Vielleicht ist das gerade nicht der richtige Monat dafür, aber während ich meine Kontoauszüge nach Pluszeichen absuche, die noch seltener sind als Empathieanwandlungen bei Carsten Linnemann, denke ich darüber nach, ob ich als Autor nicht doch den falschen Weg eingeschlagen habe.
Neulich ist mir eine von hochbezahlten Textenden verfasste Werbebroschüre des Industrieverbands Kunststoffverpackungen in die Hände geraten. Schlagartig wurde mir klar, dass mein trauriger Kontostand weniger mit den Worten zu tun hat, die ich gern verwende, sondern eher mit fehlender Schamlosigkeit bei ihrem Gebrauch. Worte wie „Nachhaltigkeit“ oder „Klimaschutz“ zum Beispiel: Wenn Sie ein Problem damit haben, dass Sie im Supermarkt Erdbeeren, Trauben, teils sogar Bananen nur in Plastik verpackt kaufen können, verstehen Sie womöglich nicht, wie wichtig „Produktschutz“ ist, wie das die Verpackungskünstler nennen. Ohne „nachhaltige“ Kunststoffhüllen würden die Früchte zerdrückt, der Energieaufwand bei Anbau und Transport wäre verschwendet, daher gelte: „Produktschutz ist Klimaschutz.“
Die ach so gestresste Plastikindustrie trägt mehr zur Klimakrise bei als der Luftverkehr.
Im Vorfeld der Abschlussverhandlungen für ein weltweites Abkommen zur Reduktion von Plastik, die diesen Monat in Genf stattfinden, geht der europäische Lobbyverband Plastics Europe noch einen Schritt weiter: „Plastikschutz ist Klimaschutz“, heißt es in seiner Lobpreisung. Und auch die wichtigsten politischen Forderungen der deutschen Chemieindustrie lesen sich wie mit „wokem“ Zauberpuder überzogen. Chemikalien müssten endlich „diskriminierungsfrei“ betrachtet werden, ganz so als handle es sich um besonders marginalisierte Bevölkerungsgruppen. „Totalverbote bestimmter Stoffgruppen“ fühlen sich irgendwie übergriffig an, und ein „Belastungsmoratorium“ sei längst überfällig für die ach so gestresste Plastikindustrie, die übrigens mehr zur Klimakrise beiträgt als der gesamte Luftverkehr. Bis 2060 will sie ihre Plastikproduktion sogar noch verdreifachen.
Was sie da so vor sich hin fabuliert, ist recht hübsch formuliert, aber ich habe das Gefühl, da geht noch etwas mehr. „Lasst uns eins werden“, wäre doch ein schönes Motto für das gesundheitsgefährdende Eindringen von Mikroplastik in unsere Organe. Mit einem charmanten „Mal in die Tüte gesprochen“ ließen sich Plastikbeutel als Beitrag zur zwischenmenschlichen Kommunikation umdeuten. Und auch dass jährlich Hunderttausende Meerestiere am Plastikmüll ersticken, ist letztlich nur eine Frage der Interpretation. „Mut zum selbstbestimmten Tod“ könnte das schließlich auch heißen, klingt doch gleich netter. Die Geschichte vom mutigen kleinen Wal, der lieber aktiv Plastikflaschen verschluckt, statt als passives Opfer in einem Fischernetz zu enden, muss letztlich nur einfühlsam genug aufgeschrieben werden, um uns Unbelehrbare endlich vom ewigen Wert des Plastiks zu überzeugen.
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