Gute-Laune-Laufen
Für viele ist Laufen kein Spaß, sondern Mühe und Qual. Dabei kann es so leicht sein! Wie, das zeigt der neuseeländische Feldenkrais-Trainer, Marathonläufer und Buchautor Wim Luijpers. // Kati Hofacke
Wim Luijpers hält in der einen Hand ein Paar Laufschuhe, in der anderen eine Pulsuhr. Der Marathonläufer lässt beides auf den Boden fallen. „Die könnt ihr eigentlich wegwerfen. Alles was ihr zum Laufen braucht, habt ihr schon dabei.“ Die zehn Teilnehmer des „Gentle Running“-Seminars in der Konferenz-Suite eines Hotels im türkischen Antalya blicken sich ratlos an. „Wie – wegwerfen?“, fragt eine junge Marketingleiterin aus Wien konsterniert. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
Auf dem nahe gelegenen Fußballfeld joggt Wim Luijpers barfuß eine Runde. Es sieht sehr leicht und elegant aus. „So kann man stundenlang laufen! Es ist wie fliegen“, schwärmt er. Die Teilnehmer sind zwischen 23 und 60 Jahren alt, Männer und Frauen. Darunter Profis wie ein Marathonläufer, der sich weiter verbessern möchte. Aber auch Einsteiger, wie eine Chefsekretärin, die durch Jogging Gewicht reduzieren möchte. Jeder soll mit seinen alten Schuhen eine kurze Strecke laufen und wird dabei gefilmt. Die Mitschnitte zeigen, dass alle, egal ob sie nun zu den Anfängern oder Fortgeschrittenen gehören, sich beim Laufen zu sehr anstrengen, um wirklich Freude zu haben.
Effektiv ist immer elegant
Dass Zivilisationsmenschen wenig Spaß haben beim Laufen, ist leider keine Überraschung. Wir haben es regelrecht verlernt, uns natürlich zu bewegen, bekommen vom Laufen sogar Gelenkschmerzen. Für Wim Luijpers liegt das Problem dabei in der Lauftechnik. Richtig Laufen sei mühelos und mache Spaß. Er erklärt, dass die Schuhe oft zu der falschen Lauftechnik verleiten, mit der Ferse zuerst aufzutreten. Das wäre barfuß undenkbar. „Schaut euch Katzen an. Alle bewegen sich nahezu gleich. Effektiv und elegant. Lasst eine Horde Europäer über die Straße laufen – da rennt jeder anders, nach vorne, nach hinten gebeugt, manche rudern mit den Armen, manche bewegen sie gar nicht, die meisten treten mit den Fersen zuerst auf, manche – was noch anstrengender ist – mit den Spitzen.“ An diesem Punkt, den Bewegungsabläufen, setzt Wim Luijpers mit seinem Lauftraining nach der Felden-krais-Methode an.
Leichtfüßig mit der Schwerkraft
Die Teilnehmer sollen im Kurs die natürlichen Bewegungsabläufe wiederentdecken. Diese sind effektiv, leicht, entspannt und koordiniert. Auf weichen Matten rollen die Teilnehmer, nach Wim Luijpers leisen Anweisungen, langsam auf dem Rücken hin und her. Sie erfahren, wie viel leichter es geht, wenn sie dabei ein Bein anwinkeln, die Arme mitschwingen lassen, sich weich machen. „Ebenso ergeht es euch später beim Laufen“, erklärt der Trainer. „Nicht eure Beine laufen, sondern der ganze Körper! Eure Schritte werden nicht mehr versuchen, die Schwerkraft zu überwinden, sondern werden von der Schwerkraft ausgelöst!“
Aber dazu müssen die Teilnehmer erst einmal das Gehen neu erlernen. Wim Luijpers zeigt, wie man das Gewicht und damit den Schwerpunkt leicht nach vorne verlagert, sich auf einen Punkt des Ballens zwischen großer und zweiter Zehe stützt. Jeder soll sich vorstellen, von einer Schnur am Scheitel nach vorne oben gezogen zu werden. „Wippt ein wenig auf den Zehenspitzen und schon ist er da, der neue Schwerpunkt. Wenn ihr euch immer wieder selbst daran erinnert, macht ihr das bald automatisch. Ihr bewegt euch fort und seid dabei offen und aufgerichtet“, erklärt Wim Luijpers.
Atmen – nur durch die Nase
Bei der „Generalprobe“ der neuen Art zu gehen am Buffet des Hotels nehmen die Teilnehmer eine Veränderung wahr. „Meine Laune ist besser, wenn ich so gehe“, bemerkt ein Kameramann, „ich fühle mich leichter“, sagt die Marketingleiterin. „Mich haben plötzlich wieder einige Männer wohlwollend angesehen“, freut sich die Mutter in den 40ern.
Ist die Körperachse leicht vorgeneigt, löst die Schwerkraft, nicht die Muskelkraft der Beine, jeweils den nächsten Schritt aus – der verhindert, dass man nach vorne fällt. Die Schultern gleichen locker die Hüftbewegungen aus. Das Becken rotiert mit. Leichtfüßige Schritte sind eher schnell und klein als groß und schwer. Am dritten Tag lernen die Läufer, ausschließlich durch die Nase zu atmen. Sie sollen das Lauftempo drosseln, wenn die Nasenlöcher wegen Überanstrengung zumachen. Eine der schwersten Übungen bisher, unmöglich für einen Herrn mit chronischer Nebenhöhlenentzündung. „Was nicht zum Einsatz kommt, ver-
kümmert mit der Zeit“, kommentiert Wim Luijpers, „aber die Atemwege sind nach spätestens vier Wochen wieder frei.“ Durch den Mund solle man nur im Notfall oder als Turbo für Höchstleistungen atmen. Für den schonenden Dauerbetrieb reiche es vollkommen, durch die Nase zu atmen. Wichtig sei dabei, bewusst auszuatmen. Das Einatmen geschähe als Reaktion auf das Ausatmen ganz von selbst, indem sich die Lungen wieder füllten.
Am Ende der Woche bestehen alle Teilnehmer die Feuerprobe mühelos – barfuß auf Asphalt laufen. Als die Marketingleiterin spielerisch versucht, in ihrem alten Stil zu rennen, staunt sie: „So bin ich immer gelaufen? Da will ich nicht hin zurück. Ganzkörperlaufen fühlt sich tausend Mal besser an.“
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