Frühjahrsdiäten
Frühjahrszeit ist Fastenzeit, nicht nur im Kalender. Viele Menschen wollen in diesen Tagen überflüssige Pfunde loswerden und auch seelisch "entschlacken". Dabei können mehrere Wege zum Ziel führen. Wir stellen bewährte Diäten und Fastenformen vor.
"Tägliche Mäßigkeit ist das beste Fasten", besagt ein altes deutsches Sprichwort. Eine vorbildliche Lebensführung würde zusätzliche Anstrengungen zur Gesunderhaltung eigentlich überflüssig machen. Soweit das Ideal. Doch davon sind die meisten Menschen in der Praxis weit entfernt. Ernährungsfehler, seelische Belastungen und Arbeitsstreß schwächen Körper und Geist, so daß man anfällig wird für Krankheiten. Um dem vorzubeugen und die Lebensbatterien wieder aufzuladen, gönnen sich immer mehr Zivilisationsgeschädigte vor allem im Frühjahr eine Auszeit. Verschiedene Entschlackungskuren und nicht zuletzt das Fasten kommen dafür in Frage.
Fasten bedeutet Nichtessen, also bewußten Verzicht auf feste Nahrung und Genußmittel für bestimmte Zeit. (Über Geschichte und Grundlagen des Fastens siehe S&K 2/96). Neben dem klassischen Fasten, bei dem nur Flüssigkeit zugeführt wird, wurden Methoden entwickelt, die zwar deutliche Einschränkungen beim Essen, aber keinen radikalen Nahrungsentzug verlangen. Unter Ernährungswissenschaftlern herrscht Einigkeit, daß es sich dabei um Formen der strengen Diätetik handelt und nicht um Fasten im ursprünglichen Sinne.
Die bekanntesten, seit langem bewährten Diätformen sind verbunden mit den Namen Mayr, Schroth, Felke und Wendt. "Die Gifte im Darm sind es, die den Menschen vorzeitig alt und häßlich machen", hatte bereits Anfang dieses Jahrhunderts der österreichische Arzt Franz Xaver Mayr (1875-1965) erkannt. Seine Heilmethode umfaßt mehr als nur die oft zitierte "Milch-Semmel-Kur". Am Anfang steht auch bei Mayr mehrtägiges Fasten, in der Regel mit Kräutertee, Mineralwasser und Gemüsebrühe. Bei Bedarf sind auch etwas Orangensaft oder Honig erlaubt. Eine morgens eingenommene Bittersalzlösung sorgt für gute Darmreinigung.
Auf diese Trinkkur folgt die Milch-Semmel-Diät, wobei jeweils zum Frühstück und mittags ein drei Tage altes Weißmehlbrötchen häppchenweise ganz langsam eingespeichelt und gekaut, mit einem Teelöffel Milch vermischt und heruntergeschluckt wird. Maximal ein halber Liter Milch pro Tag wird auf diese Weise "gegessen", wer Kuhmilch nicht verträgt, kann auf Soja- oder Mandelmilch ausweichen. Das Semmel-Zeremoniell ist ein intensives Kautraining, das die Ausnutzung der Nahrung im Verdauungstrakt verbessert. Weil sich schnell ein Sättigungsgefühl einstellt, liegt die Gewichtsabnahme beim "Fasten ohne zu fasten" bei 200 bis 400 Gramm am Tag.
Dritter Pfeiler im Mayr-Gebäude ist die milde Ableitungsdiät mit Hilfe von basenreicher Schonkost. Vollwertiges mit viel Ballaststoffen ist nach Mayr während dieser Zeit kontraproduktiv: "Rohkost und Obst sind Edelsteine, doch mit Edelsteinen pflastert man nicht seinen Hof". Zur großen Mayr-Kur (3-4 Wochen) gehören unbedingt begleitende Bauchmassagen (Darmgymnastik), am besten in einer Klinik oder ambulant unter ärztlicher Kontrolle. Vor allem bei chronischen Darmleiden, Verstopfung, Durchfall und Wirbelsäulenbeschwerden ist die Mayr-Kur indiziert.
