Leben

Gut gewickelt, sanft geheilt

Fast jeder hat Erfahrung mit Wickeln und Auflagen, die zum Teil weit in die Kindheit zurückreichen. Gerade in der winterlichen Erkältungszeit zeigen sie einen natürlichen Ausweg aus Schnupfen, Husten, Halsschmerzen

Unsere Großmütter hatten noch für zahlreiche Leiden und Wehwehchen eine spezielle Anwendung parat – hier das Zwiebelpäckchen, dort die Senfkompresse. Heute kennen wir gerade noch die Namen, haben aber nur selten eine Ahnung, wie sie funktionieren. Kein Wunder. Lange Zeit waren vom Arzt verschriebene Fieberzäpfchen, Einreibungen und Salben das Mittel der Wahl, und erst langsam lernen wir wieder mehr, uns selbst zu versorgen.

Innehalten, Ruhe und Zuwendung

Es gibt kaum eine klinische Studie, die die Wirksamkeit von Wickeln belegen könnte. Weil es überhaupt kaum wissenschaftliche Untersuchungen darüber gibt. Denn zum modernen Krankenhausbetrieb passt diese Behandlungsform nur noch in eng begrenztem Rahmen. Kohl, Quark, Senf, Lehm oder Honig in den Krankenbetten würden Hygieneexperten die Haare aufstellen. Und in den straff durchgezogenen Zeitplan, der das Pflegepersonal von einem zum nächsten Patienten treibt, mögen sich Wickel einfach nicht einbinden lassen. Wickel stehen für Innehalten, Ruhe und Zuwendung. Sie pflegen Seele und Körper.

Wickel legen sich rund um Waden, Gelenke, Hals und Leib. Auflagen oder Kompressen zielen auf einen bestimmten Bereich: etwa auf den Wespenstich oder auf die Brandwunde. Allesamt setzen sie Hitze, Kälte oder pflanzliche Wirkstoffe ein, gerne auch in Kombination.

Mag sein, dass Wickel im normalen Klinikablauf Schwierigkeiten bereiten, im Hausgebrauch sind sie pflegeleicht. Alles, was der Mensch für einen helfenden Umschlag benötigt, findet er in seinem Haushalt: Tücher, Wasser, Lebensmittel – die meisten davon sind immer parat. Mit Wasser getränkte Tücher leiten Hitze oder Wärme weiter. Wer mag, kann sich auch ein passendes Dinkel- oder Kirschkernkissen für diesen Zweck bereitlegen oder mit heißen Kartoffeln, Leinsamen oder Bockshornklee arbeiten. Die Fortentwicklung dieses Hausmittels, der Hot-Cold-Pack, hat auch schon etlichen Naturheilkundeskeptikern weitergeholfen. Zwiebeln, Senf, Kräuteressenzen oder Tees und ätherische Öle transportieren, auf oder zwischen Tücher gepackt, ihre Wirkstoffe über die Haut in den Körper des Patienten. Quark und Heilerde entziehen dem Körper Hitze und schädliche Stoffe.

Wie wirken Wickel?

Wie Wickel wirken, dafür gibt es keine wissenschaftlichen Beweise, dafür aber jahrelange Erfahrungswerte, genaue Beobachtungen und wohldurchdachte Erklärungen.

Kälte zieht die Blutgefäße zusammen. Das verhindert oder reduziert Schwellungen und nimmt damit Schmerzen. Hitze und starke Kälte steigern die Durchblutung. Das kurbelt den Heilungsprozess an: Abwehrzellen gelangen schneller an den Ort, an dem eine Entzündung herrscht, und Abfallstoffe werden schneller von dort wegtransportiert. Wärme und gesteigerte Durchblutung bewirken, dass sich Muskeln entspannen und sie helfen, schädliche Stoffe auszuleiten, indem sie den Schweißfluss anregen. Pflanzliche Stoffe und spezielle Substanzen in Lebensmitteln wie Kartoffeln, Zitronen, Kohl, Thymian- oder Kamillentee wirken je nach ihren spezifischen Eigenschaften. Winterzeit ist Erkältungszeit. Die Hausapotheke stellt eine Vielzahl an unterstützenden Mitteln bereit. Honigauflagen oder Ölläppchen mit Lavendelöl sollen helfen, den Hustenreiz zu mildern. Zwiebelpäckchen gelten als ausgezeichnete Soforthilfe bei Ohrenschmerzen. Ihre Senföle hemmen starke Entzündungen. Bei Halsentzündung empfehlen Wickelexperten einen Umschlag mit Quark als Medium, das Stoffwechselgifte entziehen soll. Als fiebersenkendes Mittel – meist nur nötig, wenn die Temperatur über 39 Grad steigt – ist der Wadenwickel bekannt. Wadenauflagen mit Senf sollen bei Schnupfen oder Stirnhöhlenentzündung Entlastung bringen; eine Meerrettichkompresse im Nacken kann Kopfschmerzen mildern.

Doch Wickel und Auflagen sind, entgegen der landläufigen Meinung, keinesfalls frei von Risiken und Nebenwirkungen. Senf und Meerrettich zum Beispiel sind Mittel, die nicht zu jedem passen. Manche Menschen reagieren auf den starken Reiz der Senföle mit brennender, knallroter Haut. Kühlende Wadenwickel dürfen nicht bei Schüttelfrost angelegt werden, Quarkumschlag eignet sich nicht für Menschen, die allergisch auf Milchsäure reagieren. Wer sich mit Wickeln selbst weiterhelfen will, sollte erstens ein gutes Fachbuch zur Hand haben oder bei einer Expertin einen Wickelkurs belegen. Zweitens hilft genaues Beobachten: Kälteanwendungen nur, wenn der Körper und die zu behandelnde Stelle sich warm oder heiß anfühlt. Andersrum gilt genauso: Wärme hilft nur, wenn nicht schon Hitze da ist. Sobald ein Wickel unangenehm wird, muss er entfernt werden. Drittens: Bei unklaren Situationen gibt es nur eines: den Arzt zu Rate ziehen.

