Vielleicht erinnern Sie sich: Neulich habe ich an dieser Stelle von meinem „kleinen“ Gepäck für eine Übernachtung berichtet. Jenes kleine Gepäck, das ich wegen der Fülle der nötigsten Kosmetika doch in den nächst größeren Rucksack umpacken musste. Solche und andere Momente des Scheiterns an den kleinen Dingen teile ich nun schon lange und in aller Offenheit mit Ihnen. Vielleicht denken Sie beim Lesen hin und wieder: Typisch Jutta Koch. Aber jetzt passen Sie mal auf: Ich kann auch anders!
Weit außerhalb der Komfortzone
Von meinem Mann, meinen Kindern und guten Freunden habe ich mich unlängst zu einer Hüttentour in den Alpen breitschlagen lassen. Nicht, dass ich nicht gerne weit wandern würde, aber die Übernachtung im voll besetzten Matratzenlager und der Verzicht aufs Duschen liegen noch weiter außerhalb meiner Komfortzone als der Mount Everest hoch ist.
Meine letzte Hüttenerfahrung liegt schon ein paar Jährchen zurück. Damals habe ich mit meinem Mann in mehreren Etappen die Alpen überquert. Zur Vorbereitung hatte ich den örtlichen Outdoor- Laden zur Beratung aufgesucht. Eigentlich ging es mir darum, leichte Packsäcke zu kaufen und ein paar neue Bergstiefel. Stattdessen betonte der engagierte Verkäufer nachdrücklich die Notwendigkeit eines Klappspatens („Braucht man immer“, „Rettet Leben“, „Schon mal in einer Lawine festgesteckt?“). Am Ende kaufte ich Packsäcke, Bergstiefel, keinen Klappspaten und bat meinen Mann darum, meinen kleinen Reiseföhn für mich zu schleppen. Denn wenn sich doch mal irgendwo warmes Wasser finden würde, wollte ich bereit sein.
Minimialistin für drei Tage
Ganz anders war es bei der jüngsten Tour, bei der ich nicht nur auf den Föhn im Gepäck verzichtet habe. Ich hatte so gut wie nichts dabei. Der Rucksack war klein, und das war gut so, denn ich wusste: Alles, was ich da reinpacke, muss ich selbst den Berg raufschleppen. Also keine Haarbürste, kein Duschgel oder Shampoo, keine Cremes (außer Sonnencreme) – lediglich Zahnbürste, -pasta und Deo trug ich mit Würde und aus Überzeugung durchs Gebirge. Für drei lange Tage war ich quasi eine Minimalistin. Ich wusch mich morgens und abends mit eiskaltem Quellwasser und hatte nichts Geringeres als ein Erweckungserlebnis. Nach Jahren des Wickeltaschepackens, An-alles-Denkens, Bloß-nichts-Vergessens und einem zunehmend drögen Dasein in meiner ollen Komfortzone fühlte ich mich so frisch und frei wie lange nicht mehr. Im nächsten Jahr gehe ich wieder in die Berge. Wie immer ohne Klappspaten, aber ganz sicher auch ohne Kulturbeutel.
Zur Person
Jutta Koch ist Redakteurin beim bio verlag. In ihrer Kolumne erzählt sie aus dem ganz normalen Alltag zwischen Wonne und Wahnsinn.
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