Kolumne

Fantasie und Tüftlergeist

Unser Kolumnist Fred Grimm findet, es gibt einen Bundespreis, der viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr noch nie was vom Bundespreis Ecodesign gehört habt, ist ziemlich hoch. Als er vergangenen November zum neunten Mal verliehen wurde, war das keiner Nachrichtensendung eine Erwähnung wert. In den Zeitungen musste man lange suchen – und fand nichts. Gerade mal vier Personen teilten das Video mit den Siegerprojekten auf Facebook. Es gab sieben „Likes“. Jeder bauchrutschende Pinguin erhält mehr Aufmerksamkeit. Nichts gegen bauchrutschende Pinguine, aber das ist wirklich sehr, sehr schade. Denn der Bundespreis Eco­design, den das Umweltministerium und das Bundesumweltamt in Kooperation mit dem Internationalen Design-Zentrum Berlin jährlich vergeben, ist ein Preis, der Hoffnung macht.

Angesichts der vielen Katastrophen, die sich vor unseren Augen vollziehen – von der Klimakrise bis zum Artensterben, von der Plastikvermüllung bis zum Bodentod –, wäre es umso wichtiger, daran zu erinnern, dass es offenbar Menschen gibt, denen zu beinahe jedem Problem eine durchdachte und ökologisch sinnvolle Lösung einfällt. Plastikflaschen für flüssige Hygieneprodukte zum Beispiel? Die könnte man stattdessen in eine „Soapbottle“ aus fester Seife gießen, die man hinterher zum Hände reinigen oder – unter Zugabe von Soda und Natron – als Waschmittel verwendet. Der gigantische Materialaufwand für Neubauten? Müsste auch nicht sein, denn es gibt Konzepte für Recycling-Häuser im Modulsystem, die aus gebrauchten Baumaterialien hergestellt und immer wieder neu verwertet werden können.

Zu den mit dem Bundespreis ausgezeichneten Produkten und Ideen gehören auch bewegliche Gebäudefassaden mit intelligenter Luft- und Wärmeregulierung sowie ein Rücknahme- und Wiederverwertungssystem für alte Fahrradschläuche. Eine Designerin entwickelte einen Schwangerschaftstest aus Papier, mit dem sich jährlich hunderte Tonnen Plastikmüll einsparen ließen. Dämmstoffe aus verwelktem Seegras wurden ebenso prämiert wie die überraschend ansehnlichen Bodenplatten aus Bauschutt oder Färbemittel aus Mikroorganismen, die chemische Methoden ersetzen könnten. Der Kombination aus Fantasie und Tüftlergeist scheinen keine Grenzen gesetzt. Scheinen.

Viele tolle Projekte führen ein unverdientes Schattendasein.

Denn während Wirtschaftspolitiker und Investoren lieber vom Potenzial der „Digitalisierung“ schwärmen – deren vermeintliche Innovationen derzeit leider oft nur jene Probleme lösen, die man ohne Digitalisierung gar nicht hätte –, führen die vielen tollen Projekte, die es zum Bundespreis Ecodesign schaffen, ein unverdientes Schattendasein. Von manchen hört man hinterher nie wieder was. In diesem Jahr wird die Auszeichnung zehn Jahre alt. Ein wunderbarer Anlass, der Idee hinter dem Preis endlich mal die öffentliche Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient: natürlich dass ein Weniger an Materialaufwand und Komplexität ein Mehr an (Über)Lebensqualität bedeuten kann.

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