Wie atmen Sie? Durch die Nase oder den Mund? Wie oft pro Minute holen Sie Luft? Vielleicht haben Sie sich darüber noch nie Gedanken gemacht. Viele von uns schenken dem Atem wenig Beachtung. Dabei hält er uns am Leben – auch ganz ohne unser aktives Zutun.
Die Atmung ist eine der Vitalfunktionen, die über das vegetative Nervensystem gesteuert werden. Anders als den Herzschlag, die Verdauung oder den Stoffwechsel können wir unsere Atmung aber willentlich beeinflussen – und damit körperliche Reaktionen hervorrufen. Atmen wir beispielsweise bewusst langsam, verlangsamt sich auch der Puls und der Blutdruck sinkt.
Wenn Luftholen zur Herausforderung wird
Aufmerksam werden viele Menschen auf diese Effekte erst, wenn der Atem nicht mehr wie von selbst ein- und ausströmt und das Atemsystem nicht mehr reibungslos funktioniert, sondern jedes Luftholen zur Herausforderung wird. Eine Erfahrung, die viele Covid- und Long-Covid-Erkrankte machen. Atemtherapie gilt als ein wichtiger Bestandteil ihrer Behandlung und Rehabilitation. Denn richtig eingesetzt kann der Atem eine heilsame Wirkung auf den Körper entfalten, nicht nur bei Corona.
Christoph Altmann, Chefarzt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Median Klinik Bad Gottleuba, hat beobachtet: „Zahlreiche Menschen, jedenfalls in der älteren Generation, haben gar kein Gefühl mehr für ihre Atmung und deren Anpassung unter Belastung.“ Eine gute Atemtherapie kann ihm zufolge bei vielen Krankheiten auch außerhalb der Lunge die Leistungsfähigkeit steigern, beispielsweise bei Herzschwäche.
Wie atmet man richtig?
Wer darauf eine Antwort sucht, stößt auf eine verwirrende Vielzahl von Atemlehren, -techniken und -therapieangeboten. Schnell wird klar: Die eine vollkommene Atmung für alle Fälle gibt es nicht. Aber es gibt grundlegende Empfehlungen zum Atmen, in denen viele Expertinnen und Experten übereinstimmen.
Etwa 12 bis 20 Atemzüge machen wir im Schnitt pro Minute. Die Hälfte würde reichen und dem Körper stünde immer noch genügend Sauerstoff zur Verfügung, sagen Fachleute. Eine langsame, tiefe, ruhige Atmung auch unter Belastung ist ihnen zufolge günstiger für den ganzen Organismus. Das gilt auch für Sportlerinnen und Sportler: Weniger atmen kann leistungssteigernd wirken. Nicht zu unterschätzen ist das Ausatmen. Während wir beim Einatmen frischen Sauerstoff in unseren Körper ziehen, ist die Ausatmung von Kohlendioxid der Moment, in dem der Sauerstoff in den Zellen wirken kann. Wer länger ausatmet, gibt den Zellen mehr Zeit sich zu regenerieren.
Warum ist es so wichtig, in den Bauch zu atmen?
Statt in den Bauch zu atmen und dabei das Zwerchfell zu trainieren und die Lunge zu dehnen, lassen wir den Atem außerdem meist nur bis in den Brustkorb strömen, um ihn schnell wieder auszustoßen. Stress kann eine Ursache für eine hohe Atemfrequenz sein, auch für Corona-Patientinnen und Asthmatiker ist sie typisch. „Wir haben festgestellt, dass viele von Covid Betroffene zu flach und zu schnell atmen, besonders unter Belastung“, sagt Christoph Altmann und ergänzt: „Damit wird die Atmung zusätzlich ineffektiv.“
Leise, langsam und entspannt in der Ausatmung – das empfiehlt auch der Autor und Atemtherapeut Ralph Skuban. Ganz wichtig neben der Zwerchfellatmung ist ihm zufolge durch die Atemwege der Nase zu atmen. „Die Nase ist unsere stärkste Verteidigungslinie gegen jede Art von Eindringlingen in unser System“, sagt Skuban. „Sie bereitet die Atemluft so auf, dass die Lunge gut mit ihr umgehen kann, das heißt: Die Luft wird erwärmt, befeuchtet und von Schmutzpartikeln, Bakterien und Viren gereinigt.“
Wer durch den Mund atmet, erzeugt Stress
Dass es einen Unterschied macht, ob wir die Luft durch Mund oder Nase atmen, beschreibt der US-amerikanische Autor James Nestor in seinem Buch „Breath – Atem“. Für eine Studie ließ er sich für jeweils zehn Tage erst die Nase, dann den Mund zukleben. Die Folgen der Mundatmung: Der Stresshormon-Spiegel stieg, sein Blutdruck erhöhte sich stark, nachts litt Nestor unter Schlafapnoe. Mit der Nasenatmung normalisierte sich die Herzfrequenz, die sportliche Leistungsfähigkeit nahm zu, die Apnoe verschwand.
Für den Ringer-Weltmeister Frank Stäbler war die Nasenatmung Teil des Atemtrainings, das der Leistungssportler absolvierte, nachdem er durch eine Corona-Infektion rund 20 Prozent seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt hatte. So trainierte er Liegestütze und Bankdrücken mit zugeklebtem Mund, um zu alter Stärke – und einem gesunden Atem zurückzufinden. 2021 gewann er die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio.
Tipps: Trainingsprogramm für die Atemmuskulatur
Lungen dehnen, Atemkraft steigern
Viele Covid- und Long-Covid-Betroffene wie auch Asthmatikerinnen atmen zu flach und zu schnell. Atemtherapie kann dabei helfen, die Lungen zu dehnen und die Atemkraft zu steigern. Mit Hilfe spezieller Trainingsgeräte atmet man beispielsweise gegen Widerstand an, das kräftigt die Atemmuskulatur.
Die Maske als Trainingsgerät
Aus rein physiologischer Sicht taugt auch die Mund-Nasen-Maske als Atemtherapiegerät, sagt der Mediziner Christoph Altmann, der auch im Text zu Wort kommt. Sie erhöhe den Atemwiderstand und zwinge zu ruhiger, langsamer Atmung. Die Leistungsfähigkeit sei mit Maske jedoch geringer als ohne, betont der Experte.
Die Lippenbremse
Um die Atemwege zu erweitern, kann man die sogenannte Lippenbremse üben, bei der durch die locker aufeinander liegenden Lippen ausgeatmet wird. Schnüffelndes Einatmen durch die Nase dient der Kräftigung des Zwerchfells.
4-7-8-Atmung
Atemtechniken können wirken wie natürliche Beruhigungsmittel – etwa vor Prüfungen oder beim Einschlafen. Bekannt wurde die 4-7-8-Atmung nach Andrew Well, einem amerikanischen Alternativmediziner: Mehrmals je vier Sekunden einatmen, die Luft sieben Sekunden anhalten und acht Sekunden lang ausatmen.
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