Kolumne

Einfach mal: Danke!

Diesmal verrät euch Kolumnist Fred Grimm das wichtigste Wort aller Sprachen und lädt zu einem Experiment ein, das völlig neue Perspektiven aufwirft.

Ranglisten sollte man ja eigentlich mit Vorsicht genießen, insbesondere dann, wenn sie auf subjektiven Einschätzungen und nicht auf objektiv ermittelten Faktoren beruhen. Aber bei der Frage nach dem wichtigsten Wort in allen Sprachen kann es eigentlich keinen Zweifel geben: An „Danke“ führt kein Weg vorbei. Jede und jeder Reisende ist gut beraten, sich dieses Wort in der Sprache des Gastgeberlandes als erstes einzuprägen. „Nein“ oder „Ja“ können auch noch ziemlich wichtig sein, auf „Warum geht das nicht schneller?“ sollte man dagegen lieber verzichten, selbst wenn es nur an die Nordseeküste geht.

Dass einem das Wörtchen „Danke“ Türen und Herzen öffnen kann, wissen die Älteren von uns noch aus ihren Poesiealben, in denen diese Weisheit in unzähligen Textvariationen bemüht wurde, gern mit ein paar eingeklebten oder selbst gemalten Blümchen drum herum. Der Dank gehört zum ritualisierten Fundus unserer Gesellschaft, häufig ausgesprochen, selten wirklich ernst gemeint und manchmal – in seiner ironischen Wendung – Ausdruck eines passiv-aggressiven Charakters, der, dauerbeleidigt, das ewige Zukurzkommen beklagt. „Danke Merkel!“, „Danke für nichts“ und so weiter.

Dankesagen gehört zu den schönsten Privilegien des Menschseins überhaupt, zu jenen Dingen, die einem täglich klar machen können, warum es sich zu leben lohnt.

Dabei gehört das Dankesagen zu den schönsten Privilegien des Menschseins überhaupt, zu jenen Dingen, die einem täglich klar machen können, warum es sich zu leben lohnt. Ich schlage Ihnen ein Experiment vor: Gehen Sie jeden Tag so an, dass Sie, sagen wir, mindestens vierzehnmal aus vollem Herzen „Danke“ sagen können, so ganz bewusst mit Zählen und abends noch mal dran erinnern.

In den Bäckereien, im Supermarkt, im Bus oder wohin sonst einen der Alltag führt, ist der Dank zwar keine Ausnahme, aber auch längst nicht die Regel. Aussteigen und sich bei der Busfahrerin freundlich lächelnd für die Fahrt bedanken, mag einem erst einmal seltsam vorkommen, aber sich wenigstens ein bisschen zu vergegenwärtigen, wie viele Menschen einem tagtäglich das Leben erleichtern, ist schon mal kein schlechter Anfang. Man kann sich dafür bedanken, wenn man auf dem Rad auf dem Bürgersteig vorgelassen wird oder wenn jemand am Eingang zur U-Bahn gerade die Mülleimer leert. Auch Kolleginnen und Kollegen freuen sich über einen Dank für scheinbare Selbstverständlichkeiten.

Auf der Suche nach einem möglichen „Dankeschön“ durchs Leben zu gehen, verändert die Perspektive dramatisch. Viele von uns haben keine einfachen Zeiten hinter sich, fühlen sich zermürbt von Verlust, Sorgen und Einsamkeit. Aber auch sie haben durchgehalten, irgendwie, und schon allein dafür ein dankbares Lächeln verdient. Wer am Abend vierzehn Mal „Danke“ sagen konnte, hat wenigstens vierzehn seiner Mitmenschen signalisiert, wie gut es ist, dass es sie gibt. Das ist für einen Sommer, in dem wir hoffentlich langsam wieder zueinander finden, doch schon mal ein guter Start.

Fred Grimm

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über gute grüne Vorsätze – und das, was dazwischenkommt. Als Kolumnist sucht er nach dem Schönen im Schlimmen und den besten Wegen hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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