Die Taschentuchsaison hat begonnen. Überall wo wir auch hinschauen, wird geniest und gehustet. Und spätestens im Januar startet wie jedes Jahr die große Grippewelle, die bis zum Frühling für gut gefüllte Arztpraxen sorgt. Denn jetzt, wenn das Thermometer niedrige Temperaturen anzeigt und die Luft trocken ist, fühlen sich die Viren bei uns in Nordeuropa ganz besonders wohl. So zeigten Atem-Simulationen mit Grippeviren an der Universität von West Virginia, dass eine hohe Luftfeuchtigkeit Grippeviren relativ zügig entschärft, während die Krankheitserreger bei niedriger Luftfeuchtigkeit noch stundenlang infektiös bleiben. Die behaglich geheizten, aber eben trockenen Räume in Wohnhäusern, Schulen und Büros werden damit zur idealen Verteilerstation für die Viren, die dabei gleich doppelt Glück haben. Denn die trockene Luft ist auch eine echte Strapaze für die menschlichen Schleimhäute, die unter anderem für die Virenabwehr zuständig sind.
„Auf der gereizten Haut haben Viren damit einen leichteren Zugang zum Körper“, sagt Dr. Miriam Ortiz, Fachärztin für Allgemeinmedizin an der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde in Berlin Mitte. Für die Grippe seien überwiegend Influenzaviren des Typs A verantwortlich (zum Beispiel H1N1 und H3N2). Für Erkältungen sorgten beispielsweise Rhino-, Corona- oder Adenoviren.
Ob es tatsächlich eine Grippe oder doch „nur“ eine Erkältung ist, kann oft gut unterschieden werden: Während eine Grippe meistens sehr plötzlich zuschlägt und uns innerhalb kurzer Zeit mit Fieber oder deutlichem Krankheitsgefühl, Gelenk- und Kopfschmerzen ausknockt, baut sich eine Erkältung – die häufig auch als grippaler Infekt bezeichnet wird, obwohl sie mit der eigentlichen Grippe nichts zu tun hat – eher langsam und mit leichteren Symptomen auf. „Fieber tritt hier seltener auf und wenn dann meist nicht höher als 38 Grad“, sagt Dr. Ortiz.
Abwehrkräfte stärken
Wer eine Ansteckung zu hundert Prozent vermeiden möchte, muss – beginnen wir mit der schlechten Nachricht – für die nächsten Monate ins Exil gehen, denn: Die Viren sind überall dort, wo Menschen sind. Sie verbreiten sich nicht nur durch offensives Niesen, sondern leider auch durch die reine Atemluft. Per Tröpfcheninfektion wandern sie von einem Mund in die nächste Nase. Daneben kleben sie auf Türklinken, Einkaufswagen und Haltegriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln und gelangen über die Hände auf unsere Schleimhäute. Doch – und hier kommt auch gleich die gute Nachricht – wir müssen uns nicht von vornherein kampflos geschlagen geben: „Es gibt sehr effektive Möglichkeiten, Grippe und Erkältung vorzubeugen“, weiß die Expertin.
Die Wichtigste: Unsere innere Abwehr mobilisieren. Damit unser Körper weniger empfindlich auf Wetterwechsel, Kälte und Heizungsluft reagiert, können wir ihn trainieren. Das heißt: So oft wie möglich raus gehen und aktiv sein. Auch Wassertreten nach Kneipp, Saunieren und Wechselduschen sorgen dafür, dass uns beim ersten Frost nicht gleich der Hals kratzt. Daneben gilt: Ausreichend schlafen, Stress reduzieren und gesund und ausgewogen essen. Ballaststoffe stärken den Darm – das Zentrum unseres Immunsystems. Studien zeigen, dass auch der regelmäßige Verzehr von naturbelassenen Joghurts die Infektanfälligkeit senken kann. Die vorbeugende Einnahme von Vitamin C hat nach Auswertung einer großen Metastudie der unabhängigen Cochrane Collaboration leider keinen schützenden Effekt. „Allerdings kann die Erkrankungsdauer dadurch etwas gekürzt werden“, sagt Ortiz.
