Kommunikation

Übers Klima reden: So geht's.

Beim Segeln erlebt Autorin Ina Hiester die Folgen der Klimakrise unmittelbar. Dann ist sie zu Gast bei einem Motoryacht-Besitzer, der pro Stunde 500 Liter Diesel verbrennt, und schweigt schockiert. Hier erzählt sie, wie sie mit Hilfe eines Kommunikationstrainings künftig in solchen Situationen ins Gespräch kommen will.

500 Liter Diesel. Am nächsten Morgen klingelte die Zahl noch immer schmerzhaft in meinen Ohren. Ich fühlte mich, als wäre ich fremdgegangen – mir selbst, meinen Werten, meinem Lebensstil. Dabei hatte der Abend so fröhlich begonnen, dort am Steg, umweht von einer lauen Sommerbrise. Rolf (Name von der Redaktion geändert) hatte seine Motoryacht gleich hinter meinem Segelboot geparkt. Und er hatte alles dabei: Keyboard, Mikrofon, Verstärker. Er schlug ein paar verlockende Akkorde an und schon kam ich aufgeregt herbeigelaufen, denn schon lange hatte ich nicht mehr mit anderen Menschen musiziert. Zu Jazzklassikern aus aller Welt gab es kroatischen Wein, einen super Sonnenuntergang und gelegentlichen Applaus von vorbeilaufenden Spaziergängern. Ein perfektes, spontanes Zusammentreffen zweier Menschen, die zumindest musikalisch voll auf einer Wellenlänge liegen.

Doch während einer kurzen Musik-Pause ließ Rolf, fast beiläufig, in einem Nebensatz diese Zahl fallen. 500 Liter: so viel Diesel verbraucht seine Motoryacht – auf deren Deck ich mich gerade vor Schreck an meinem Wein verschluckte – pro Stunde, während er übers Meer heizt. In meinem Kopf wirbelten Wein und wilde Berechnungen durcheinander. 500 Liter Diesel emittieren mehr als eine Tonne CO². Für diese Tonne könnte man mit dem Auto zweimal von Berlin nach Moskau fahren – und wieder zurück. Oder eine 45 Quadratmeter große Wohnung ein ganzes Jahr lang heizen. Eigentlich müsste ich diese offensichtliche Verantwortungslosigkeit unserem Planeten gegenüber doch ansprechen? Aber wie? Und was würde das bringen?

Ich war überfordert, und so schwieg ich, trällerte noch ein paar Lieder, bedankte mich für den schönen Abend und lag danach noch lange wach in meiner Koje. Seither verfolgt mich mein Schweigen, meine Feigheit – bis ich Janna Hoppmann kennenlerne. Die Klimapsychologin unterstützt Menschen wie mich, die nicht genau wissen, wie sie mit Leuten „aus anderen Lebenswelten“, wie sie es umsichtig formuliert, konstruktiv über die Klimakrise sprechen können. Volltreffer, denke ich, und buche ein Seminar bei ihr.

Wie ihr in Streitgesprächen konstruktiv Fragen stellt

Gleich zu Beginn räumt Janna einige Missverständnisse in Sachen Klimakommunikation aus dem Weg. Für mich als Journalistin ist dabei besonders frustrierend: Weder bloße Information noch reine Angstmache inspirieren Menschen zum Handeln. Sonst wären wir wohl inzwischen alle angesichts der Tatsache, dass die Arktis schmilzt, vom Auto aufs Fahrrad umgestiegen. Sind wir aber nicht. Schnell wird mir klar, dass mein gefühlter Wissensvorsprung im Dialog mit Klimaheizern wie Rolf nicht viel bringen wird. Denn es geht nicht um einen Schlagabtausch in einer TV-Debatte und darum, wer die besseren Argumente hat und gewitzt kontern kann.

Neugierde und echtes Interesse am anderen sind wie ein Schlüssel, um Menschen aufzuschließen und – im Idealfall – für unsere eigene Sichtweise zu öffnen.

