Der Januar ist ein tückischer Monat. Wahrscheinlich gibt es keinen anderen, in dem so viele Formulare neu ausgefüllt werden müssen, weil man sich bei der Jahreszahl verschreibt. Dazu kommt die akute Stolpergefahr auf den Bürgersteigen. Sie werden gesäumt von erschöpften Weihnachtsbäumen, die dort liegen wie Überbleibsel einer besonders heftigen Party. Und davon, dass es früher hell wird, ist auch nichts zu merken. Schließlich fällt die Festtagsbeleuchtung weg. Meistens jedenfalls, denn bei einigen besonders großen Weihnachtsfans blinken Sternchen und Lichtbäume in den Fenstern noch bis zum Karneval.
Nach der „stillen Zeit“, in der es laut Karl Valentin, „auch wieder ruhiger wird“, müssen sich viele Menschen erst einmal zurechtfinden. Dass es die Schokoweihnachtsmänner jetzt allerorten zum halben Preis gibt, erschwert den Abschied von den Festtagspfunden. Der süße, träge Zauber der Weihnachtszeit, von Silvester und Neujahr macht nur unwillig der jetzt aufs Neue verlangten Betriebsamkeit Platz. Einige zählen ab jetzt schon wieder die gut elf Monate bis zur schönsten Zeit im Jahr. Dabei lässt sich vieles, was die Dezembertage so besonders machen, mitnehmen.
Es gibt keinen Grund, das fest der Liebe nicht das ganze Jahr zu feiern.
Für die meisten geht es Weihnachten und Silvester gar nicht so sehr um Geschenke und Feuerwerk. Sie schätzen das Miteinander von jung, nicht mehr ganz jung und etwas älter in ihren Familien, das Zusammensein mit Freunden, das Wiedersehen so vieler vertrauter Menschen. Die Weihnachtszeit macht tolerant. Auf einmal lassen sich unterschiedliche Ansichten und Lebensstile ertragen. Die eine oder andere Familie mag ihr erstes komplett vegetarisches Festmahl erlebt und genossen haben, um den Teenagerkindern eine Freude zu machen. Menschen, die ansonsten mit anderen Kulturen eher wenige Berührungspunkte haben, finden die neue Freundin des Sohnes ganz entzückend, auch wenn sie das Land, aus dem ihre Eltern kommen, nicht auf der Landkarte finden würden.
Die ganz großen Streitthemen werden mal für einige Stunden ausgeklammert und siehe da: Man kann durchaus miteinander auskommen, wenn das Trennende mal hinter dem zurücktritt, was einander verbindet. Und auch das Schenken kann eine interessante Erfahrung sein, weil es einen dazu bringt, darüber nachzudenken, was anderen Menschen Freude macht. In der festlichen Zeit erleben wir so viele besondere Dinge, dass es doch ein schöner Vorsatz für das gerade angebrochene Jahr wäre, etwas von diesem Geist einfach zu erhalten: Das Beisammensein über mehrere Generationen und Ansichten hinweg, das Bestreben, anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, das bewusste Herausziehen aus allem, was einen sonst beschwert. Weihnachten als „Fest der Liebe“ ist ein großes Wort. Es gibt keinen Grund, so ein Fest nicht einfach das ganze Jahr zu feiern.
Fred Grimm
Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über die Wege und Umwege hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leserinnen und Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.
Kommentare
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Liebe für das ganze Jahr
ein stetes wir
das macht unser Leben aus
Ja, ein Miteinander in Verstehen, Vertrauen und einander helfen das ganze Jahr, das wäre schön.
Aber für mich ist jedes Jahr Weihnachten noch mehr Stress als Hausfrau allem gerecht zu werden.
Und da es seit einigen Jahren in vielen Familien Vegetarier, aber auch Fleischesser gibt, das bei einem Mittagsmahl unter einen Hut zu bringen, sei es nun an Weihnachten oder Geburtstag, lässt mich kein Fest mehr mit Freude erfüllen.
Weniger ist mehr denke ich, nicht so viel Essen, Geschenke usw. Innerlich sollte was bleiben, das wünsche ich mir oft, danke.