Aus der Haut fahren zu wollen – dieses Gefühl kennt Fred Mayer nur allzu gut. In seiner Verzweiflung hat er sich schon blutig gekratzt, nur um den unerträglichen Juckreiz wenigstens kurzfristig durch Schmerz zu übertönen. Seit frühester Kindheit leidet der heute 28-Jährige an Neurodermitis, einer allergisch bedingten, chronisch entzündlichen Hauterkrankung, die sich in roten, schuppenden, manchmal nässenden Ekzemen äußert. Nach der Pubertät war Fred Mayer fast zehn Jahre beschwerdefrei – doch mit Mitte 20 brach die Krankheit erneut aus.
Um sein Leiden in den Griff zu bekommen, hat er vieles ausprobiert: Kortison, strenge Diäten, eine Klimakur am Meer – bislang mit wenig Erfolg. Nun hofft er auf den ganzheitlichen Ansatz der Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau. Dort beginnt der Aufenthalt für ihn mit einer Fastenkur. Dadurch fallen über die Nahrung aufgenommene Allergene weg, das Immunsystem kommt zur Ruhe, die Haut heilt ab.
Vegane Aufbaukost
Die anschließende vegane Aufbaukost mit wenigen, gut verträglichen Lebensmitteln schafft beste Voraussetzungen dafür, ernährungsbedingte Auslöser aufzuspüren. Auslassversuche und Provokationstests liefern nun aussagekräftige Ergebnisse. Auf dieser Grundlage erstellt Diplom-Ökotrophologe Peter Faulstich einen individuellen Ernährungsplan und unterstützt seinen Patienten mit vielen Tipps bei dessen Umsetzung. Dabei rät er zu möglichst naturbelassenen Produkten. „Wir verwenden hier nur Biolebensmittel und verarbeiten alles frisch. Dadurch entfallen die problematischen Zusatzstoffe, was den Allergendruck enorm reduziert.“
Wo die Schulmedizin auf die entzündungshemmende Wirkung des wegen seiner Nebenwirkungen umstrittenen Kortisons setzt und gegen den Juckreiz Antihistamin einsetzt, das so müde machen kann, dass es auch als Schlafmittel gehandelt wird, verordnet Dr. med. Joachim Wernicke bei akuten Hautbeschwerden homöopathische Mittel.
Spürsinn für die Haut entwickeln
Nahrungsmittel, Pollen, Staub, Stress, Wut, Angst: Die Auslöser für Neurodermitis sind vielfältig und individuell. Neben ärztlichen Tests ist deshalb auch eine intensive Selbstbeobachtung angesagt. Ein Tagebuch, in das alle Mahlzeiten, Pflegemittel, Aufenthaltsorte – aber auch Stimmungen und Erlebnisse – aufgezeichnet werden, kann dabei eine gute Hilfe sein.
Naturheilkundliche Therapie
Der erfahrene Naturarzt setzt die Homöopathie auch zur Unterstützung der körpereigenen Heilkräfte ein. Darüber hinaus wenden die Ärzte in Bad Brückenau ausleitende Verfahren wie Darmspülungen und warme Leberwickel an, um den Entgiftungsprozess zu verstärken, die mikrobiologische Therapie mit Darmbakterien soll beim Wiederaufbau einer gesunden Darmflora helfen.
Die Eigenbluttherapie, bei der dem Patienten etwas Blut entnommen und anschließend wieder intramuskulär gespritzt wird, setzen die Ärzte ein, um das Immunsystem anzuregen und die Symptome zu lindern. Bewegungsangebote, Gesprächstherapie und Meditation schließlich sollen chronischen Stress und psychische Belastungen lindern, die sowohl Auslöser als auch Folge der Neurodermitis sein können.
TCM und ambulante Therapie
Ebenfalls ganzheitlich, aber nach den Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), ergänzt durch westliche Naturheilkunde, behandelt die Klinik am Steigerwald Neurodermitispatienten mit gutem Erfolg. Die Klinik wurde 1996 von Dr. Christian Schmincke, einem der führenden Fachleute für chinesische Medizin in Deutschland, gegründet. Nach einer ausführlichen Diagnose setzt man hier auf Akupunktur zur Linderung der akuten Symptome.