Nach dem Fuhrunternehmer Johann Schroth (1789-1856) ist eine Kur benannt, die mit einer Kombination aus Diät, Dursttagen und Wasseranwendungen den Organismus umzustimmen und zu entschlacken versucht. Die positive Erfahrung mit feuchter Wärme bei seinen Kniebeschwerden und die Beobachtung, daß kranke Tiere instinktiv die Nahrung verweigern, haben Schroth's Ansatz geprägt. Schwitzpackungen, fett-, eiweiß- und salzarme Kost sowie der rhythmische Wechsel zwischen Trink- und Trockentagen sind die Besonderheiten der Schroth-Kur. Zur Steigerung der Durchblutung darf sogar löffelweise Weißwein "getrunken" werden. Speziell bei Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht, rheumatischen Erkrankungen und Hautleiden soll die Schroth-Kur helfen. Sie hat in Oberstaufen im Allgäu einen festen Platz und wird dort sowohl in Sanatorien als auch ambulant angeboten. Daß die Schroth-Kur eine Belastung der Leber mit sich bringt und keine ausreichende Darmreinigung einschließt, wird von Kritikern bemängelt.
Eine ebenso sanfte wie beliebte Reinigungsmethode ist die Felke-Kur, die der Pfarrer und Naturheiler Erdmann Leopold Emanuel Felke(1856-1926) aus Sobernheim begründete. Der berühmte Augendiagnostiker zeigte in der Krankenbehandlung große natürliche Begabung und vereinigte Lehmpackungen ("Lehmpastor"), Massagen und Hydrotherapie zusammen mit Fasten und/oder vegetarischer Kost zu einem ganzheitlichen Konzept.
Auf einer eigenständigen Theorie der Krankheitsentstehung basiert die Eiweißabbau-Diät ("Eiweißfasten") von Lothar Wendt (1907-1989). Der Facharzt für innere Medizin hat die geltende Lehre, nach der primär tierische Fette Arteriosklerose und Herzleiden begünstigen, zeitlebens in Frage gestellt. Wendt sah in einem Überangebot an Eiweiß und seiner Speicherung im Zwischenzell-Bindegewebe und im Blut die Hauptursache für Gefäßerkrankungen, Rheuma und Diabetes. Obwohl seine in empirischer Forschung gewonnenen Erkenntnisse nie widerlegt wurden, hat die orthodoxe Medizin sie bis heute nicht akzeptiert.
"In einer Zeitepoche, in der das Fleisch vergöttert wird", durfte sich Wendt über die Widerstände seiner Kollegen kaum wundern. Er empfahl völlige Abstinenz von tierischem Eiweiß wie Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern sowie von stark eiweißhaltigen Erzeugnissen aus Soja. Die streng vegetarische Kost soll über vier Wochen eingehalten werden und wird später durch eine gemischte Nahrung mit mäßigem Fleischanteil abgelöst. Wer nicht nur die Eiweißspeicher leeren, sondern gleichzeitig entfetten will, muß neben dem Protein- auch den Kaloriengehalt des Essens beachten. Auch Bohnen, Öl, Nüsse, Zucker und Brot (Getreide) sind in diesem Falle ganz vom Speiseplan zu streichen. Für die praktische Durchführung der Wendt-Diät stehen Nahrungsmittel-Tabellen und zahlreiche Rezepte zur Verfügung. Für Heranwachsende, Schwangere und stillende Mütter ist die Eiweißabbau-Diät nach Wendts Aussage nicht geeignet, da diese auch bei reichlicher Fleischernährung ihre Speicher nicht überfüllen.
Auch zehn Jahre nach Wendt's Tod geht das "Eiweiß-Gespenst" noch in der Bevölkerung um, das heißt die völlig irrationale Angst vor einem entsprechenden Mangel. Der ist allenfalls nach Operationen oder schweren Krankheiten möglich. Weil aber die meisten Menschen der westlichen Welt stark eiweißüberernährt sind - auch manche Vegetarier !!! - sind eiweißreiche Diäten wie Hollywood-Kur, Mayo- oder Lutz-Diät eher abzulehnen. Die dabei bevorzugte Kost ist arm an wichtigen Nähr- und Vitalstoffen, fade im Geschmack und besonders für Allergiker problematisch. Außerdem kann der hohe Eiweißanteil die Nieren belasten und den Harnsäurespiegel so weit erhöhen, daß Steinbildung und Gichtanfälle drohen.
