Kosmetik

Schadet Titandioxid in Kosmetik?

Das weiße Pigment Titandioxid ist jetzt für Lebensmittel verboten. Es steckt aber auch in Sonnenschutzmitteln und Zahnpasta, Lippenstift und losem Puder.

Was ist Titandioxid und wo steckt es drin?

Wenn ihr euch in eurem Zimmer umschaut, seht ihr überall Titandioxid. Das metallische Pigment lässt Wände strahlend weiß leuchten und färbt Plastik oder Papier weiß. Auch im Badezimmer findet ihr Titandioxid: Als mineralischer Filter steckt es in Naturkosmetik-Sonnencremes, um die Haut vor der UV-Strahlung der Sonne zu schützen. Zudem ist der weiße Farbstoff unter dem Kürzel CI 77891 auch in Zahncremes, Lippenstiften und Lipgloss sowie in weiterer dekorativer Kosmetik enthalten.

Ist Titandioxid in Kosmetik unbedenklich?

Jahrelang galt TiO2 – so die chemische Abkürzung – als harmlos. Doch nun steht der Stoff unter Krebsverdacht. Und viele Menschen fragen sich, ob sie noch guten Gewissens Kosmetik mit Titandioxid kaufen können.

Die schnelle Antwort: Ja, aber vorsorglich bitte nicht einatmen oder verschlucken. Denn für die Sicherheitsbewertung von TiO2 ist entscheidend, wie es angewandt wird – und für Kosmetik steht sie noch aus.

Warum das Einatmen von Titandioxid trotzdem gefährlich sein kann

Titandioxid strahlt besonders weiß und deckt besonders gut, wenn die Pigmente sehr klein sind. Deshalb werden sie bei der Herstellung fein vermahlen, bis sie nur noch etwa 300 Nanometer groß sind – und damit noch kleiner als Bakterien. Werden so kleine, aber feste Partikelchen eingeatmet, können sie in der Lunge Entzündungen auslösen und zu Krebs führen. Bereits 2006 bewertete deshalb die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation TiO2 als „möglicherweise krebserregend“ beim Einatmen.

Zehn Jahre später nahm sich die Europäische Chemikalienagentur ECHA den Stoff vor und stufte ihn schließlich 2020 als krebsverdächtige Substanz beim Einatmen ein. Relevant ist das für Menschen, die solche Pigmente herstellen oder sie aus Lackdosen versprühen. Deshalb tragen sie bei der Arbeit üblicherweise Masken.

Warum ist Titandioxid für Lebensmittel verboten?

Als Zusatzstoff E171 färbt Titandi­oxid auch Lebensmittel weiß, vom Mozzarella bis zum Kaugummi. Noch 2016 hielt die Lebensmittelbehörde EFSA der EU den Stoff für sicher. Doch in einem neuen Gutachten vom Mai 2021 änderte sie ihre Meinung und erklärte, sie könne „nicht sicher ausschließen“, dass Titandioxid toxisch auf das Erbgut wirke. Zwar seien die über die Nahrung aufgenommenen Mengen gering, doch ob TiO2 sich im Körper anreichert, sei nicht sicher auszuschließen, so die EFSA-Experten. Daraufhin zog die EU-Kommission den Zusatzstoff aus dem Verkehr. Bis August 2022 dürfen Lebensmittel damit noch hergestellt und bis Ende ihres Mindesthaltbarkeitsdatums verkauft werden.

Ist Titandioxid in Sonnenschutzmitteln unbedenklich?

Das Verbot von E171 sorgte für viel Wirbel und warf die Frage auf, ob auch andere Anwendungen von TiO2, etwa in der Kosmetik, gefährlich seien. Die wichtigste Antwort darauf: Anders als in der Atemluft und im Essen macht Titandioxid auf der Haut weiterhin keine Probleme. Das ist eine gute Nachricht für alle, die chemische UV-Filter aus guten Gründen meiden. Denn Titandioxid ist neben Zinkoxid der wichtigste mineralische UV-Filter. Die winzigen Pigmente reflektieren das Sonnenlicht und schützen so die Haut vor UV-Strahlen.

Damit punktet Naturkosmetik-Sonnenschutz

Chemisch-synthetische UV-Filter dringen in die Haut ein und wandeln dort UV-Strahlen in Infrarotstrahlung – also Wärme – um. Allerdings bleiben sie nicht in der Haut, sondern wandern weiter in den Körper. Die Substanzen lassen sich im Blut nachweisen und auch in Muttermilch.

Über mögliche Gefahren ist wenig bekannt. Einige Filter stehen im Verdacht, im Körper wie Hormone zu wirken. Wissenschaftler der Universität Kopenhagen haben festgestellt, dass 13 von 29 getesteten chemischen UV-Filtern die Funktion der Spermien stören und damit die Fruchtbarkeit bei Männern beeinträchtigen könnten – darunter weit verbreitete Wirkstoffe wie Octylsalicylat und Avobenzon. Zudem tragen Octinoxat, Oxybenzon und Octocrylen dazu bei, Korallenriffe zu zerstören. Diese Belastungen lassen sich mit den mineralischen UV-Filtern Titandioxid und Zinkoxid vermeiden. Allerdings können nano-kleine Mineralfilter Fischen und Wasserorganismen Schaden zufügen.

Ihr wollt noch mehr wissen? Darum sind manche UV-Filter besser als andere.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass TiO2-Partikel – anders als synthetische UV-Filter – auf der Haut bleiben und nicht tiefer in den Körper eindringen. Das gilt für gesunde Haut ebenso wie für Haut, die schon einen Sonnenbrand abbekommen hat.

