Interview

Was sichert Frieden und Demokratie, Dr. Felix Ekardt?

Der Jurist Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt hat für eine bessere Naturschutz-Gesetzgebung Verfassungsklage eingereicht. Wir fragten ihn, warum Demokratie, Umweltschutz, Wohlstand und Frieden nur gemeinsam gelingen können.

Sie schreiben in Ihrem Buch „Postfossile Freiheit“: Auch wer nur ans Geld denkt, tut gut daran, radikal postfossil zu leben. – Warum?
Weil die fossilen Brennstoffe Wohlstand, Frieden und Demokratie ruinieren. Neben dem Klima und der Umwelt. 

Bitte erklären Sie das.
Das Verbrennen von Erdöl, Gas und Kohle treibt den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust an, bedroht unsere physischen Grundlagen und führt uns in Ressourcenkriege. Wenn man schon beim Klima Zweifel hat, ob wir auf einer heißeren Erde mit Nahrungs- und Wassermangel noch existieren können, ist es beim Biodiversitätsverlust noch offensichtlicher: Wie wollen wir leben ohne funktionierende Bestäubungsarbeit, Grundwasserreinigung oder Bodenfruchtbarkeit? Das droht uns aber absehbar, wenn wir nicht entschlossener tätig werden.

Denken wir doch lieber an was Schöneres ...
Genau! Die Verdrängung funktioniert! Und statt radikal postfossil zu leben und zu wirtschaften, finanzieren wir mit dem Kauf fossiler Brennstoffe autoritäre Staaten, die uns teils direkt bedrohen. Der russische Staatshaushalt etwa stammt zu einem Drittel aus fossilen Brennstoffen. Wir kaufen dort weiterhin, oft über Umwege wie Indien.

Was schlagen Sie sonst vor?
Noch nie in der Menschheitsgeschichte waren wir so wohlhabend und in westlichen Ländern so frei wie heute. Das gibt uns eigentlich maximale Möglichkeiten, auf große Herausforderungen zu reagieren. Menschen sind lernfähig, bisher allerdings noch nicht ausreichend. Umweltprobleme wie der Klimawandel machen es schwierig, weil die Bedrohung unsichtbar ist und sich in sehr komplexen Kausalitäten ereignet. Doch unsere Bequemlichkeit, Gewohnheit, Verdrängung und Ausreden stehen uns im Weg. 

»Was wir essen und wie wir reisen, hat Folgen für andere Menschen.«

Felix Ekardt

Zur Person

Prof. Felix Ekardt während eines Vortrag

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt
Jurist, Philosoph und Soziologe
Felix Ekardt leitet u.a. die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. Er initiierte die weltweit erfolgreichste Verfassungsklage für mehr Klimaschutz. In seinem Buch „Postfossile Freiheit“ diskutiert er, wie Umwelt, Demokratie und Frieden zusammenhängen. 

Sind denn einzelne Bürgerinnen und Bürger relevant?
Wir sind alle relevant: als Teil des politischen Systems und als Konsumierende. Möglichst viele Leute müssen sich in Bewegung setzen, in die Parteien, in die Umweltverbände, auf die Straße gehen und sich international vernetzen, womit ich nicht meine, am Wochenende nach Barcelona zum Einkaufen zu fliegen. Wir müssen radikal postfossil werden.

Und wenn es uns als Gesellschaft nicht gelingt, schnell genug postfossil zu werden, was dann?
Ich bin kein Hellseher, aber halte es für wahrscheinlich, dass Putin die Nato-Beistandsverpflichtung testen wird. Parallel drohen Naturkatastrophen, Ressourcenverknappungen und Ähnliches drastischer zu werden, mit allen Konsequenzen: Menschen, die in Äquatornähe in zunehmend unbewohnbaren Ländern leben, werden nicht still und leise vor sich hin verhungern und verdursten. Die werden zu uns kommen. Da bin ich hochgespannt, vorsichtig ausgedrückt, wenn ich berücksichtige, wie überfordernd viele Menschen hier schon die bisherigen Migrationsbewegungen fanden. 

Das klingt nach Krieg, Hunger und Leid. Ihr Buch heißt aber: „Postfossile Freiheit“.  
Meine Grundrechtsklagen für mehr Klima- und Biodiversitätsschutz zielen letztlich auf null fossile Brennstoffe. Denn ohne sie zerstören wir die Freiheitsvoraussetzungen Wohlstand, Frieden und intakte Umwelt. Eine wirtschaftliche Freiheit, die ihre eigenen Voraussetzungen zerstört, darf nicht länger Vorrang haben. 

Ist auch Sparen ein Weg zur Freiheit?  
Jedenfalls brauchen wir zeitnah null fossile Brennstoffe und eine drastisch reduzierte Tierhaltung – letztlich global. Allein smarter produzieren und konsumieren reicht dafür nicht. Es muss auch weniger werden. Ich ernähre mich zum großen Teil pflanzlich, mache keine Urlaubsflüge, besitze keinen Führerschein. Und ich finde mein Leben geistig und emotional deutlich erfüllter und anregender als ständige Fernreisen.

Und das macht frei?
Viele Menschen, gerade in Mitteleuropa, leiden darunter, dass der große metaphysische Hintergrund weggefallen ist. Die Frage ist: Wofür lebe ich? Für die Fernreise oder irgendwas Materielles? Ist es mein Traum, auf den ich ein Jahr lang hinschufte, dass ich am Roten Meer im autoritären Staat am Strand liege? Ich finde das nicht überzeugend. 

Wollen Sie Flüge und Fleisch verbieten?  
Wie wir leben, hat Folgen für andere Menschen. Freiheit heißt auch, für die Folgen unseres Tuns einzustehen. Wir müssen die Fossilen schrittweise und zeitnah aus dem Markt nehmen. In der EU – und es gibt Wege dafür, dass der Rest der Welt mitzieht – zum Beispiel über Ökozölle. Eine solche Mengensteuerung lässt sich wirksamer, freiheitlicher und besser mit sozialem Ausgleich für wirklich Bedürftige verbinden als Einzelverbote. Auch Tierhaltung und Pestizide müssen runter. Nationale Alleingänge sind nicht die Lösung.  

Wird die Weltbevölkerung in der postfossilen Landwirtschaft denn noch satt?
Die Welternährung würde damit wahrscheinlich sicherer werden. Im Gegenteil, wir gefährden sie mit der hohen Nachfrage nach tierischen Nahrungsmitteln, die riesige Landflächen verbrauchen. Bio-Bauern wissen, wie es geht. Sie arbeiten mit Fruchtfolgen und Leguminosen, die die Böden fruchtbar halten.

Weitere spannende Gespräche

Interviews: Bunte illustration mit verschiedenen, abstrakten Gesichtern in Kästchen.

Unsere Interviews

In unserer Interview-Sammlung erzählen interessante Persönlichkeiten was sie umtreibt und wie sie beruflich oder privat versuchen, die Welt ein bisschen besser zu machen.

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