Kolumne

Vom Gutes Tun

Gutes zu tun, kann so befreiend sein, findet unser Kolumnist Fred Grimm. Manchmal braucht es dazu nur einen kleinen Anstoß. So wie das Zwerghuhn Nubz.

Nubz, ein mittlerweile drei Jahre altes Zwerghuhn, hatte keinen leichten Start ins Leben. Kaum auf der Welt befielen Parasiten seine Zehen und zerfraßen sie. Meesh Davignon, eine junge Frau aus der Stadt Escondido in Kalifornien, hörte von dem Huhn, das kaum laufen konnte und ein Zuhause suchte, und nahm sich seiner ein. Es dauerte einige Zeit, bis Nubz sich an die Meerschweinchen, die Katzen, Hunde und die anderen Hühner gewöhnt hatte, die noch zur Familie gehörten. Dank intensiver Pflege und vor allem dank winziger Spezialschlappen lernte Nubz neu laufen, auch auf schwierigem Gelände – ein reizender Anblick, den Meesh nur zu gern auf Tiktok teilte. Was danach passierte, hätte sie nie erwartet. Binnen weniger Wochen wurde die Tierfreundin mit Paketen förmlich zugeschüttet. Fans von Nubz schickten Dutzende Mini-Schuhe und Stiefelchen, einige extra für das kleine Zwerghuhn angefertigt. Nun kann Nubz täglich Schuhe wechseln und das Leben im Garten genießen, am liebsten übrigens – laut Meesh – in einem Paar Mini-Boots in Dunkelblau.

Geschichten wie diese rühren mein Herz. Als würden viele Menschen nur darauf warten, Gutes zu tun, besser: Gutes tun zu dürfen. Dafür finden sich zahllose Beispiele, auch und gerade in der so nachrichtentrüben jüngeren Vergangenheit. Da ist der Junge, der zu seinem zehnten Geburtstag zehn gute Werke tun will und unter anderem in seiner Nachbarschaft Spenden sammelt, um Sandwiches für Obdachlose zu schmieren. Sein „tollster Geburtstag überhaupt“, schwärmte er später.

80 Prozent der Menschen sind freundlich und großzügig

Fred Grimm

Da sind die Teenager, die jeden Mittwoch eine ältere Dame zum Frühstück besuchen, so wie das deren 15-jähriger Enkel immer mittwochs getan hatte, bevor er tödlich verunglückte. In Venezuela organisiert eine 28-Jährige regelmäßig große Sammelaktionen – für Haare. Diese werden in feine Netze gestopft und in einen ölverseuchten Fluss getunkt, um die giftige Pampe herauszufiltern. Das mag sich seltsam anhören, tatsächlich aber absorbieren Haare das Öl fantastisch – zwei Pfund Haare können bis zu 17 Pfund Öl aufnehmen. In den ersten drei Monaten der Aktion kamen sieben Tonnen Haare zusammen – sogar Hunde wurden für den guten Zweck geschoren.

Im Zeit Magazin antwortete der Sänger Mick Hucknell von Simply Red neulich auf die Frage, was er gern schon früher im Leben gewusst hätte, dass er heute dann doch rund achtzig Prozent der Menschen für freundlich und großzügig hält. Es mag naiv klingen angesichts der vielen Kriege und großen Krisen, aber ich halte diese Zahl für ziemlich korrekt. Oft wissen viele Menschen gar nicht, dass sie eigentlich lieber freundlich und großzügig wären, häufig braucht es einen Nubz, einen kleinen Jungen, einen Trauerfall oder eine Frau, die Haare sammelt, um die Menschen daran zu erinnern. Aber jede und jeder, die sich diesem zutiefst humanen Impuls überlässt, wird feststellen, wie befreiend es sein kann, Gutes zu tun.

Fred Grimm

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über die Wege und Umwege hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leserinnen und Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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Kommentare

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Lydia Sell

Lieber Fred, danke dir für deine Gedanken und die anrührenden Beispiele zum Thema Gutes Tun! Gerade habe ich zum zweiten Mal das Buch "Im Grunde gut" von Rutger Bregmann gelesen, das dein Thema facettenreich und tiefsinnig beleuchtet und bestätigt: der Mensch ist im Grunde gut. Wir sollten uns durch wen oder was auch immer nichts anderes einreden lassen! Danke für deinen Impuls :)

Bine Maja

Lieber Fred Grimm,
herzlichen Dank für Ihre Kolumne, die wieder einmal ganz treffend ist. Ja auch ich bin der Meinung, dass es mehr gute als schlechte Menschen gibt und freue mich immer über solche Nachrichten, wie in Ihrer Kolumne beschrieben. Diese Geschichten zeigen mir dann immer wieder, dass die Menschheit noch nicht verloren ist. Bitte schreiben Sie weiterhin Ihre wunderbaren Kolumnen. Dankeschön und sonnige Grüße aus dem Nordschwarzwald 

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