Margret, Nina, Francois und ich spielen Kyoto, ein Brettspiel, bei dem jeder von uns einen Staat vertritt und wir alle zusammen Maßnahmen gegen die Klimakrise verhandeln müssen. Ziel ist, das Klima zu retten und dabei auf möglichst wenig Wohlstand zu verzichten.
Im Spiel weist zum Beispiel eine aktuelle Studie auf die alarmierende Abnahme der Artenvielfalt hin. Fünf Millionen Dollar und der Verzicht auf bestimmte Industrien könnten Abhilfe schaffen. Jetzt verhandelt die Staatengemeinschaft. Nina, die Australien vertritt, will die Tiere retten und bietet an: „Wir zahlen zwei Millionen in den Umweltfonds und sind bereit, auf die Waffenindustrie zu verzichten.“ Margret sagt für Kanada eine Million zu, Francois, der EU-Vertreter, zwei. Und ich stelle für die USA den Import von Soja ein. Geschafft! Die Ökokatastrophe ist erstmal abgewehrt.
Warum Klimapolitik so schwierig ist
Im Geheimen agiert jedoch jeder nicht nur im Sinne des eigenen Staats, sondern zusätzlich im Interesse von Lobby-Verbänden. Zum Beispiel erhält Francois von der Pharmaindustrie Punkte für Umweltschäden, die er in Kauf nimmt. Daher lässt er Maßnahmen scheitern. „Die Hersteller der Spiele sagen, das sei Satire, aber ich glaube, das ist wirklich so“, meint Margret.
Auf alle Fälle zeigt das Spiel, warum echte Verhandlungen laufen, wie sie laufen und was helfen könnte, die Klimakrise aufzuhalten. Margret staunt: „Man merkt erstmal, wo überall Emissionen entstehen.“ Klar, die Umweltsünder LKWs, SUVs, Autobahnen und Flugreisen kennt jeder. Aber man kann auch auf Golfplätze, Feuerwerk oder Smartphones verzichten und damit viel für die Umwelt und das Klima tun. „Ich hänge immer noch an den Thermalbädern, die du abgegeben hast“, jammert Nina, die lieber erst mal auf etwas anderes verzichtet hätte, um das Klima zu retten. Und Francois fragt perplex: „Wie, Eisdielen abschaffen, das hilft?“ Eins ist mal sicher: Kyoto liefert ordentlich Stoff für Diskussionen.
Ob Klimaspiele Erkenntnisse bringen können
Auf dem Markt gibt es immer mehr Spiele mit Nachhaltigkeitsthemen. Mal geht es um die Energiewende, mal um die Klimakrise, um Renaturierung, Naturschutzgebiete, Lebensräume von Tieren, umweltfreundliche Städte oder faire Bedingungen am Arbeitsplatz.
Es stellt sich die Frage, ob und was solche Spiele neben Spielspaß noch vermitteln können. Jens Junge, der Direktor des Instituts für Ludologie an der SRH Hochschule für Kommunikation und Design in Berlin, erklärt: „Brettspiele sagen gesellschaftliche Trends voraus.“ Werden Themen gut platziert, komme die Erkenntnis nebenbei. „Zum Beispiel, wenn im Spiel eine Plantage nur dann funktioniert, wenn genügend Bienen vorhanden sind.“
Helfen Klimaspiele beim Verdrängen?
Etwas skeptischer äußert sich da Claudia Paganini. Die Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München gibt zu Bedenken, dass die Spiele dazu verleiten könnten anzunehmen, die Klimakrise sei ein leicht zu lösendes Problem, das man nebenbei und spielerisch in den Griff bekommen könnte.
Beim Kyoto-Spielerunde jedenfalls ist die Erde heiß gelaufen. Erkenntnisse gab es durchaus, doch unser Ziel, das Klima zu retten und Tiere vorm Aussterben zu bewahren, haben wir nicht erreicht. Jeder hat versucht, sich selbst im Hintergrund zu halten und die anderen dazu zu bringen, mehr für die Umwelt zu tun. Eine nicht ungefährliche Haltung, wie sich zeigt.
Wie Klimaspiele Bewusstsein schaffen
Verleiten Spiele dazu, dass wir bagatellisieren? Die Psychologin Stefanie Schlösser von Psychologists for Future sieht eher positive Effekte. Der Mensch neige dazu, Negatives zu verdrängen und eine Distanz aufzubauen. „Spielen helfe, diese Distanz wieder abzubauen.“ Außerdem vereinfachen Spiele komplexe Zusammenhänge, so dass wir leichter verstehen.
So bleibt zu hoffen, dass die nächsten Verhandlungen der Staatengemeinschaft besser laufen und wir so gut wie möglich Klima, Umwelt, Artenvielfalt und so weiter erhalten können – im Spiel wie im echten Leben.
Eine Auswahl: Spiele rund um Umwelt, Klima und Energie
- Bären, Hirsche, Luchse, Bussarde und Füchse stellen Anforderungen an ihren Lebensraum. Wer die am besten erfüllt, gewinnt. Legespiel mit Knobelfaktor. Cascadia, Kosmos, 1 – 4 Spieler, ab 10 Jahren. Erhielt den Kritikerpreis Spiel des Jahres 2022.
- Naturschutzgebiete pachten und aufforsten. Fossile Kraftwerke zu Gunsten erneuerbarer Energien abschalten. Eine Art Monopoly. DKT, Piatnik, 2 – 6 Spieler, ab 8 Jahren.
- Gemeinsam gegen die Umweltverschmutzung in Wald, Wasser und Stadt. Alle gewinnen oder keiner. Ecosystem, Clementoni, 2 – 4 Spieler, ab 10 Jahren.
- Harte Verhandlungen um Klimaschutz. Die Interessen von Lobbyisten gegen die der Bevölkerung. Viel Interaktion, bluffen und taktieren. Kyoto, Pegasus, 3 – 6 Spieler, ab 10 Jahren.
- 110 Fragen zu Klimawandel und Umweltschutz. Teils auf niedrigem Niveau, liefern Anregungen für umweltbewussteres Verhalten. Mein grüner Fußabdruck, Noris, 3 – 6 Spieler, ab 8 Jahren.
- Jeder baut seine nachhaltige Stadt. Saubere Mobilität und erneuerbare Energien sind selbstverständlich, Parks und Sportplätze steigern die Lebensqualität. Taktisches, eher abstraktes Puzzle. Neoville, HCM Kinzel, 2 – 4 Spieler, ab 10 Jahren.
- Ein Tal wird renaturiert. Jeder siedelt Tiere an und pflanzt Gräser, Büsche und Bäume. Legespiel mit hohem Domino-Anteil. Renature, Pegasus, 2 – 4 Spieler, ab 8 Jahren.
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