Quark gegen Halsentzündungen

Quark aufs Tuch
Bio-Magerquark rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen, damit er sich auf Zimmertemperatur erwärmt. Auf einem Geschirrtuch einen 7 cm breiten, 30 bis 40 cm langen Streifen Quark fingerdick aufstreichen. Achtung: Rand lassen.

Päckchen fertig
Die Tuchränder einschlagen und mit Leukoplaststreifen fixieren, damit der Quark nicht aus den Rändern quillt. Ein zweites Geschirrtuch zu einem höchstens halshohen Streifen falten.

So gehts
Das Quarkpäckchen mit der einlagigen Stoffseite zur Haut um den Hals legen und vom Patienten festhalten lassen. Mit dem zweiten Geschirrtuch das Quarkpäckchen mit vorher bereitgelegten Sicherheitsnadeln fixieren.

Ganz wichtig: Ruhen
Wickel 20 Minuten angelegt lassen. Der Patient ruht währenddessen und wird so gut zugedeckt, dass auch die Füße warm sind. Nach Abnehmen des Wickels eine halbe Stunde nachruhen und viel trinken.

Interview

„Die Behandlung mit Wickeln beruht auf Wissen aus Erfahrung."

Barbara Schwarz ist Krankenschwester und geprüfte Fachfrau für Wickelanwendungen. Sie führt eine Praxis für naturheilkundliche Pflege und Aroma-Massage.

Was hat Sie dazu geführt, sich mit Wickeln und Auflagen zu beschäftigen?

Bei einer Fortbildung zur Beraterin für ganzheitliche Gesundheitspflege und Naturheilkunde faszinierten mich Wickel und Auflagen, weil sie mir etwas in die Hand geben, mit dem ich kleinere gesundheitliche Probleme ohne Arztbesuch klären kann. Ich habe vier Kinder. Da kamen Sportverletzungen, Bauchschmerzen oder hohes Fieber öfters vor. Mit Wickeln ließ sich da schon einiges lindern. Wichtig ist, die Grenzen zu erkennen und, wenn notwendig, einen Arzt aufzusuchen.

Es gab eine Zeit, in der Wickel fast vergessen waren, doch das scheint sich geändert zu haben. Wie erklären Sie sich diesen Umschwung?

Ich denke, dass es generell einen Umschwung in Richtung Naturheilkunde gibt. Gerade bei der älteren Generation sind Wickel noch gut bekannt. Aber auch bei jungen Familien, die nach naturheilkundlichen Möglichkeiten suchen, sind sie beliebt, da sie immer mit Zuwendung verbunden sind, da man die meisten Materialien zu Hause hat und außerdem sind sie kostengünstig. Das ist ein Pluspunkt, weil man heute viele Medikamente, die nicht mehr verschrieben werden können, selbst bezahlen muss.

Finden Wickel denn auch bei Schulmedizinern allmählich Anerkennung?

Leider viel zu wenig. Die Behandlung mit Wickeln beruht auf Wissen aus Erfahrung. Wissenschaftlich anerkannte Studien gibt es kaum. Das ist schade, denn die meisten Ärzte verlassen sich gerne auf Therapien, deren Wirkung wissenschaftlich belegt ist.

Mit Wickeln und Auflagen kann man ja nicht viel falsch machen …

Doch, es werden viele Fehler gemacht. Manche Bücher empfehlen etwa Senfwickel für Kinder. Das ist heftig, brennt wie Feuer. Ein Kind, das das einmal erlebt hat, wird sich nie wieder einen Wickel anlegen lassen. Selbst bei einfachen Wadenwickeln kann schnell etwas schieflaufen. Sie müssen die Temperatur der Beine beachten. Wenn Füße und Beine schon kalt sind, ist ein kühler Wadenwickel kontraproduktiv: Er kann das Fieber sogar hochtreiben. – Deswegen ist es so wichtig, dass Fachleute die Wickeltechnik weitergeben.

Sie sind Mitglied im Verein Linum.

Stimmt. Wir geben Kurse in Sozialstationen, Krankenhäusern, Vereinen und Arztpraxen. Der Verein führt eine Schule, die Pflegefachkräfte zu Wickelfachfrauen oder -männern weiterbildet.

Rund ums Wickeln

www.wickel.biz
Webseite des Internationalen Fachgremiums für Wickel und Kompressen mit Informationen über das Anlegen verschiedener Wickel und Auflagen und deren Anwendungsgebiete. Außerdem Kursangebote, eine Literatur- und Linkliste sowie Ansprechpartnerinnen zum Thema.

www.diewickelfachfrau.de
Webseite von Linum-Vereinsmitglied Andrea Käufer mit interessanten Literaturempfehlungen und der Möglichkeit, Wickel-Startersets zu bestellen.

www.pucken-info.de
Wissenswertes rund um die Baby-Wickeltechnik "Pucken" mit häufigen Fragen und Antworten.

www.linum-wickel.de
Webseite des Vereins Linum e.V., der in Kooperation mit dem Diakonischen Institut für soziale Berufe in Dornstadt die deutschlandweit einmalige Weiterbildung zur "Fachfrau/Fachmann für Wickelanwendungen und KursleiterIn" anbietet. Der Verein engagiert sich für die Förderung von naturheilkundlichen und ganzheitlichen Pflegemethoden.

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