Für die nachhaltige Behandlung der Ursachen stellt der TCM-Arzt aus Heilmitteln der chinesischen Arzneitherapie individuelle Rezepturen zusammen. Auch beim „Schwelmer Modell“ steht nicht die Haut im Mittelpunkt, sondern der ganze Mensch. Bei dieser ambulanten Therapie, die für Erwachsene und Kinder mit ihren Eltern konzipiert ist, treffen sich die Betroffenen etwa ein Jahr lang einmal wöchentlich in Gruppen.
Intensive Schulungen und Beratungen zu den Themen Allergie, Psychologie, Ernährungswissenschaft, Pädagogik und Entspannung sowie individuelle Beratungen ermöglichen ihnen, die Ursachen für die Erkrankung aufzuspüren und so zu verändern, dass sie beschwerdefrei und ohne Medikamente leben können. Das seit mehr als 20 Jahren praktizierte Modell zeigt, dass Behandlung und Lebensumstellung auch im Alltag machbar sind.
Auslöser minimieren
Jeder kann selbst viel tun, um die Auslöser und Verstärker in seinem Umfeld möglichst gering zu halten. So empfiehlt es sich etwa, in seiner Wohnung für ein staubarmes Milieu zu sorgen, alle Staubfänger und Teppichböden zu verbannen und mit speziellen Matratzen dafür zu sorgen, dass Hausstaubmilben keine Chance haben. Leichtes Bettzeug, dünne Kleidung und eine niedrige Schlaftemperatur minimieren nächtlichen Juckreiz. Auf Haustiere sollten Menschen, die an Neurodermitis leiden, wegen des großen Aller- genpotenzials besser verzichten. Bei Waschmitteln ist ebenso Vorsicht geboten wie bei Körperpflegeprodukten – hier muss jeder aus der großen Auswahl an allergikergeeigneten Mitteln das herausfinden, was er am besten verträgt.
Bei Fred Mayer hat sich dieser Aufwand gelohnt. Seit seiner Kur ist er beschwerdefrei und das Bedürfnis, aus der Haut zu fahren, hatte er – außer beim Fußballgucken – schon lange nicht mehr.
Das bringt Linderung
Bei einem Neurodermitisschub vermeidet man am besten alles, was die Haut noch mehr „erblühen“ lässt – und setzt auf Kühlen und Entspannen.
Kühlung und Entspannung:
Um den Juckreiz zu mildern, feuchte Tücher auflegen, kaltes Wasser über die Haut fließen oder kühle Luft aus dem Föhn darüberwehen lassen. Umschläge mit schwarzem oder grünem Tee bringen vielen Menschen Linderung. Den Tee mindestens zehn Minuten ziehen lassen, damit genügend Gerbstoffe freigesetzt werden. Zunächst vorsichtig auf Verträglichkeit testen. Kinder lassen sich mit Geschichten spielerisch ablenken. Auch bei Erwachsenen mindert alles, was Ablenkung bringt, vorübergehend den Juckreiz. Entspannungstechniken wie autogenes Training, Yoga, Atemübungen oder beruhigende Musik wirken zudem stressreduzierend und sind damit oft nah an der Ursache, nämlich psychischen Belastungen.
Nicht kratzen:
Statt dem starken Kratzbedürfnis nachzugeben, was den Juckreiz noch verstärkt und zu Infektionen führen kann, die juckenden Stellen lieber klopfen, kneifen, streicheln oder massieren. Auch mit dem Bearbeiten eines „Kratzhölzchens“ oder einer anderen geeigneten Oberfläche kann gut Spannung abgebaut werden, denn die Bewegung signalisiert dem Gehirn, dass sein Kratzbefehl ausgeführt wurde.
Wiege des Immunsystems
Spielt die Haut verrückt, ist meist auch die Darmschleimhaut angegriffen. Ist sie entzündet, wird sie durchlässig für Stoffe, die im Körper Allergien auslösen können. Deshalb ist bei Neurodermitis eine Darm- sanierung sinnvoll. Fasten, Reiskur und ausleitende Methoden beruhigen die gereizte Schleimhaut. Regeneriert sich die Darmflora, kommt auch das Immunsystem zur Ruhe. Die Symptome klingen ab und die Haut kann heilen.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.