer ab Ende September wieder auf Tour.
Luisa Neubauer ist Klimaschutzaktivistin und Publizistin. Sie wurde als Aktivistin der „Fridays for Future“-Bewegung bekannt. Mittlerweile hat sie fünf Bücher veröffentlicht und macht aktuell ihren Master in Geografie. Die 29-Jährige lebt in Berlin und Göttingen. Aufgewachsen ist sie in Hamburg als jüngstes von vier Geschwistern.
Auf Instagram schreibst du: „Die Klimakrise ist sexistisch und braucht feministische Antworten.“ Worin siehst du den Zusammenhang?
Wie viele Krisen trifft auch die Klimakrise Frauen stärker als Männer. Von Hitzewellen etwa sind gerade Schwangere und ältere, arme Menschen betroffen, wozu wiederum mehrheitlich Frauen gehören. Auch in Berufsgruppen, die durch die Klimakrise besonders belastet sind, wie das Gesundheitssystem, arbeiten mehr Frauen. Die müssen dann körperlich ertragen, was wir an
klimabezogenen Erkrankungen produzieren, wie Hitzeschocks. Frauen sind nicht nur mehr von Klimafolgen betroffen, auch gesellschaftliche und systemische Konsequenzen werden eher auf Frauen abgewälzt. Es braucht unbedingt eine Klimaschutzpolitik, die diesen Sexismus verhindert.
Du bist viel unterwegs und nutzt dafür die Bahn. Die kam 2024 nur zu 62,5 Prozent pünktlich. Kommst du jemals rechtzeitig an?
Ich komme nicht immer überall an, aber oft genug. An der Bahn kann man gut sehen, was Transformation bedeutet. Da steht man sich schon mal im Weg und sitzt in verspäteten Zügen. Dass wir viel mehr in den Fernverkehr investieren müssen, ist keine Frage – Strecken und Bahnhöfe müssen ausgebaut werden. Die Deutsche Bahn ist aber auch ein Sinnbild dafür, dass Klimatransformation nicht heißt: Friede, Freude, Eierkuchen. Es heißt erst mal Belastung. Im Zug denke ich immer daran, dass Transformation von uns Geduld einfordert.
„Klimatransformation heißt erst mal Belastung.“
Welche Ziele und Hoffnungen hast du in diesem Jahr noch im Hinblick auf Klimaschutz?
Wir werden hart kämpfen müssen, in der neuen Regierung vernünftigen Klimaschutz zu sehen. Das ist aber nicht unmöglich, das schaffen wir. Im Herbst findet in Brasilien die große Klimakonferenz statt, wo wir uns für einen internationalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einsetzen und uns solidarisch zeigen mit den Regionen, die schon heute viel heftiger von der Klimakrise betroffen sind. Und währenddessen wird es immer heißer. Wir werden in Deutschland dieses Jahr neue Temperaturrekorde sehen. Wir sind also in diesem Jahr besonders gefragt, immer wieder Hoffnung in uns zu mobilisieren.
Und privat?
Ich studiere in Göttingen und werde dieses Jahr meinen Master machen. Vielleicht auch nicht ganz beenden, aber zumindest fast beenden. Nebenbei steht an: Eine Buchtour im Herbst und ein Halbmarathon.
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