Interview

Alexandra Burghardt: „Ich habe gelernt, groß zu denken“

Weltklassesprinterin Alexandra Burghardt über ihren Ausflug in den Bob-Sport und wie sie die richtige Balance findet.

Etwas über ein Jahr ist es her, dass Alexandra Burghardt für Furore sorgte, als sie innerhalbvon wenigen Monaten sowohlbei den olympischen Sommer- als auchbei den Winterspielen gestartet ist, imSprint und als Anschieberin beim Bob. Dass die Sportlerin vielseitig interessiertist und dabei auf jedes Detail achtet, merkt man beim Gespräch sofort.

Wie kamst du auf die Idee, im Winter als Anschieberin im Zweier-Bob anzutreten?
Witzigerweise war das gar nicht meine Idee. Ich bin im Laufe meiner Karriere schon öfter gefragt worden, ob ich das machen würde. Es ist auch gar nicht so unüblich, dass Sprinter von Bob-Teams gefragt werden. Und vor zwei Jahren, nachdem ich mir den Traum von Olympia in Tokio erfüllt hatte, wurde ich wieder gefragt. Nach Rücksprache mit meinem Mann und meinem Trainer habe ich dann zugesagt.

Was hat diese Erfahrung mit dir gemacht?
Ich bin da natürlich schon ein Risiko eingegangen. Aber die Pilotin Mariama Jamanka hat mir von Anfang an ein super Gefühl gegeben. Sie war ja amtierende Olympiasiegerin zu der Zeit. Natürlich war der Druck dann groß. Ich musste in kurzer Zeit viel lernen, aber das Team hat mich in allen Bereich unterstützt. Da gab es sogar nationenübergreifende Hilfe.

Würdest du so ein Experiment nochmal machen?
Das Ganze war als einmaliges Erlebnis gedacht, weil es körperlich und auch mental sehr fordernd war. Außerdem musste mein Privatleben zurückstecken, da habe ich schon gemerkt, dass das jetzt kein Dauerzustand sein kann, zwei Sportarten gleichzeitig zu machen. Rückblickend würde ich mich aber jederzeit wieder so entscheiden.

„Es geht darum, Geist und Körper zu trainieren.“

Sprinterin Alexandra Burghardt

Du hast dann auch deinen Trainingsablauf verändert.
Das war schon ein wenig vorher. 2020 als die Spiele ursprünglich stattfinden sollten, hatten mich Rückenbeschwerden geplagt. Wären die Spiele wie geplant gelaufen, hätte ich die Qualifikation nicht geschafft. Die Verschiebung hat mir Zeit gegeben, mich auszukurieren und meinen Trainingsplan umzustellen. Mein Trainer und ich haben einen Stein nach dem anderen umgedreht und dann viel mit Regeneration, Schlaf und Ernährung gemacht.

Schlaf?

Ja, ich habe damit angefangen meinen Schlaf mit Hilfe einer Uhr zu tracken. Die teilt mir dann morgens via Ampel-System mit, wie erholsam der Schlaf war. Am Anfang war ich ständig rot. Ich habe dann herausgefunden, dass sich ein niedriger Ruhepuls und eine stabile Herzschlagvariabilität, also die Variation der Zeiten zwischen aufeinander folgenden regulären Herzschlägen, positiv auf meinen Schlaf auswirken. Das sind wichtige Kenngrößen für eine gute Regeneration im Schlaf.

Hast du Schlaftipps für Hobbysportler?

Acht Stunden Schlaf sollten es schon sein und die letzte Mahlzeit sollten wir am besten drei Stunden vorm Ins-Bettgehen zu uns nehmen. Auch wichtig: Wasser trinken statt Alkohol oder zuckerhaltige Getränke. Ich merke es zum Beispiel sofort, wenn ich ein Glas Wein trinke. Dann steigt mein Ruhepuls von 50 gleich auf über 60.

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Inwiefern hilft Ernährung bei derRegeneration?
Ich bin inzwischen echt so etwas wie ein Ernährungsprofi. Es ist im Grunde ganz einfach: Wenn ich meinem Körper alles abverlange, muss ich ihn mit hochwertigen Produkten fördern. Daher versuche ich auf verarbeitete Lebensmittel zu verzichten und ernähre mich seit einigen Jahren hauptsächlich mit frischen Bio-Produkten, die ich meistens selbst zubereite – gerne auf Vorrat, denn gerade Kohlenhydrate sind tags drauf viel besser für den Körper.

Wie sieht dein Ernährungsplangenau aus?

Hauptsächlich vegetarisch. Ich mache hin und wieder Ausnahmen, wenn ich weiß, dass das Tier ein schönes Leben hatte. Auch bei einem schönen Stück Bio-Lachs sage ich nicht grundsätzlich Nein. Eben alles in Maßen. Ich halte nicht viel davon, sich Regeln aufzuerlegen und dann unglücklich zu sein. Manchmal esse ich auch Schokolade. Ich glaube so etwas braucht´s, um mental entspannt und ausgeglichen zu sein.

Zur Person

Alexandra Burghardt ist eine der schnellsten Frauen Deutschlands. 1994 in Mühldorf am Inn geboren entdeckte Burghardt früh ihr Talent, sammelte Medaillen in Juniorenwettbewerben. Im Jahr 2022 gewann sie einen kompletten Medaillensatz: Erst Silber im Zweier-Bob bei den Olympischen Spielen in Peking, dann Bronze beiden Weltmeisterschaften in der 4-mal-100-Meter-Staffel und schließlich Gold bei den Europameisterschaften in derselben Disziplin. Seit 2022 ist die Athletin Markenbotschafterindes Bio-Herstellers Antersdorfer Mühle.

Du hast auch einen Mental-Trainer. Was habt ihr verbessert?
Im Groben haben wir negative Glaubenssätze in positive umgewandelt. Dabei ging es darum, negative Gedanken zu ersetzen, etwa dass ich hintenraus wieder eingeholt werde. Ich habe gelernt, groß zu denken und mich nicht immer gleich zu limitieren. Ich weiß ja, wasin mir schlummert. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis ich es dann in Drucksituation auch umsetzen kann. Eine Einsicht, die mich mein Leben lang begleiten wird.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Das ist ein ständiger Prozess. Vor einemStart mache ich zum Beispiel die Augen zu und gehe den Lauf im Geiste immer wieder durch. Je häufiger ich das mache, um so wahrscheinlicher ist es, dass es in der Praxis auch funktioniert. Ich visualisiere tatsächlich aus allen Perspektiven, sogar in Zeitlupe.

Das funktioniert?

Auf jeden Fall. Letztens habe ich jemanden beim Start ein, zwei Tipps gegeben und bin beim Start dann selbst viel besser rausgekommen. Es geht wirklich auch darum, den Geist zu trainieren, nicht nur den Körper.

Welche Ziele hast du noch als Spitzensportlerin?
Ich will auf jeden Fall die Elf-Sekunden-Marke knacken, momentan liegt meine Bestzeit über 100 Meter bei 11,01Sekunden. Das würde ich gerne schon in diesem Sommer bei den Weltmeisterschaften in Ungarn schaffen.

Was machst du, wenn deine aktive Sportlerinnen-Karriere vorbei ist?

Ich weiß es noch nicht genau. Ich habe viele Interessen. Aber zuerst möchte ich mich wieder mehr um Freunde und Familie kümmern. Die haben meine ganze Karriere Rücksicht auf mich genommen, ihr Leben um meinen Terminplan herumgeplant. Diesen Menschen möchte ich etwas zurückgeben und mehr Zeit mit ihnen verbringen.

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