Kolumne

Die Erde mag nicht mehr

Wie unsere Erde mal aussehen wird? Der Blick auf den Mars könnte als Vorgeschmack auf eine Zukunft ohne uns funktionieren, findet Fred Grimm.

Seit einiger Zeit veröffentlicht die amerikanische Weltraumbehörde NASA in schöner Regelmäßigkeit Videos vom Mars. Die gestochen scharfen Aufnahmen des mal 56, mal 400 Millionen Kilometer entfernten Planeten wirken zugleich fremd und vertraut: wilde Gesteinsformationen, wüstenartige Landschaften, zerklüftete Hügel – alles in ein warmes Rotbraun getaucht, das mich an die Fußballplätze meiner Jugend erinnert. Inzwischen gibt es das Ganze sogar mit Ton. Da oben weht ganz offenkundig ein kräftiger Wind.

Die Videos haben eine meditative Qualität, was auch an den langsamen Schwenks der Kameras liegen mag. Nach einigen Minuten dumpfen Starrens erwische ich mich dabei, wie ich in kantig geformten Steinen Spuren außerirdischer Technologien zu erkennen glaube. Oder diese kleine Pyramide da hinten: Ist das womöglich der Eingang zu einer unbekannten Zivilisation? Doch bald weicht die Faszination einem gewissen Schauder. Denn die aufregenden Bilder wirken auch wie ein melancholischer Abgesang auf ein einst blühendes Naturschauspiel, wie der Abschied vom Leben selbst. Es sieht aus, als wäre da früher mal viel mehr gewesen, was den Forschungsergebnissen der Mars-Wissenschaft zufolge wohl auch stimmt.

Wie unsere Erde mal aussehen wird? Der Blick auf den Mars könnte auch als Vorgeschmack auf eine Zukunft ohne uns funktionieren. Schließlich tun wir als Weltgemeinschaft gerade alles dafür, die Grenzen unseres Planeten auszuloten. Bei einer Umfrage gaben jetzt mehrere hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an den großen Weltklimaberichten mitarbeiten, an, sie rechneten in nicht allzu ferner Zukunft mit einer Erderhitzung von 2,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit. Eine Katastrophe. 

In Wahrheit zerstören wir – wenn keine Wende kommt – uns selbst.

Fred Grimm

Bereits jetzt strapazieren die Folgen der jährlich ansteigenden CO2-Emissionen die Heilungskräfte der Natur. Die Ozeane, die einen Großteil davon absorbieren, kollabieren unter Temperaturen, welche vor zwei, drei Jahren noch unmöglich erschienen. Vor einem Jahr waren sämtliche Meere der Welt im Durchschnitt tagelang wärmer als 21 Grad. Auf zwei Drittel der Landfläche haben sich infolge dessen die Starkregenereignisse dramatisch erhöht, auf über der Hälfte gab es mindestens einen Monat lange Dürrezeiten. Mit üblen Folgen auch für die Landwirtschaft. Und die Gesamtheit der Wälder und Böden, die sonst viel CO2 „schlucken“, hat 2024 zeitweise mehr Treibhausgase abgegeben, als sie aufnehmen konnte. Es wirkt beinahe, als zeige unser Planet mit allem, was er hat, dass langsam mal Schluss sein muss mit dem Raubbau an seinen Kräften. 

Doch so wie auf dem Mars wird es hier wahrscheinlich auch in einer Million Jahren nicht aussehen. Denn dass wir die Erde zerstören, stimmt ja nur bedingt. In Wahrheit zerstören wir – wenn keine Wende kommt – uns selbst.

Fred Grimm

Ein freundliches Männergesicht mit Glatze

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über die Wege und Umwege hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leserinnen und Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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