Der verbreitete Eiweiß-Überschuß ist auch einer der Hauptgründe, warum der erfahrene Fastenarzt Hellmut Lützner die verschiedenen Formen der "aktiven Diätetik" nur unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll hält. Viel tiefgreifender sei die Entgiftung beim Fasten, sowohl in körperlicher als auch in seelischer Hinsicht. Nach Otto Buchinger hat Lützner das Fasten in Deutschland so populär gemacht wie kaum ein anderer. Sein 1976 erstmals erschienenes Buch ist heute noch ein Bestseller. Lützner führte das Fasten als Therapie in der Kurpark-Klinik am Bodensee ein, obwohl andere damals unkten, die Patienten würden davonlaufen. Der große Erfolg gab ihm recht. Inzwischen ist der 70-jährige Fastenkenner nur noch beratend für Ärzte und in der Fastenleiter-Ausbildung tätig. Acht Millionen Menschen haben in den vergangenen 20 Jahren nach Lützners (Buchingers) Vorgaben gefastet, "und nie ist etwas Ernsthaftes passiert".
Trotzdem hält sich hartnäckig das Vorurteil, fasten sei gefährlich. "Alle, die dies behaupten, haben es bezeichnenderweise nie selbst ausprobiert", so Lützner. Die extremste Form des Fastens, die Nulldiät, sei nurdurchmethodische Fehler in Mißkredit geraten. Dieses sogenannte "totale Fasten" mit Quell- und Mineralwasser (und/oder ungesüßtem Tee) verzichtet bei kurzer Dauer konsequent auf jede Energie- und Nährstoffzufuhr (null Kalorien), nur bei längerem Fasten werden Mineralstoffe substituiert. Der Eiweißverlust wird auf 1000 Gramm in vier Wochen beziffert, was bei Überernährten wünschenswert erscheint. Daß es dabei zum Abbau von Muskeleiweiß und irreparablen Schäden am Herzen kommen kann, wird von Fastengegnern immer wieder behauptet. Wer gesund ist und für ausreichende Atmung und Bewegung sorgt, braucht dies aber nach Meinung von Praktikern nicht zu befürchten. Der Körper sei klüger, als der oft unkundige Arzt denkt und baue nur die überflüssigen Eiweißspeicher ab, nicht aber das wertvolle Protein der Organe, die in Funktion sind.
Im Gegensatz zur Nulldiät wird das kombinierte Fasten nach Buchinger/Lützner mittlerweile von Ärzten und Krankenkassen anerkannt. Dank der Einnahme von Gemüsebrühen und Obstsäften beträgt die Energiezufuhr etwa 200 kcal pro Tag. Zitronen (1-2 pro Tag) liefern wertvolle Basen und halten die anfallende Harnsäure in Lösung. Unverzichtbar sind die gründliche Darmreinigung bei Fastenbeginn sowie regelmäßige Einläufe und Leberwickel während der Fastenzeit. Frische Luft und Ruhe oder Bewegung selbstverständlich auch. Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensweise und ein bewußteres Verhältnis zum Essen werden angestrebt. Nicht nur das Körpergefühl und die Geschmackssinne verändern sich, sondern auch der geistig-seelische Horizont. Für die meisten Menschen ist Fasten eine Zeit der Besinnung, die Gelegenheit gibt, ihr inneres und äußeres Milieu neu zu ordnen.
Wer sich zum Tee- und Saftfasten (noch) nicht entschließen kann, ist eventuell beim Schleimfasten besser aufgehoben. Eine Wochenendkur mit Gersten-, Hafer, Leinsamen- oder Reisschleim ist eine Wohltat für den Verdauungstrakt, beseitigt Unwohlsein und Schwäche, wirkt appetitanregend und regelt den Stuhlgang. Wer's gerne ayurvedisch mag, kann die Schleimsuppe mit Ingwer, Kurkuma oder gemahlenem Kreuzkümmel würzen und so die Giftausscheidung beschleunigen.
In Molke (aus Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch) sah schon der römische Arzt Galenus ein probates Heilmittel, das gegen Darmstörungen und Leberleiden kurmäßig verordnet wurde. Bei der klassischen Molke-Trink-Kur (Molkefasten) werden dem Körper mit der Flüssigkeit täglich acht Gramm molkeeigenes Eiweiß zugeführt. Frischpflanzensäfte aus Löwenzahn, Artischocke und Brennessel bringen die Leber auf Touren. Heute greift man bei der Molke-Kur häufig auf die mit Eiweiß angereicherte "Diätmolke" zurück. In diesem Falle spricht man besser nicht vom Molke-"Fasten", sondern von einer eiweißergänzten Molke-Diät.
