Kosmetik

Pflege für sensible Haut

Menschen mit sensibler Haut, Neurodermitis oder Schuppenflechte brauchen spezielle Pflege. Naturkosmetik-Firmen setzen auf wenige, erlesene Inhaltsstoffe.

Letztes Jahr machte eine Creme Schlagzeilen: Mit Avocadoöl und Vitamin B12 würden Patienten mit Neurodermitis und Schuppenflechte geheilt, versprachen die Anbieter. Ein Fernsehfilm und ein Buch verbreiteten folgende reißerisch aufgemachte Nachricht in der Bevölkerung:

Hier die einfache Creme mit der durchschlagenden Wirkung – dort die bösen Pharmakonzerne, die über Jahre hinweg verhindern, dass diese Creme auf den Markt kommt und Menschen helfen kann. – Doch die Geschichte stellte sich als inszenierte, sehr erfolgreiche Werbelüge heraus. Drei bis vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an Neurodermitis, weitere zwei Millionen an Schuppenflechte. Beide Hautkrankheiten gelten als unheilbar, viele Betroffene sind verzweifelt. Da probiert man jedes Mittel aus, das Linderung verspricht.

Deshalb sei es gleich gesagt: Kosmetika dürfen per Definition keine Beschwerden lindern und schon gar nicht mit heilenden Eigenschaften werben. Sonst wären sie Medizinprodukte oder Arzneimittel und müssten entsprechend zugelassen werden. Das gilt auch für Naturkosmetik. Sie kann bei Hautkrankheiten die medizinische Therapie nicht ersetzen, sondern pflegt die Haut begleitend und unterstützend zur Behandlung.

Teil der Therapie

„Dafür ist Naturkosmetik grundsätzlich gut geeignet“, sagt der Stuttgarter Hautarzt Dr. med. Christoph Stetter. „Denn die Grundlage sind natürliche pflanzliche Öle, deren Abbauprodukte sich in den Fettfilm der Haut eingliedern.“ Wichtig ist dem Dermatologen auch der Wohlfühlfaktor, das Gefühl der Wärme und Natürlichkeit, die Naturkosmetika dem Körper vermitteln. Christoph Stetter hat als anthroposophisch orientierter Arzt eine ganzheitliche Sicht auf die Haut als das größte Organ des Menschen. Die begleitende Pflege der kranken Haut ist für ihn neben der inneren und äußeren medizinischen Anwendung das dritte Standbein der Therapie. „Dabei spielt Naturkosmetik eine wichtige Rolle“.

Allerdings gehört nicht jede Creme auf kranke Haut. In vielen Fällen ist die Haut wund und ihre Schutzfunktion eingeschränkt. Stoffe, die aufgetragen werden, gelangen leichter in den Körper. Das gilt auch für potenzielle Allergene. Sie können dadurch im Körper eine Sensibilisierungsreaktion auslösen. „Dann kommt zu einer Neurodermitis noch eine Kontaktallergie, zum Beispiel gegen eine bestimmten Duftstoff, hinzu“, beschreibt Christoph Stetter die Folgen. Ein Beispiel ist die hohe Zahl an Kontaktallergien gegen das eigentlich gut verträgliche Wollwachs. Die Allergien entstanden, weil jahrelang Wollwachs als Basis medizinischer Wundcremes auf offene Wunden aufgetragen wurde.

Ja nichts allergenes

Einige Naturkosmetik-Serien für sensible Haut verzichten daher auf bestimmte Zutaten, die ein – wenn auch nur kleines – allergenes Potenzial aufweisen. Zu diesen Zutaten gehören neben ätherischen Ölen auch Extrakte aus Heilpflanzen, Wollwachs und Propolis. Dennoch ist bei diesen Neutral-, Pur- oder Sensitiv-Serien ein Blick auf die Zutatenliste notwendig. Die einzelnen Hersteller vertreten unterschiedliche Produktphilosophien: Manche setzen doch Wollwachs ein, weil es dem Hautfett so ähnlich ist. Andere verwenden Kamille oder Ringelblume, weil sie deren entzündungshemmendes Potenzial nutzen wollen und das Risiko einer Kontaktallergie im Vergleich zum Nutzen als minimal einschätzen. Auch findet sich in manchen Rezepturen wegen seiner konservierenden Wirkung Alkohol, obwohl er die Haut austrocknen kann. Nur wenige Hersteller loben ihre Produkte eigens für die begleitende Pflege bei Neurodermitis aus. Meist ist von „sehr empfindlicher“, „hochsensibler“ und „zu Irritationen neigender Haut“ die Rede.

