Psychologie

Embodiment: Lächeln, strecken, hüpfen

Können wir mit „Embodiment“-Übungen unsere Stimmung beeinflussen? Unser Autor hat‘s ausprobiert.

Ich hüpfe auf der Stelle, rudere mit den Armen, keuche und grinse dabei etwas angestrengt. Der Hampelmann, gepaart mit einem Lächeln, ist eine Embodiment-Übung. Dank ihr, so hoffe ich, werde ich mich bald leichter und besser fühlen.

Was ist Embodiment?

„Embodiment“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Verkörperung“. Der Begriff steht für einen Wellness-Trend, der die uralte Verdrahtung von Körper und Geist nutzt, um Stress, Angst und Traurigkeit über Bewegung, Mimik und Gestik zu vertreiben.

Die Grundidee dahinter: Bestimmte Körperhaltungen lösen bestimmte Emotionen aus. Wer die Schultern hochzieht und zu Boden blickt, ist eher ängstlich und gehemmt. Wer aber aufrecht geht, den Kopf erhoben, mit einem entspannten Lächeln im Gesicht, signalisiert dem eigenen Bewusstsein: Alles ist gut!

Die Psyche überlisten: So geht's

Der Kniff, über den Körper die eigenen Emotionen zu beeinflussen, ist nicht neu. Frische Luft, Natur und Bewegung werden schon seit der Antike als Stimmungsheber empfohlen. Doch seit einiger Zeit gibt es immer mehr Studien, Bücher und wissenschaftliches Interesse daran, den Körper nicht mehr nur als Spiegel der Seele zu betrachten, sondern auch umgekehrt. Besonders verheißungsvoll für mich ist daran, dass es gar nicht der Marathonlauf sein muss, sondern schon kurze, einfache Übungen Erfolg versprechen: Mit den Armen schwingen, herumhopsen oder eine Zuckerpackung auf dem Kopf balancieren, und dabei immer schön die Wirbelsäule strecken, in den Körper hineinspüren und – ganz wichtig – lächeln.

Zu Beginn der Übung fühlt sich mein Hampelmann-Lächeln allerdings noch recht unecht an. Mein Körper protestiert schwitzend gegen die ungewohnte Anstrengung, nach einem langen, dunklen Winter mit zu viel Essen und zu wenig Bewegung. Außerdem habe ich Angst, dass mich die Gassi-Geher auf der anderen Seite des Parks albern finden. Doch der einzige, den mein Gehopse interessiert, ist ein Dackel, der aber nur kurz herüber schielt. Ich hampele und lächele tapfer weiter, und plötzlich merke ich, dass es okay ist. Ich bin okay, mein Leben ist okay, sogar mein Hampeln ist okay. Ich fühle mich gut. Wow! So leicht lässt sich mein Bewusstsein austricksen? Vielleicht sollte ich mehr lächeln!

Der Bleistifttrick

Lange Zeit stand allein der Geist im Fokus, wenn es darum ging, Stress zu bekämpfen: positiv denken, über Probleme sprechen, kognitive Muster erkennen und ändern. Der Körper beeinflusst aber auch den Geist. Das merkt jeder, der hungrig ist oder unter Schlafmangel leidet. Doch der Körper kann auch positive Signale senden. Hier ein einfaches Experiment: Man klemmt sich einen Bleistift zwischen die Zähne. Das simuliert ein Lächeln und führt einem Versuch des Sozialpsychologen Fritz Strack aus dem Jahr 1988 zufolge dazu, dass man positiver gestimmt ist – obwohl es gar kein echtes Lächeln ist.

Für wen ist Embodiment gut?

Im Alltag allerdings vergesse ich das meistens. Stirnrunzelnd starre ich auf Bildschirme, beruflich und in meiner Freizeit. Die Übungen konfrontieren mich damit, dass ich nicht besonders nett mit meinem Körper umgehe. Er soll gefälligst tun, was ich will, und zwar dann, wenn ich es will. Sitzen, liegen, schlafen, und bitteschön keine Zipperlein melden, denn dafür habe ich keine Zeit. Wäre mein Körper ein Haustier, würde ich sagen, dass ich es nicht sonderlich artgerecht halte.

Damit bin ich nicht alleine: Lange Zeit lag der Fokus in unserer Gesellschaft auf dem Denken und Reden, wenn es um die Bewältigung von Stress ging. Der Körper war dabei nur das Gefäß, das allerhöchstens durch seine Haltung anzeigte, was innen vor sich ging. Die meiste Zeit darf er nicht aktiv sein – nur herumsitzen oder liegen, und wenn er mal aufmuckt, dann wird er entweder ignoriert, ruhig gestellt oder operiert. Im Embodiment rückt der Leib in den Mittelpunkt und bildet mit Geist und Seele eine Einheit, in der alles aufeinander Einfluss hat. So verwandelt sich ein aufgesetztes Lächeln nach ein paar Minuten in ein echtes. Und dann stellt sich ein Gefühl von Freude und Zufriedenheit ein. Ein praktischer Ansatz für alle Kopfmenschen, die ihre sinnlich-körperliche Seite auf Abstand halten.

Fazit: Nur am Lächeln hapert’s

Ein paar Tage lang probiere ich mich durch verschiedene Embodiment-Übungen, zuhause und im Freien. Die meisten sind einfach, manche finde ich kompliziert. Wenn ich beispielsweise einen Tennisball zwischen meinen Lendenwirbeln und einer Stuhllehne kreisen lassen soll, verspüre ich wenig Freude. Sobald der Ball schon wieder wegrollt, lächle ich nicht mehr.

Richtig gut findet mein Körper aber alles, was mit viel Energie und wenig Konzentration zu tun hat: Schütteln, springen, mit den Armen schwingen – selbst den Hampelmann finde ich inzwischen nicht mehr so schlecht. Mit Musik macht’s noch mehr Spaß, und die Grenze zwischen Tanz und Wellness-Übungen zerfließt. Vor allem, wenn meine Frau mitmacht und wir im Homeoffice-Alltag ein paar Minuten lang gemeinsam durch die Küche wirbeln.

Am Ende meines Embodiment-Experiments merke ich, dass es für mich gar nicht so sehr auf das exakte Ausführen von Übungen ankommt. Sondern vielmehr darauf, schneller – oder überhaupt mal – zu merken, was mein Körper eigentlich will: hier ein paar Hopser auf dem Weg zur Kaffeemaschine, dort ein Rückenstrecken.

Ich habe verstanden: Eine entspannte und aufrechte Körperhaltung sorgt dafür, dass ich mich entspannt, aktiv und selbstsicher fühle. Nur am Lächeln hapert’s bei mir noch. Daran muss ich mich im Alltag zukünftig wohl öfter mal erinnern. Notfalls mit einem Bleistift zwischen den Zähnen. „Fake it till you make it“, heißt es im Englischen, also: „Tu so als ob, bis Du’s kannst.“ Das klappt erstaunlich gut.

Buchtipp

Im Buch „Embodiment – Die Wechselwirkung zwischen Körper und Seele“ erläutert Petra Mommert-Jauch das Konzept, verschiedene Anwendungsgebiete und stellt praktische Übungen für den Alltag vor. Im Internet finden sich zahlreiche weitere Ratgeber und auch Coaches. Unser Tipp: Die kleine Bleistift-Übung (oben) ausprobieren und schauen, wie sie wirkt. Und übrigens: Auch Menschen, die sich gar nicht gestresst fühlen, können von einer verbesserten Körperwahrnehmung profitieren.

Trias, 17,99 Euro

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