Es geht nicht ums Gewinnen und Verlieren. Es geht um eine Begegnung auf Augenhöhe, in der ich hoffentlich das Privileg erhalte, zu erfahren, wie mein Gegenüber tickt. Neugierde und echtes Interesse am anderen, so lerne ich, sind wie ein Schlüssel, um Menschen aufzuschließen und – im Idealfall – für unsere eigene Sichtweise zu öffnen. Bei Janna dreht sich alles um Einfühlung statt um Schlagfertigkeit, um Offenheit statt um Besserwisserei, um Ermutigung statt um unbequeme Gewissensappelle. Ich erfahre viel über Werte, Gefühle und Bedürfnisse und über die richtige Art, Fragen zu stellen. Und dann spielen wir mein 500-Liter-Erlebnis gemeinsam durch und überlegen, wie ich – statt zu schweigen – konstruktiv mit Rolf über die Klimakrise sprechen könnte, wenn ich ihm das nächste Mal begegne.

Janna empfiehlt, mir bereits vorher Gedanken darüber zu machen, welche Gemeinsamkeiten Rolf und mich verbinden. Da fällt mir neben der Musik vor allem unsere Liebe zum Meer und zur Natur ein. Aber auch unsere große Verletzlichkeit angesichts von Wetterextremen wie Stürmen und Gewittern, die durch die Klimakrise immer häufiger und bedrohlicher werden. Außerdem rät mir die Klimapsychologin, vorab einige Fragen zu sammeln, die ich Rolf im Laufe des Gesprächs stellen möchte. Zu einer guten Vorbereitung gehöre außerdem, bewusst eine angenehme Gesprächssituation zu suchen oder zu schaffen, in der beide Zeit haben und sich wohlfühlen – bei einem gemeinsamen Spaziergang zum Beispiel. Eine gute Idee, wie ich finde, denn damit bewegen wir uns auf neutralem Terrain, weg von dem „Problemobjekt“ Motoryacht.

Warum es wichtig ist, in Diskussionen Gemeinsames zu betonen

Für den Gesprächseinstieg schlägt Janna vor, nicht zu sehr mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern auf Gemeinsamkeiten aufzubauen. Sie sollen der Verbindungsfaden sein, der das Gespräch zusammenhält, und dienen als Anlass, um Rolf zum Erzählen einzuladen. Ich könnte ihn, der die kroatische Küste wie seine Westentasche kennt, etwa fragen: „Was sind deine liebsten Buchten und Ankerplätze hier im Land der 1000 Inseln?“ Damit wäre eine positive Grundstimmung hergestellt. Doch auch Gefahren verbinden uns. Ich könnte ihm von dieser schrecklichen Nacht im letzten Herbst erzählen, als wir von einem Unwetter mit 70 Knoten Wind, Starkregen und Gewitter überrascht wurden. Wie dann auch noch der Motor ausfiel und wir aus dem Schlamassel irgendwie heraus segeln mussten, während vier andere Boote an den Felsen zerschellten. Welche Angst ich hatte und wie lange es gedauert hat, bis ich mich an Bord wieder sicher fühlte. Und erneut böte es sich an, ihn zum Erzählen zu ermuntern: „Was waren deine kritischsten Erlebnisse auf dem Meer?“

Und nun wird es spannend, denn es ist an der Zeit, konkreter zu werden – allerdings nicht, indem ich Rolf endlich die Leviten lese. Nein, es gilt, weiter zu fragen, dabei jedoch den Fokus zu schärfen. „Was ist dein Empfinden: Wird das Wetter tatsächlich extremer? Würdest du dich vielleicht sicherer fühlen, wenn auch du bei einem Motorschaden die Segel setzen könntest? Was sind die größten Vor- und Nachteile, wenn du mit deiner Motoryacht unterwegs bist? Hat dich schon mal jemand dafür verurteilt, dass deine Yacht so viel Diesel verbraucht? Falls ja – wie ging es dir damit? Wie ist deine Meinung zu dem, was menschengemachter Klimawandel genannt wird? Bist du schon mal gesegelt? Hättest du Lust, es auszuprobieren?“ Statt Rolf für seine Antworten und Ansichten zu verurteilen, besteht meine Hauptaufgabe darin, ihn zu verstehen. Denn hinter jeder Handlung verbirgt sich ein Grund, ein Bedürfnis, eine Ursache, die es zu erforschen gilt. Natürlich kämen wir dabei um einige Fakten nicht herum, und bei diesen würde Rolf womöglich der ein oder andere Fehler unterlaufen. So könnte es etwa vorkommen, dass er seine CO²-Emissionen deutlich unterschätzt. Unwirsche Belehrungen sind jedoch auch dann fehl am Platz. Stattdessen empfiehlt Janna, vorsichtig nachzufragen, ob ich ihn korrigieren dürfe – und gegebenenfalls auch ein klares „Nein“ zu akzeptieren.

