Gesundheit

Kneippen: Mehr als Wassertreten

Von Erkältungen bis zu Durchblutungsstörungen: Kneipp-Anwendungen helfen dem Körper sich selbst zu helfen. Ausprobieren lohnt sich.

Im Storchengang durch knietiefes, kaltes Wasser staksen – das ist für viele der Inbegriff des Kneippens. Wahrscheinlich hängt das mit den vielen öffentlichen Kneipp-Anlagen in Deutschland zusammen. Von Schleswig-Holstein bis Bayern verzeichnet Wikipedia 750 Wassertretanlagen und Arm-Tauchbecken. Kneippen ist aber viel mehr als nur ein Wachmacher für müde Glieder. Die Wasseranwendungen sind ein Teil der ganzheitlichen Naturheilkunde von Sebastian Kneipp, der dieses Jahr 200 Jahre alt geworden wäre.

Wofür ist Kneippen gut?

Als Theologiestudent hatte er sich durch Bäder in der kalten Donau selbst von einem Lungenleiden kuriert. Mehr als 100 Wasseranwendungen von Bädern über Güsse bis zu Wickeln und Waschungen hat Pfarrer Kneipp später in seinen Werken akribisch beschrieben. Die Wirkung beruht auf Temperaturgegensätzen: Kalte oder warme Wassergüsse und kalt-warme Wechselduschen setzen Reize auf der Haut. Diese Anwendungen fördern die Durchblutung und trainieren die Blutgefäße. Sie stärken Kreislauf und Immunsystem und sollen harmonisierend auf das Nervensystem wirken.

Anfangs wurde Kneipp von Ärzten und Apothekern als Spinner verlacht und als Kurpfuscher angefeindet. Eine posthume Ehrung erfuhr sein Werk 2015 mit der Unesco-Auszeichnung als Immaterielles Kulturerbe.

Welche Kneipp-Anwendungen gibt es?

Neben den Wasserkuren gehört gesunde Ernährung zu seinem Konzept. Kneipp empfahl seinen Patienten viel Obst, Gemüse und Vollkorngetreide zu essen und reichlich Wasser oder Tee zu trinken. Verboten hat er kein Nahrungsmittel, wichtiger war ihm das Maßhalten. Nicht zu viel und nicht zu wenig, das war sein Leitspruch, auch bei der Bewegungstherapie. Bevorzugt verordnete er Spaziergänge in der Natur.

Große Stücke hielt Kneipp auf Barfußgehen, es sollte wie die kalten Wassergüsse der Abhärtung dienen. Mit seinem Kräuterwissen gab Kneipp den Menschen schließlich eine Hausapotheke an die Hand, mit der sie manches Zipperlein selbst kurieren konnten.

Ganzheitlich wird sein Gesundheitskonzept mit der sogenannten Ordnungstherapie. Sie vernetzt die Säulen Wasseranwendungen, gesundes Essen, Bewegung und Heilpflanzentherapie. Den Begriff Ordnungstherapie prägte der Schweizer Arzt Bircher-Benner, ein Zeitgenosse Kneipps, der unter anderem das Birchermüsli entwickelte. Es geht um Rhythmus und Struktur im Tagesablauf und, salopp gesagt, darum, mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Dass Kummer und Sorgen den Menschen krank machen können, wusste Kneipp durch seine Arbeit als Seelsorger. Für ihn war es der Glaube, der inneren Frieden und Zufriedenheit bringt. Weil eine gesunde Lebensführung nicht vom Himmel fällt, appellierte Kneipp an die Eigenverantwortung und Selbstfürsorge seiner Patienten.

Heute ist seine an den Zeitgeist angepasste Naturheilkunde ein Teil der Schulmedizin. Zum Beispiel in der Body-Mind-Medizin, die unter anderem im Berliner Immanuel Krankenhaus praktiziert wird. Die Behandlung sensibilisiert chronisch Kranke für mehr Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Das soll eigene Kraftquellen mobilisieren und die Lebensqualität verbessern. Zur Therapie gehören Kneipp’sche Wassergüsse, Vollwertkost, Spaziergänge, Yoga, Qigong, Autogenes Training oder Achtsamkeitsmeditation. Den Bogen dazwischen spannt – ganz im Sinne Kneipps – die Ordnungstherapie, die dabei hilft, möglichst dauerhaft einen gesundheitsfördernden Lebensstil zu entwickeln.

Ein typischer Kneipp-Tag

Bezuschusst von der Krankenkasse oder aus eigener Tasche finanziert, lässt sich die Kneipp-Kur in staatlich anerkannten Kneippheilbädern erleben. Eine solche Kur hilft vorbeugend, bei akuten Beschwerden und in der Rehabilitation. Bei Krampfadern etwa entlasten die Wasseranwendungen die Venen. Auch bei Herz-Kreislaufbeschwerden wie hohem Blutdruck und Stress sollen sie helfen.

Ein typischer Kurtag beginnt meist zeitig am Morgen mit einem Wickel, einer Waschung oder einer Heublumen-Auflage. Danach darf noch geschlummert werden. Nach dem gesunden Frühstück geht‘s zum Wandern, Radfahren oder zur Massage. Im Anschluss ans Mittagessen steht oft eine Wasseranwendung auf dem Plan, gefolgt von Sauna oder Therme. Am Abend gibt es noch eine Meditation und ein leichtes Essen.

Kneipp-Kur für Zuhause

Zuhause lassen sich die Wasserkuren problemlos in den Alltag integrieren, im Badezimmer, mit wenig Aufwand und wenig Geld. Das hätte Kneipp, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte und mittellose Patienten unentgeltlich behandelte, gewiss gefallen. Und so geht's:

Belebendes Armbad

Becken mit kaltem Wasser füllen. Arme bis Oberarm-Mitte eintauchen, bis die Kälte spürbar ist (30–40 Sek.). Nur bei warmen Gliedern und nicht bei Herzkrankheiten anwenden.

Beruhigender Knieguss

Duschkopf abschrauben. 10 bis 14 Grad Celcius kalten Wasserstrahl von der Rückseite des rechten Beines, ausgehend vom kleinen Zeh, über die Wade bis zur Kniekehle führen. Dort ein paar Sekunden kreisen und den Wasserstrahl über die Innenseite des Unterschenkels zur Ferse führen. Gleichen Ablauf am linken Bein wiederholen. Dann bei den Bein-Vorderseiten genauso verfahren, den Wasserstrahl dabei abführend über die Außenseite des Unterschenkels führen. Zum Schluss die rechte und linke Fußsohle abgießen. Das Wasser nur abstreifen und ab ins Bett. Nur bei warmen Gliedern und nicht bei akuten Nieren- und Blasenproblemen anwenden.

Mehr zum Thema Kneipp:

  • kneippbund.de Dachverband mit 1200 Kneipp-Vereinen, zertifizierten Einrichtungen und Fachverbänden
  • kneippverband.de Verband Deutscher Kneippheilbäder und -kurorte
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