Interview

Worüber lachen wir heute, Annette Frier?

Die Comedienne über Klimaschutz beim Abendbrot, Tagebuchschreiben am Morgen und wie sich Humor seit den Nullerjahren verändert hat.

Du willst dich für den Klimaschutz motivieren, statt zu verzichten. Wie spornst du dich an? 
„Motivation“ macht ja schon beim Hören des Wortes mehr Spaß als „Verzicht“. Aktuelles Beispiel bei uns zu Hause ist der Rasen vorm Fenster. Bisher wird da einigermaßen regelmäßig gemäht, außer Arbeit und „Wer macht’s?“ steckt da also nicht viel drin an Zuwendung. Jetzt planen wir dort ein kleines Kreislaufsystem, Stichwort Permakultur, was langfristig aber Biodiversität bei relativ geringem Aufwand bedeutet, beides Aspekte, die mich sofort motivieren. Es ist so viel besser für etwas zu sein als dagegen. 

Du hast für die ARD-Doku „Wir können auch anders“ Menschen besucht, die an Lösungen für den Klimaschutz tüfteln. Hat dich das motiviert? 
Schon, unser Haus wird Stück für Stück energiesparender. Nach Solarpanelen haben wir nach den Dreharbeiten zur Doku tatsächlich die lang diskutierte Wärmepumpe bestellt. Aufgrund der verschiedenen Gespräche mit Fachleuten war uns das Prinzip schließlich einfach zu einleuchtend, als dass wir es weiter verschieben wollten. 

Das klingt toll!
Ja, aber gleichzeitig fahren wir noch zwei Autos und ich esse Fleisch – immerhin wesentlich weniger als vor fünf Jahren. Es sind kleine Schritte, die ich gehe. Da ertrage ich auch jeden Shitstorm, wenn ich mit einem innerdeutschen Flug gelandet bin und hinter mir jemand sagt: Ausgerechnet Sie, Frau Frier! 

Welche Rolle spielt Bio bei dir und in deiner Familie?
Wir versuchen so viel wie möglich in Bio-Qualität zu kaufen. Ich denke, das haben wir mittlerweile alle verstanden, dass es sehr sinnvoll und im Interesse meiner und der Zukunft meiner Kinder ist, Pestizide und Chemikalien wegzulassen, wo es geht.

Deine beiden Kinder sind Teenies. Wird beim Abendbrot auch mal über Klimaschutz gestritten?
Wir lassen beim Streiten momentan kein Thema aus. Und Klimaschutz gehört natürlich dazu, weil das bei jedem zweiten Schulprojekt Thema ist. Das finde ich gut – und gleichzeitig habe ich auch manchmal Angst um die Heiterkeit meiner Kinder, weil das Damoklesschwert Klimakrise permanent über uns hängt. Das muss man erst mal tragen als Kind. 

Zur Person:

Portrait von Annette Frier vor rosa Hintergrund.

Nach ihrem Schauspielstudium spielte Frier zunächst an verschiedenen Theatern. In den 2000ern startete sie in den Comedy-Formaten „Switch“ und „Wochenshow“ durch. Es folgten Serien und Komödien wie „Merz gegen Merz“. Für ihre Rolle der Danni Lowinski erhielt sie den deutschen Fernsehpreis.

Du bist schon über 25 Jahre in der Comedy-Branche. Wie hat sich Humor seitdem verändert?  
Humor hat schon immer eine wichtige Rolle in der Gesellschaft gespielt, genau wie Kunst. Humor ist wie ein Botenstoff, der alles erträglicher macht. Aber früher hieß es salopp gesagt: Hauptsache lustig. Und das ist heute nicht mehr so. 

Worüber lachen wir heute und worüber nicht mehr? 
Comedy soll heute nicht nur lustig sein, sondern auch eine Botschaft haben. Die steht aber manchmal im Weg, ein guter Witz braucht andererseits ja bekanntlich keine Botschaft. Gut finde ich, dass wir heute viele Witze weglassen, die auf Kosten von anderen gehen. Anfang der 2000er gab es eine alltägliche Diskriminierung in der Comedy und ich habe oft mitgemacht, weil ich das überhaupt nicht in Frage stellte. In den letzten Jahren habe ich mehr Sensibilität entwickelt. Darüber bin ich sehr froh. 

Was Humor darf und wann er diskriminierend ist, wird aktuell viel verhandelt. Wo ziehst du die Grenze? 
Ich ziehe sie einfach immer wieder neu.  Recherche, Infragestellen von gelernten Mustern. Aber das Zünglein an der Waage ist meine Intuition: Wenn mir etwas wichtig ist und ich mir das Thema von allen Seiten angeguckt habe, dann stehe ich dazu. Aber wenn ich auch nur den Hauch eines Zweifels habe, dann lasse ich den Witz lieber weg. Da muss ich mich auf mein Gespür verlassen. Wie siehst du das?

Ich denke auch, dass die meisten Menschen spüren, wo die Grenze des Humors ist. Aber der Zeitgeist beeinflusst unsere Intuition. Ist sie nicht ein Spiegel der Gesellschaft?  
Das ist ein guter Hinweis. Die Moral richtet sich immer nach der aktuellen Debatte. Und ich darf mich darauf nicht blind verlassen. Aber ich glaube auch, dass wir im Jahr 2024 weiter sind als 2000, was unsere Intuition angeht. Weil wir uns heute viel mehr mit unserem Innenleben beschäftigen. 

„Wenn ich nur den Hauch eins Zweifels habe, lasse ich den Witz lieber weg."

Annette Frier

Du hast mal in einem Interview erzählt, dass du eine starke innere Kritikerin hast. Wie gehst du mit ihr um?  
Ich schleudere ihr gern entgegen: Das sage ich auf keinen Fall ab, nur weil du meinst, ich bin dafür nicht gut genug! Aber oft sind es zähe Verhandlungsrunden, denn die innere Kritikerin oder die Angst hat ja auch einen Grund: Sie bewahrt uns vor vielem. Ich denke, es kommt darauf an, zu welchem Anteil wir diese Gefühle zulassen. 

Du schreibst regelmäßig Tagebuch. Wie kam es dazu? 
Ich überlege jeden Morgen, was ich anziehe oder frühstücke. Aber ich habe mich lange nicht darum gekümmert, mental gut in den Tag zu starten. Deshalb habe ich recherchiert, wie das andere Leute angehen und mir ein paar Dinge rausgepickt. Inzwischen meditiere ich morgens, mache ein bisschen Sport und schreibe Morningpages, um die Dinge in meinem Kopf zu klären, bevor der Tag losgeht.

Du engagierst dich auch sozial – aktuell als Botschafterin für die UNO-Flüchtlingshilfe. Was ist dir dabei wichtig?
Mich überzeugt es, die Probleme unserer Welt global anzugehen. Die UNO-Flüchtlingshilfe hat ein Notfallprogramm mit einer Logistik, die es erlaubt, innerhalb von 72 Stunden vor Ort zu sein, um Menschenleben zu retten. Und zwar in 135 Ländern der Welt. Ich hoffe, dass mein Mini-Beitrag etwas zu diesem tollen Engagement beisteuern kann.  


Was steht als Nächstes bei dir an?
Ich spiele im Film „Feste & Freunde“ von David Wissen mit, der am 2. Januar in die Kinos kommt. Darin wird eine Clique von acht Freunden vier Jahre begleitet. Ab Mitte Dezember läuft der animierte Film „Die Heinzels“ über die Kölner Heinzelmännchen im Kino, in dem ich die Gegenspielerin spreche.

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