5 Punkte, die ihr beachten solltet, wenn ihr über das Klima diskutieren wollt

  • In Austausch kommen, den anderen besser verstehen wollen. Nicht mit dem Ziel, zu belehren oder von der eigenen Haltung zu überzeugen, ins Gespräch gehen.
  • Gespräch führen, wenn beide ausreichend Zeit und Ruhe dafür haben. Kein Gespräch unter Zeitdruck und Anspannung führen.
  • Eine Geschichte erzählen und den anderen zum Erzählen einladen. Nicht mit Fakten und Studien bombardieren.
  • Offene, sogenannte W-Fragen stellen. Keine geschlossenen Ja-Nein-Fragen oder Suggestivfragen stellen, mit denen der andere in eine Richtung gedrängt werden soll.
  • Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und eigene Schwächen eingestehen. Nicht permanent Ängste und schlechtes Gewissen schüren.

Wie ein positives Bild beim Streitgespräch hilft

Sollte dieses Gespräch jemals zustande kommen, werde ich Rolf damit sicher nicht dazu überreden, seine Motoryacht gleich gegen ein Segelboot einzutauschen. Doch womöglich könnte ich ihn ermutigen, etwas Neues auszuprobieren – etwa, uns auf unserem nächsten Segeltörn zu begleiten. Und wer weiß, vielleicht ließe er sich dann inspirieren: vom Rauschen der Wellen, das durch kein Motorengeräusch übertönt wird. Vom Tanz mit dem Wind, der es uns ermöglicht, auch weite Strecken zurückzulegen, ohne nervös auf die Tankanzeige zu schauen. Und vom befreienden Gefühl, dass weniger Meer ist. In jedem Fall hat mich die Begegnung mit ihm dazu angeregt, künftig häufiger aus meiner Komfortzone zu treten und gezielt den Dialog mit Andersdenkenden zu suchen. Ich bin gespannt, wie mir das gelingt.

Interview: „Mit einer kaputten Beziehung hat noch niemand das Klima gerettet“

Als selbstständige Klimapsychologin unterstützt Janna Hoppmann Menschen, Organisationen und insbesondere Führungskräfte dabei, Klimaschutzvorhaben noch wirkungsvoller zu gestalten.

Was hält Menschen davon ab, sich klimafreundlicher zu verhalten?

Aus psychologischer Sicht gibt es hier fünf wesentliche Barrieren. Erstens unser Empfinden, dass die Auswirkungen der Klimakrise zeitlich, geografisch und sozial weit weg sind. Zweitens unsere innere Widersprüchlichkeit, etwa wenn wir fliegen, obwohl wir wissen, wie schlecht das fürs Klima ist, was oft dazu führt, dass wir unsere Verantwortung kleinreden. Drittens das lähmende Gefühl der Ohnmacht, weil uns das Ausmaß der Krise überfordert. Viertens die Angst vor sozialer Ablehnung, wenn wir uns für mehr Klimaschutz stark machen. Und fünftens wollen wir alle unseren Selbstwert schützen – für den sind Schuldgefühle und das Eingestehen von Fehlern Gift.

Warum fällt es vielen so schwer, Wertekonflikte offen anzusprechen?

Werte sind ein Teil unserer Identität. Stellt sie jemand infrage, kann dies die Beziehung belasten, weil viele von uns nie gelernt haben, trotz Differenzen wertschätzend miteinander im Gespräch zu bleiben. Wer das vermeiden möchte, sollte im Dialog darauf achten, die psychologischen Grundbedürfnisse des Gegenübers nicht zu verletzen. Diese sind Autonomie, Kompetenz und soziale Verbundenheit. Wenn wir immer wieder signalisieren, dass wir unseren Gesprächspartner als eigenständige, kompetente Person respektieren und schätzen, erhöht sich zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Argumente auf offene Ohren stoßen.

Was kann ich tun, wenn das Gespräch zu scheitern droht?

Bestenfalls ist es noch nicht zu spät für eine Entschuldigung: „Es tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin.“ Manchmal ist es auch ratsam, das Gespräch sachte zu beenden. Denn mit einer kaputten Beziehung hat noch niemand das Klima gerettet.

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