Gesund durch den Winter
Eingeatmete Keime können durch regelmäßige Nasenspülungen direkt wieder zum Ausgang geschleust werden. Gleichzeitig hilft das warme Salzwasser, die Schleimhäute zu pflegen. In Innenräumen sorgen Zimmerpflanzen (z.B. im Büro) oder Wäscheständer (z.B. im Schlafzimmer) für eine höhere Luftfeuchtigkeit. „Von Luftbefeuchtern rate ich eher ab, da sie bakteriell verunreinigen können und damit selbst Erreger verbreiten können“, sagt Ortiz. Besser: Räume regelmäßig lüften, um die Innenluft durch frische Außenluft zu ersetzen und die Heizung nicht zu hoch drehen. Im Schlafzimmer sind 16 bis 18 Grad ideal, in Wohnräumen gelten Temperaturen bis 20 Grad als besonders atemwegsfreundlich.
Nicht zu vergessen: die Hygiene! „Gründliches Händewaschen gehört jetzt zum absoluten Pflichtprogramm“, sagt Ortiz. Unterwegs können die Hände mit Feuchttüchern gereinigt werden. „Es ist hier in Deutschland nicht üblich, aber wer sich und die Gemeinschaft konsequent schützen möchte, kann auch einen Mundschutz tragen“, sagt Ortiz, die diese starke Vorsichtsmaßnahme vor allem ihren immungeschwächten Patienten rät.
Und was sagt die Hausmittelapotheke? „Empfehlenswert sind heiße Getränke, denn sie fördern die Durchblutung“, sagt Ortiz. Erkältungstees mit Holunder-, Lindenblüten, Mädesüß und Hagebuttenschalen treiben mit ihrer schweißtreibenden Wirkung die Körperwärme in die Höhe – das mögen Viren gar nicht! Auch Ingwertee mit seinen Scharfstoffen wirkt antiviral. Inhalationen mit Thymian können Entzündungen im Nasen- und Rachenraum vorbeugen. Wer sich nach einem langen (und kalten) Tag nicht wohl in seiner Haut fühlt, kann mit einem heißen Erkältungsbad zum Beispiel mit Thymian oder Latschenkiefer dem Immunsystem helfen, den Krankheitserregern den Garaus zu machen. Ortiz empfiehlt auch ansteigende Fußbäder. Dafür mit warmem Wasser anfangen und nach und nach heißes Wasser dazugeben: „Immer so, dass es angenehm bleibt.“ Beim ersten Kratzen im Hals kann eine Last-Minute-Schwitzkur noch helfen, das Schlimmste zu vermeiden: Dafür eine große Tasse Erkältungstee trinken, die Beine mit warmen Baumwolltüchern umwickeln und dick verpackt ins Bett legen.
Wer dazu neigt, jede Grippewelle mitzunehmen, sollte beim Hausarzt seine Blutwerte kontrollieren lassen. Schon ein leichter Vitamin-D- oder Zinkmangel kann die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten erhöhen.
TCM: Rote Datteln zur Stärkung
In China gehören rote Datteln, eine Pflanzenart aus der Familie der Kreuzdorngewächse, zu den wichtigsten Arzneipflanzen zur Stärkung des Körpers und zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungs- und Atemwegserkrankungen. Die Datteln, auch Azufaifa genannt, stärken in der Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) das „Wei Qi“ – die Verteidigungskraft des Körpers. Zwei bis drei getrocknete Datteln pro Tag versorgen den Körper mit B-Vitaminen, Kalium und Zink. Einfach als kleinen Snack in die Brotdose packen oder eine Stunde in kaltem Wasser einweichen und mit Ingwer und Süßholzwurzel zu einem scharf-süßen Tee aufkochen. Tipp: Dattelpalmen im herkömmlichen Anbau sind oft stark mit Pestiziden behandelt, deshalb unbedingt Datteln in zertifizierter Bio-Qualität kaufen.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.