Die Bio-Branche umfasst viel mehr Akteure als der erste Blick vermuten lässt, und hinter jedem verbirgt sich eine große Vielfalt an Unternehmen und Berufsbildern. Das geht weit über den Beruf der Bio-Bäuerin oder des Öko-Winzers hinaus. Und manchmal führen verschlungene Pfade zum Traumjob. Mitja Seyffert zum Beispiel ist Projektkoordinator beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft BÖLW.
Ihm war lange nicht klar, was er mal werden wollte. Außer glücklich natürlich. Eher aus Verlegenheit als aus Überzeugung begann er nach dem Abitur, Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Doch als er im Laufe seines Studiums das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckte, zündete der Funke. Nach dem BWL-Studium sammelte er erste Berufserfahrung bei einer Nachhaltigkeitsbank, doch sein Wissenshunger trieb ihn zurück an die Universität. Sein Masterstudium „Integrated Natural Resource Management“ vermittelte ihm tiefe Einblicke in ökologische und soziale Aspekte des Wirtschaftens. Auf seine jetzige Stelle stieß er zufällig auf der Internetseite des Demeter-Verbandes.
Heute, 13 Jahre später, sucht er gemeinsam mit Handel, Bauern, Züchtern und Organisationen nach Möglichkeiten, wie Bio-Züchtung langfristig finanziert werden kann. Als er sich beim BÖLW bewarb, wusste er zwar nicht viel über Bio-Züchtung, aber er hatte ein starkes Motiv: „Wenn man für Bio und Nachhaltigkeit brennt, seine Stärken kennt, interessiert ist und richtig Lust hat – dann findet man hier einen Job mit Sinn.“ Und ergänzt: „Die Bio-Branche ist für mich ein Ort, an dem es nicht nur um Profit und Ellenbogen, sondern um ein gerechtes Miteinander und den Blick in die Zukunft geht.“
Die Bio-Branche ist für mich ein Ort, an dem es nicht nur um Profit und Ellenbogen, sondern um ein gerechtes Miteinander und den Blick in die Zukunft geht.
Was müssen Bewerber für einen Job in der Bio-Branche mitbringen?
Wird in der Branche vorausgesetzt, dass auch die eigene Lebensführung gewissen ethisch-ökologischen Ansprüchen gerecht wird? Hanjörg Bahmann vom Bio-Großhändler Weiling sieht das differenziert: „Wir haben 730 Mitarbeiter, die meisten davon im gewerblichen Bereich, vor allem in Lager und Logistik. Wir fänden niemals genug Personal, wenn wir von jedem unserer Mitarbeiter Interesse an Bio-Themen oder sogar eine spezifische Bio-Ausbildung erwarten würden. Im Verkauf und im Außendienst sieht das jedoch anders aus: Hier braucht es Überzeugungstäter.“
Ähnlich sieht es Markus Babel, Personaler bei Rapunzel: „Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn Bio für die BewerberInnen nicht völlig neu ist, allerdings verlangt nicht jede Stelle in gleichem Maß danach. So sollte ein Mitarbeiter der strategischen Rohstoffsicherung natürlich tiefer im Thema sein als etwa ein Mitarbeiter im Paketversand.“
Kati Drescher führt die Bio-PR-Agentur sieben&siebzig. Auch Ihre Anforderungen an die eigenen Mitarbeiter haben sich mit der Zeit gewandelt. Als „Öko-Sein“ noch jenseits des Mainstreams war, war es gar nicht so leicht, Personal zu finden, das zumindest ein gewisses Gespür für Nachhaltigkeitsthemen mitbrachte. „Meines Erachtens gibt es heute hingegen immer weniger echte ‚Quereinsteiger‘, die von Bio überhaupt keine Ahnung haben.“
Laut Bio-Personalexpertin Michaela Rosenberger gilt ganz besonders in der Bio-Branche: „Die Menschen müssen auch von der Persönlichkeit her zum Betrieb passen. In vielen Bio-Firmen herrscht ein besonderes Miteinander, oft wird von den Mitarbeitern mehr Eigenantrieb gefordert als vielleicht anderswo. Das ist nicht jedermanns Sache.“
Die besten Job-Börsen für Öko-Jobs & Bio-Jobs:
Arbeitgeber aus der Branche schalten hier ihre Stellenanzeigen:
- biojobs.de, die Jobbörse vom bio verlag in Kooperation mit Greenjobs.de
- biojobboerse.de
- jobverde.de
- oeko-stellenmarkt.de
- oekojobs.de
Oder schaut euch die Stellenangebote auf schrotundkorn.de an:
Durch Ausbildung zum Bio-Job
Wo Bio-Know-how benötigt wird, reicht es vielen Unternehmen, wenn die Bewerber echtes Interesse an Bio zeigen und bereit sind, sich weiterzubilden. Das ist auch in Handwerk und Verarbeitung wichtig.
Wer sich für eine Berufsausbildung in einem Bio-Unternehmen entscheidet, besucht zwar oft eine normale Berufsschule, lernt das spezifische Bio-Fachwissen jedoch direkt im Betrieb oder anhand zusätzlicher Fort- und Weiterbildungen. Letztere werden für Azubis oft vergünstigt angeboten und beispielsweise im Fall der Weiling-Akademie besonders auf sie zugeschnitten: weiling-akademie.de/zqn
Auszubildende im Einzel- oder Großhandel können alternativ beim Forum Berufsbildung einen Online-Fernlehrgang „Bio-Wissen Azubipaket“ belegen und so bereits früh in der Berufslaufbahn die Weichen in Richtung mehr Bio stellen: forum-berufsbildung.de
Im landwirtschaftlichen Bereich gibt es zudem die biologisch-dynamische Ausbildung, bei der die Theorie mit Bio-Schwerpunkt anhand mehrerer, vom Demeter-Verband organisierter Seminare und Tagungen vermittelt wird: biodynamische-ausbildung.de Und wer schon eine landwirtschaftliche Ausbildung hat, kann sich an sieben deutschlandweit verteilten Fachschulen im Bereich Öko-Landbau weiterqualifizieren.
