Leben

Also los!

Das Leben fordert dauernd neue Höchstleistungen – aber im Ziel gibt's dafür viel zu wenig Applaus, findet unsere Kolumnistin Jutta Koch. Sie hat jetzt eine Laufuhr, und die kann sogar jubeln.

Manchmal frage ich mich, ob meine neue Laufuhr wirklich nur meine Schritte zählt und den Puls misst. Oder ob sie nicht vielmehr in direktem Kontakt mit meinen Gehirnzellen steht. Gerade als ich beginnen will Ihnen zu schreiben – noch unschlüssig, welcher Einstieg der richtige ist – brummt sie kurz. Auf dem Display erscheint die unmissverständliche Botschaft „Los!“. Also los!

Natürlich weiß ich, was mir die Uhr eigentlich sagen will: Runter vom Schreibtischstuhl, rein in die Laufschuhe. Denn wenn’s nach ihr geht, dann habe ich heute noch viel vor. Nämlich 12.800 Schritte.

Technische Urzeit – von wegen!

Die Uhr war ein Weihnachtsgeschenk, und ich war begeistert. Noch begeisterter war allerdings mein siebenjähriger Sohn. Der hatte über meinen Mann und mich unlängst noch gesagt: „Technisch sind die beiden in der Urzeit stecken geblieben.“ Ha! Mit dem enormen Fortschritt an meinem Handgelenk hatte er nicht gerechnet. Ich verriet der Uhr mein Alter, meine Größe und mein Gewicht, und sie sagte mir, wie viele Schritte ich täglich tun sollte: 7.900. Womit die Uhr und ich wiederum nicht gerechnet hatten: Mein Sohn quatschte mir das Hightech-Gerät sofort ab, um einen Tag lang unglaublich ausdauernd damit herumzurennen. Stattliche 18.000 Schritte zählte die Uhr am Abend – und stufte mich natürlich sofort hoch. Jetzt fordert sie täglich neue Höchstleistungen von mir.

An freien Tagen schaffe ich’s – die verbringe ich seither nur noch in Bewegung. Knifflig wird’s im Homeoffice. Auf dem Bürostuhl ist der Bewegungsradius kleiner als in einer Flugzeugtoilette. Und alle 15 Minuten drei Runden um den Schreibtisch zu rennen, erscheint mir abwegig.

Ansporn und Applaus

Großartig dagegen sind die Momente, wenn ich die absurd hohe Zahl an Schritten erreiche, die die neue Uhr von mir verlangt. Dann vibriert sie und zeigt mir an: „Ziel erreicht!“ Dazu gibt’s ein kleines Feuerwerk. „Firlefanz“, sagen Sie? Ich stimme Ihnen im Prinzip zu.

Trotzdem muss ich gestehen: Die Mischung aus Ansporn und Applaus tut richtig gut. Beides gibt’s in meinem Alltag viel zu selten, und vielleicht geht es Ihnen da ähnlich: Jede und jeder von uns kriegt jeden Tag jede Menge geregelt. Und nie sagt man danach zu sich selbst: Gut gemacht! Das übernehme ich jetzt mal für Sie und schicke Ihnen ein fröhliches „Bravo!“ für all das, was Sie heute schon gewuppt haben. Jetzt muss ich leider dringend weg. Mein Kolumnen-Ziel habe ich erreicht. Aber es sind noch ein paar Tausend Schritte bis zum Feuerwerk am Handgelenk.

Jutta Koch (41) ist Redakteurin beim Naturkosmetik-Magazin cosmia. Als Kolumnistin erzählt sie aus ihrem Leben mit Job, Zwillingen und allem Übrigen zwischen Wonne und Wahnsinn.

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