Das gilt für nano-kleines Titandioxid

Auch Titandioxid bleibt in der Nano-Form auf der Haut liegen und dringt nicht durch sie in den Körper ein. Als Nanoteilchen werden die TiO2-Pigmente erst dann bezeichnet, wenn die Mehrzahl der Teilchen kleiner als 100 Nanometer sind, also so winzig wie ein Virus. Das ist nur bei eigens produziertem Nano-Material der Fall. Solches Titandioxid verliert seine weiße Farbe und wird durchsichtig, spiegelt aber dennoch das UV-Licht zurück. Deshalb hinterlassen Sonnencremes mit Nano-Titandioxid keinen weiß-violetten Schimmer auf der Haut.

Die Naturkosmetik-Standards erlauben Nano-TiO2 im Sonnenschutz. Wer die Nano-Form nutzt, muss das laut Kosmetikverordnung in der Zutatenliste deklarieren. Viele Naturkosmetik-Hersteller verzichten nach eigenen Angaben darauf. Damit ihre Sonnenschutzmittel nicht so stark Weißeln, ummanteln sie die Pigmente oder mischen sie mit tönenden Pflanzenstoffen. Unsichtbar werden sie dadurch aber nicht.

Nano oder nicht? Das sagen Naturkosmetik-Hersteller

Verbraucherzeitschriften wie Ökotest reklamieren regelmäßig, dass einige Naturkosmetik-Hersteller zwar Nano-TiO₂ im Sonnenschutz einsetzen, dies aber nicht angeben. Dabei geht es nicht um die Gesundheit, denn Titandioxid bleibt auf der Haut liegen, auch in der Nano-Form, sondern vorrangig um die Deklaration. Wir haben bei zwei Herstellern nachgefragt.

Lavera schrieb, man verwende grundsätzlich „non-nano“-UV-Filter mit „non-nano“-Zertifikaten von den Rohstoffherstellern. Diese würden die Partikelgrößen gemäß DIN ISO 13320 mittels Laserlichtbeugung ermitteln. Ökotest erzeuge „mit einer nicht geeigneten Messmethode per Ultraschallsonde, bei der es zur Zerstörung der Produkt-Probe kommt, Partikel, die so in dem Produkt nicht enthalten sind“. Daher sei die Deklaration von Lavera auf dem Produkt ohne den Zusatz „nano“ korrekt.

Auch Wala, Hersteller von Dr. Hauschka, sagte, dass die gemessene Partikelgröße stark von der verwendeten Messmethode abhänge. Das Unternehmen habe deshalb für „non-nano-UV-Filter“ eigene Messungen in renommierten Testlaboren mit etablierten Methoden durchführen lassen. Dabei habe sich gezeigt, „dass alle geprüften UV-Filter als nano zu deklarieren sind“, weshalb auf den Sonnenschutzprodukten von Dr. Hauschka „Titanium Dioxide (Nano)“ gekennzeichnet wird.

Was ist mit Rouge, Mascara und Puder?

In dekorativer Kosmetik spielt Nano-TiO2 keine Rolle, denn dort sollen die Pigmente ja weiß leuchten. Dabei werden sie nicht nur zum Abmischen eingesetzt, etwa für ein sattes Rosa. Eine Prise Titandioxid verstärkt auch die Deckkraft der anderen Farbstoffe und lässt sie glänzen. Eine Wirkung, die andere weiße Pigmente wie Zinkoxid nicht haben. Das macht es für die Hersteller schwer, Titandioxid zu ersetzen. Müssen sie auch nicht, denn für die Pigmente in Rouge oder Mascara gilt ebenfalls, dass sie auf der Haut bleiben und nicht in den Körper gelangen.

Anders ist das bei losen Pudern, denn die können stauben. Die Experten der EFSA halten trotzdem bis zu 25 Prozent TiO2 in Puder für sicher. Bei Haarstyling-Spray allerdings seien solche Mengen „nicht sicher“, stellten sie im Oktober 2020 fest. Hier empfiehlt die EFSA, dass maximal 1,4 Prozent Titandioxid in der Rezeptur für Glanz sorgen darf.

Schadet Titandioxid in Lippenstift und Zahnpasta?

Gegessen werden Kosmetikprodukte nicht – wohl aber versehentlich verschluckt. Das kann bei Zahnpasta passieren und bei Lippenstift. Hier lässt es sich nicht ausschließen, dass Titandioxid beim unbewussten Ablecken der Lippen in den Magen gelangt. Immerhin 57 Milligramm Lippenstift können das pro Tag sein, hat die EFSA abgeschätzt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt, es könne nicht beurteilen, ob die Bewertung der EFSA zu E171 in Lebensmitteln auf Titandioxid als Farbstoff in Kosmetika übertragbar sei. Deshalb empfiehlt es den EFSA-Experten zu prüfen, ob TiO2 in Lippenstiften und Zahncremes sicher ist.

Geht es ohne das Weißpigment?

Doch Alternativen sind für dekorative Kosmetik Mangelware, sagen die Hersteller. „Die einzige Möglichkeit, die wir momentan haben, wäre ein Verzicht auf den Farbstoff und dementsprechende Einbußen in der Optik, Deckkraft und Farbvielfalt der Lippenprodukte“, heißt es etwa bei Benecos. Laut Dr. Hauschka „arbeiten Rohstoffhersteller an diesem Thema und können bisher keine zufriedenstellende Antwort bereitstellen“. Leichter fällt ein Ersatz bei Zahnpasta, da Titandioxid darin nur für die weiße Farbe sorgt. Hier gibt es bereits Produkte, die ohne den Inhaltsstoff auskommen, darunter auch Zahnputz-Tabletten und Zahnputz-Pulver.

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