Leben

„Die Psyche spielt eine große Rolle “

Der Psychologe Jürgen K. Baum leitet den Bereich Verhaltens­medizin/Psychotherapie an der Reha-Klinik Hoher Meissner in Bad Sooden-Allendorf.

Der Psychologe Jürgen K. Baum leitet den Bereich Verhaltens­medizin/Psychotherapie an der Reha-Klinik Hoher Meissner in Bad Sooden-Allendorf.

Bei über 90 Prozent der Patienten haben Rückenschmerzen unspezifische Ursachen. Untersuchungen zeigen, dass nicht nur schwere Arbeit, insbesondere in rückenbelastenden Positionen, zu Schmerzen führt. Das Risiko einer Rückenerkrankung steigt dagegen erheblich an, wenn die Betroffenen mit den Inhalten ihrer Arbeit oder den Bedingungen unzufrieden sind. Psychische Belastungen spielen also für das Auftreten von Rückenschmerzen eine größere Rolle als schweres Heben und Tragen.

Woran erkennen Sie, dass psychische Gründe vorliegen?

In ausführlichen Gesprächen erfahren wir von den Belas-tungen und psychosozialen Rahmenbedingungen der Betroffenen und auch, wie sie diese Situation bewerten und darauf reagieren. Darüber hinaus liefern uns diverse Fragebögen, etwa zum Thema Schmerzbewältigung, Aussagen über mögliche Zusammenhänge.

Wie vermitteln Sie, dass die Seele ein ernst zu nehmender Faktor ist?

Viele Menschen sind skeptisch, sie denken, dass Simulieren oder Übertreiben gemeint sei. Über neurobiologische Studien lässt sich das jedoch gut darstellen: In unserem Gehirn ist der Thalamus das Schalt­zentrum für Stimmungen und Stressbefinden. Somit hängt es vom Wahrnehmen, gedanklichen Bewerten und Verhalten ab, wie stark Schmerz empfunden wird. Ein Beispiel: Wer sich nach der Gartenarbeit die Hände wäscht, bemerkt oft erst dann eine Verletzung. Man war zu vertieft, um den Schmerz wahrzunehmen. Würde ich aber ankündigen, Ihnen gleich mit dem Skalpell die Hand zu ritzen, würden Sie Schmerz empfinden, noch bevor es Sie berührt.

Selbstverständlich können psychische Faktoren auch positiven Einfluss haben. Wer sich trotz Schmerzen motiviert, regelmäßig Sport zu treiben, stärkt seine Muskulatur und macht sie schmerzunempfindlicher. Dadurch kommt oft das Selbstvertrauen zurück. Denn: Richten wir unsere Aufmerksamkeit gezielt auf Tätigkeiten, die Spaß machen, steht der Schmerz nicht mehr im Zentrum des Bewusstseins.

Was sagen Ihre Patienten dazu?

In den meisten Fällen reagieren sie kopfnickend. Andere jedoch sind überrascht, wenn ihnen im Nachhinein der Zusammenhang von Befindlichkeit und Schmerz bewusst wird.

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