Kolumne

Das Glück, ein Mensch zu sein

Was haben ein Plüschhund, gezeichnete Porträts und Briefe gemeinsam? In seiner Kolumne geht Fred Grimm auf die Suche nach den kleinen unerwarteten Momenten im Leben.

Wo ist Ruff Ruff? WO IST RUFF RUFF??? Die kleine Juniper, gerade mal zwei Jahre alt und frisch zurück aus dem Urlaub, war verzweifelt. Ihr kleiner, schon reichlich abgeliebter Plüschhund musste doch irgendwo sein, aber wo? Nach stundenlanger Suche kamen die Eltern auf die Idee, in dem Hotel anzurufen, wo die Familie ihre Ferien verbracht hatte. Drei Tage später kam ein Paket.

Darin lagen Schokoladenkekse und Fotos, die Ruff Ruff zeigten: mit Sonnenbrille am Pool, am Telefon in der Rezeption, beim Fernsehen im frisch gemachten Hotelbett. Natürlich war auch der Plüschhund selbst mit dabei, dazu ein kleiner Brief: „Liebe Juniper! Danke, dass wir uns Ruff Ruff einen Tag lang ausleihen durften. Wie Du an den Fotos siehst, war er uns hier im Hotel eine große Hilfe!“

Portraits für Helden

Eines Abends stieß der Videospiel-Entwickler Steve Derrick auf den Instagram-Account frontlineheroes, der Krankenschwestern, -pfleger und Ärzte würdigte, die während der Coronakrise Übermenschliches leisten müssen. Derrick schaute in unzählige müde, abgekämpfte Gesichter, in den Blicken eine Mischung aus Überforderung und Stolz. Ab und an waren auch Tränen dabei. Derrick holte Palette und Farben heraus und begann, die Digitalfotos akribisch genau abzumalen. Als er einige Portraits beisammen hatte, kontaktierte er die Gemalten über die Sozialen Medien und fragte, ob er ihnen die Bilder kostenlos schicken dürfe. Inzwischen hat Steve Derrick über 100 dieser Coronahelden beschenkt. Eine Krankenschwester schrieb zurück, das Portrait sei „das Schönste, was ihr im Leben passiert ist“.

Man muss kein Maler sein wie Steve Derrick (bitte in einer Suchmaschine wie Ecosia recherchieren, die Portraits sind wirklich sehr anrührend und würdevoll). Man muss auch nicht im Hotel arbeiten und sich um vergessene Plüschtiere kümmern, um einem kleinen Kind eine große Freude zu machen. Oder einem großen eine kleine. Manchmal reichen dafür auch Zettel, Stift und Briefumschlag. In den USA schreiben seit einiger Zeit immer mehr Menschen Aufmunterungsbriefe an Unbekannte, die sie an allen möglichen Orten verstecken: in den Regalen von Buchläden, zwischen Melonen im Supermarkt, auf Parkbänken, in der Bahn oder im Café.

Ein wenig Licht in das Leben anderer zaubern.

Fred Grimm

Mal sind es längere Schreiben, in denen die Autoren von schwierigen Momenten in ihrem Leben erzählen und wie sie diese überwunden haben. Mal auch nur ganz kurze Botschaften wie „Du kannst es“ oder „Du bist gut so wie du bist“. Ein wenig Licht in das Leben anderer zaubern, das versuchen die Briefschreiber; wohl wissend, dass es die kleinen, unerwarteten Momente sind, in denen das große Glück aufscheint, ein Mensch zu sein.

Ich wünsche euch ein frisches, neues Jahr und viele gute Ideen, Wildfremden eine Freude zu machen.

Fred Grimm

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über gute grüne Vorsätze – und das, was dazwischenkommt. Als Kolumnist sucht er nach dem Schönen im Schlimmen und den besten Wegen hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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