Man muß übrigens nicht immer eine mehrtägige Fastenkur einlegen, wenn man das Bedürfnis nach innerer Reinigung verspürt. Auch einzelne Trink-, Obst oder Rohkosttage haben einen positiven Einfluß auf den Stoffwechsel und regen die Ausscheidungskräfte an.
Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, und welche Methode dem Einzelnen hilft, ist eine Frage der Neigung und mehr noch der individuellen Erfahrung. Gegenwärtig ist eine Unmenge von Literatur in Umlauf, die Laien zu Alleingängen in den eigenen vier Wänden animiert. Wie die Selbstmedikation erlebt auch die Selbstbehandlung einen wahren Boom. Dies pauschal zu bedauern, wäre unsinnig, übernehmen die Betroffenen doch Verantwortung für ihre Gesundheit. Dennoch begehen sie dabei nicht nur harmlose Fehler, und mitunter ist der Schaden größer als der Nutzen. Hilmar Burggrabe, der Leiter der Deutschen Fasten-Akademie (dfa), rät besonders Erstfastern, sich in die Obhut eines ausgebildeten Fastenleiters zu begeben. Zu oft schon hat er in seinen Kursen selbst von alten Fastenhasen hören müssen, daß sie vermeidbare Beschwerden wie Kopfschemerzen, Frösteln und nagende Hungergefühle für "normal" halten. Letzteres dürfte bei korrekter Durchführung des Fastens aber gar nicht vorkommen.
Eines ist wichtig: Selbständiges Fasten zu Hause, Fasten in Gruppen am Wohnort oder im Rahmen einer Seminarwoche ist immer "Fasten für Gesunde" und sollte auch als solches deklariert werden. Daß die Grenze zwischen krank und gesund oft nicht einfach zu ziehen ist und viele kleine Wehwehchen haben, die sie auf diese Weise zu kurieren hoffen, spielt keine Rolle. Fasten für Gesunde geschieht in eigener Verantwortung des Fastenden und dient der Vorbeugung oder allgemeinen Entlastung, nicht aber der Heilung von Krankheiten. Die gezielte therapeutische Anwendung des Fastens bei bestehenden Erkrankungen dagegen bezeichnet man als"Heilfasten", das unter ärztlicher Aufsicht in einer Klinik stattfinden sollte.
Hans Krautstein
Warum fasten?
Über die Grundlagen des Fastens als traditionsreicher Naturheilmethode haben wir schon in Schrot&Korn 2/96 ausführlich berichtet. Wer möchte, kann gegen Portogebühr eine Kopie dieses Artikels von uns erhalten. Näheres auf der aktiv-Seite dieser Ausgabe.
Literatur zum Thema
- Patricia und Paul C. Bragg: Wunder des Fastens, fit fürs Leben Verlag, Ritterhude 1998, 172 Seiten, DM 29,80.
- Hellmut Lützner, Helmut Million, Petra Hopfenzitz: Fasten, Verlag Gräfe und Unzer, München 1996, 269 Seiten, DM 19,80.
- Erich Rauch: Die Darmreinigung nach Dr. med. F.X. Mayr, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1998, 112 Seiten, DM 24,80.
- Lothar Wendt/Susanne Petri: Eiweißfasten - Die Eiweißabbau-Diät, Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1996, 196 Seiten, DM 29,80.
Kontakt
Wer mehr erfahren möchte über verschiedene Methoden des Fastens, Entschlackungskuren und strenge Diätetik, kann sich brieflich oder telefonisch an folgende Adresse wenden: Deutsche Fasten-Akademie (dfa), Dr. Hilmar Burggrabe, Stöckring 36, 71088 Holzgerlingen, Telefon 07031-602690.Eine Broschüre mit regionalen Adressen und Veranstaltungen zum Thema Abnehmen und Fasten bietet der UGB an. Das Faltblatt mit dem Titel "UGB-Wohlfühlprogramm" kann man bestellen beim: Verband für unabhängige Gesundheitsberater, Kepplerstraße 1, 35390 Gießen. Tel.: 0641/77785.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.