Hochwertige Öle

Gemeinsam ist den verschiedenen Serien, dass sie sich auf wenige Inhaltsstoffe beschränken. Was verzichtbar ist, fällt raus. Die pflegende Wirkung stammt vor allem von Mandel- und Jojobaöl oder Sheabutter. Hinzu kommen oft noch die Samenöle von Heilpflanzen. Die Haut bei Neurodermitis oder Schuppenflechte kann die Feuchtigkeit nur schlecht halten. Deshalb finden sich häufig Feuchtigkeitsspender wie Glyzerin oder die aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnene Hyaluronsäure in den Produkten. Nicht auf Pflanzenbasis herstellbar und deshalb in zertifizierter Naturkosmetik nicht zuge­lassen ist Harnstoff (Urea). Weil er hervorragend Feuchtigkeit hält, findet er sich in einigen Spezialprodukten – auch aus dem Bio-Laden –, die dann allerdings nicht zertifiziert sind.

Die meisten Neutral-Serien umfassen alles, was man zur Reinigung und Pflege braucht; für Gesicht, Körper und Haare. Die Tenside in Duschgels und Shampoos sind besonders hautverträgliche, weniger stark schäumende Zuckertenside. Falls selbst diese Tenside nicht vertragen werden, bietet sich Lavaerde als Alternative an. Dieses feingemahlene, tonhaltige Mineral wird in Marokko abgebaut und dort seit Jahrhunderten als Rhassoul zum Waschen von Haaren und Körper verwendet. Fett und Verunreinigungen werden von den Körnchen gebunden und mit ihnen abgewaschen.

Empfindlich – nicht krank!

Nicht jeder Mensch mit sensibler Haut leidet an Neurodermitis und Schuppenflechte. „Ich habe das Gefühl, dass meine Haut immer empfindlicher reagiert.“ Diesem Satz stimmen 36 Prozent aller Frauen zwischen 14 und 70 Jahren ganz oder überwiegend zu. Je älter, desto mehr. Zwar ist es nur ein subjektives Gefühl, das die Brigitte-Kommunikationsanalyse 2010 erfasst. Doch in vielen Fällen macht es sich objektiv bemerkbar: Die Haut ist sehr trocken und neigt zu Irritationen, die keinen allergischen Hintergrund haben. Sie treten oft in Form von Rötungen oder Ausschlägen auf. Damit signalisiert die Haut, dass ihr Schutzmantel nicht funktioniert und einzelne Inhaltsstoffe sie reizen. Häufig sind das bei konventionellen Kosmetika Tenside, Emulgatoren, Farb- und Konservierungsstoffe sowie Alkohol in hohen Konzentrationen, etwa bei Parfums. Bei konventionellen Sonnencremes ist es die Mischung aus chemischen UV-Filtern, Emulgatoren und der Sonne, die zu Hautreaktionen führen kann. In solchen Fällen helfen Naturkosmetika oft schon, weil sie auf zahlreiche problematische Inhaltsstoffe verzichten. Die Sensitiv-Serien mit ihren sanften Rezepturen pflegen solche Haut besonders gut.

Bei einer zwar leicht reizbaren, aber gesunden Haut sind ätherische Öle und Pflanzenextrakte in der Regel kein Problem. Dennoch empfiehlt es sich, neue Pflegeprodukte erst zu testen. Am besten trägt man das Produkt drei Tage lang in der Armbeuge auf und beobachtet weitere drei Tage eine eventuelle Reaktion. „Dort ist die Haut zur Testung besonders empfindlich und eignet sich hervorragend zur Beobachtung“, sagt Christoph Stetter. „Zeigen sich hier keine Symptome, kann man die Creme benutzen.“

Solche persönlichen Tests sind notwendig, weil Unverträglichkeiten immer sehr individuell sind. Deshalb können selbst die ausführlichen Produkttests der Hersteller keine hundertprozentige Verträglichkeit garantieren. Dabei werden die Kosmetika in der Regel über Wochen hinweg von Freiwilligen getestet. In der Entwicklungsphase sind das meist Mitarbeiter des Unternehmens. Ist das Produkt fertig, probieren es Menschen mit besonders empfindlicher Haut aus und schreiben ihre Beobachtungen nieder. Meist prüfen Hautärzte zu Beginn und am Ende der Testphase den Zustand der Haut. Dabei stellt sich oft heraus, dass es der Haut besser geht als zuvor. Das sind keine wissenschaftlich-schulmedizinischen Studien. Schließlich geht es hier um Kosmetik. Grund genug, ein erfolgreich getestetes Produkt auszuprobieren, sind sie allemal.

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