Fort- und Weiterbildung in Öko-Jobs
Karin Sendl beschäftigt in ihrem „Biomichl“, einem Bio-Markt mit eigenem Bistro im oberbayerischen Weilheim, 70 Mitarbeiter. 60 davon haben unmittelbaren Kundenkontakt – und diese Kunden können anspruchsvolle Fragen stellen. Da kommt man um spezielle Bio-Warenkunde nicht drumherum. „Wer bei uns anfängt und noch keine Bio-Vorkenntnisse hat, erhält diese zunächst anhand einer Bio-Basisschulung, die mit einer Prüfung abschließt. Darüber hinaus gibt es je nach Arbeitsbereich interne und externe Schulungen, die zum Teil von unseren Lieferanten selbst organisiert werden. Denn es ist ja auch in deren Interesse, dass wir ihre Produkte gut verkaufen können.“
Die Fortbildungsmöglichkeiten für Naturkostfachberater sind vielfältig, man findet sie online und offline, berufsbegleitend oder in Vollzeit, mit Teilnahmebescheinigung oder IHK-Zertifikat (forum-berufsbildung.de; n-bnn.de/aus-und-fortbildung). Wem der direkte Kontakt zu Referenten und Gleichgesinnten wichtig ist, ist zum Beispiel in der Akademie Gesundes Leben im Taunus gut aufgehoben: Im Ambiente eines Bio-Hotels gibt’s hier ein vielfältiges Aus- und Weiterbildungsangebot (akademie-gesundes-leben.de). Das Bildungsnetzwerk Naturkost bietet in verschiedenen Formaten neben Bio-Warenkunde auch Kurse und Seminare für Kommunikation und Führungskompetenz an: binako.de
Bio studieren
Immer mehr Universitäten und Hochschulen bieten Studiengänge an, die ökologische Schwerpunkte setzen – sowohl im landwirtschaftlichen Bereich als auch was nachhaltiges Wirtschaften im Allgemeinen betrifft.
- Die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn bietet ein Masterstudium Wirtschaft nachhaltig gestalten sowie verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Bachelorstudiengänge mit nachhaltiger Ausrichtung an: alanus.edu
- An der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde kann man zum Beispiel ein Bachelorstudium in Öko-Landbau und Vermarktung oder ein Masterstudium in Öko-Agrarmanagement absolvieren: hnee.de
- Die TH Nürnberg hat seit 2016 das Bachelorstudium Management in der Bio-Branche im Studienangebot: th-nuernberg.de
- Am Außenstandort Witzenhausen der Universität Kassel kann man Ökologische Landwirtschaft sowohl als Bachelor als auch als Masterstudiengang wählen: uni-kassel.de
- An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf gibt es u.a. ein Agrar-Bachelorstudium mit Schwerpunkt ökologische Landwirtschaft und ein Masterstudium Agrarmanagement mit Fokus auf nachhaltige Wertschöpfungsketten: hswt.de
Von der Uni ins Bio-Unternehmen
Um Uni-Absolventen den Einstieg als Fach- und Führungskräfte in der Bio-Branche zu erleichtern, gibt es das einjährige, berufsbegleitende Trainee-Programm Ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft. Die Kombination aus „training-on-the-job“ im Bio-Unternehmen, Lern-Modulen per Online-Plattform und vier einwöchigen Präsenzseminaren mit renommierten Referenten vermittelt sowohl branchenspezifisches Fachwissen als auch Management-Know-how: traineeprogramm-oekolandbau.de
Arbeitgeber Bio-Branche
Wie viele Arbeitsplätze es in der Bio-Branche tatsächlich gibt, ist nicht erfasst. Aber aus den Kennzahlen zu Betrieben und zur Branche allgemein lässt sich ablesen: Da geht was.
- In den letzten 25 Jahren hat sich die Anzahl der Bio-Höfe auf 34.110 verfünffacht.
- 13% der Bio-Höfe verarbeiten ihre Erzeugnisse selbst, zusätzlich sind weitere 15.625 Firmen in der Verarbeitung, im Import und Handel von Bio-Produkten tätig.
- Mit knapp 12 Milliarden Euro machen Bio-Produkte 5,5% des gesamten Lebensmittelumsatzes aus.
- 28% des Bio-Umsatzes erwirtschaften die rund 2.270 Naturkostfachgeschäfte, 57% der Lebensmitteleinzelhandel, 15% Wochenmärkte, Hofläden, Metzgereien etc.
Verdient man im Bio-Job mehr Geld?
„In den meisten Unternehmensbereichen sind die Gehaltsstrukturen zwischen Bio-Firmen und konventionellen Betrieben inzwischen vergleichbar. In einigen Berufen, etwa in IT oder Marketing, verdienen Arbeitnehmer in der Bio-Branche jedoch im Schnitt noch deutlich weniger“, weiß Personalexpertin Michaela Rosenberger. Doch gutes Personal lässt sich längst nicht mehr nur mit Geld anlocken. „Bio-Betriebe machen ihren Mitarbeitern deutlich mehr Zusatzangebote, sei es gutes Bio-Essen, Einkaufsvergünstigungen oder flexible Arbeitszeitmodelle. Und gemeinsame Werte und ein freundliches Miteinander bilden für viele Menschen einen echten Mehrwert in ihrem Berufsalltag, auf den sie auch bei besserer Bezahlung nicht verzichten würden.“
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