Kolumne

Kompliment!

Body Positivity ist wunderbar für die mentale Gesundheit, findet Jutta Koch. Aber sie kennt etwas, das ist noch wirksamer.

In unserer Redaktion vergeht keine Woche, in der nicht eine Meldung zum Thema „Body Positivity“ im Posteingang aufploppt. Guter Trend, finde ich. Statt mit falschem Wimpernkranz oder Dauer-Diät einen Kampf gegen sein Äußeres zu führen, sollte man sich selbst öfter gut sein lassen. Bei der Gelegenheit könnte man auch das innere Sich-­Selbst-Hinterfragen aufgeben.

Aber ich erzähle Ihnen jetzt mal, was noch viel wirksamer ist als das Mantra „Du bist gut, so wie Du bist“. Denn das nuschelt meine innere Stimme dem Spiegelbild in trüben Morgenstunden im Bad auch nur halbherzig zu. Was mich von oben bis unten und von der linken bis zur rechten Gehirnhälfte so richtig durchgerüttelt hat, waren zwei außerordentlich schöne Komplimente, die ich neulich bekommen habe. Und das an zwei aufeinanderfolgenden Tagen!

Statt mit falschem Wimpernkranz oder Dauer-Diät einen Kampf gegen sein Äußeres zu führen, sollte man sich selbst öfter gut sein lassen.

Jutta Koch

„Pfffht“, werden Sie jetzt sagen: „Wann passiert das denn schon mal im wirklichen Leben?“ Bevor Sie mich jetzt für eine verwöhnte Influencerin halten, die vom vielen bewundernden Zuspruch schon leicht gelangweilt ist, lassen Sie mich Ihnen versichern: Mir passiert es selten, dass Mitmenschen mich mit einem Kompliment schier umhauen. Deshalb lesen Sie jetzt darüber. Neulich sprach mich eine Kollegin auf eine Konfliktsituation an, in die ich Wochen zuvor geraten war und die mir noch immer auf dem Herzen lag. „Du hast da super souverän reagiert. Ich werde mir ein Beispiel an Dir nehmen“, sagte sie, die die Szene zufällig miterlebt hatte. Stellen Sie sich das mal vor: Ich raufe mir tagelang die Haare über eine etwaige unzulängliche Reaktion, die einer Außenstehenden als vorbildlich im Gedächtnis bleibt!

Das zweite Kompliment bekam ich tags drauf an der Altpapiertonne – per se ein ungewöhnlicher Ort für sowas, aber bitte, nehmen wir’s, wie es kommt! Eine Nachbarin kam vorbei und sagte: „Du siehst in letzter Zeit so richtig gut aus. Das wollte ich Dir längst schon mal sagen. Nützt ja nix, wenn man’s sich immer nur denkt und es nie sagt.“

Ich schwöre Ihnen: Da kommt kein Body-Positivity-Coaching der Welt mit! Und wenn wir uns jetzt alle vornehmen, den anderen einfach mal zu sagen, was wir an ihnen großartig finden, dann könnte es sein, dass die Frühlingsgefühle in diesem Jahr alle Rekorde brechen.

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