Kosmetik

Naturkosmetik: Bio-Ernte und kurze Wege

Auch in der Naturkosmetik ist regional und bio möglich! Wie es funktionieren kann, zeigen beispielhaft vier Hersteller: Weleda, Provida, Primavera und Logona. Sie bauen Rohstoffe selbst an oder arbeiten mit lokalen Initiativen zusammen.

Weleda: 200 Pflanzenarten auf 23 Hektar

Ein Streifzug durch den Heilpflanzengarten von Weleda berauscht die Sinne. Rund 200 Pflanzenarten wachsen in dem 23 Hektar großen Garten bei Schwäbisch Gmünd. Schon im Frühsommer verwandeln Ringelblumen und Kalifornischer Mohn die Felder in ein orangefarbenes Feuerwerk. Im August raschelt der Wind durch die reifen Haferähren. Die wilde Malve erblüht bis in den Herbst mit rosaroten Blüten. Und auch wenn es im Winter im Garten viel ruhiger zugeht, warten die Wurzeln verschiedener Heilpflanzen darauf, geerntet zu werden. Bäume und Sträucher stehen dabei neben Feldkulturen und bilden eine Art Agroforstsystem. 

Biodiversität im Blick

„Der Heilpflanzengarten wurde schon bei der Gründung des Unternehmens 1921 angelegt. Seitdem liefert er einen wichtigen Teil der pflanzlichen Rohstoffe, die wir verarbeiten“, sagt Dr. Astrid Sprenger, Leiterin Heilpflanzenanbau bei Weleda. „So schonen wir Wildbestände und haben die Qualität in der Hand.“ Der biodynamisch zertifizierte Garten bringt jedes Jahr rund 40 Tonnen Blüten, Blätter, Rinde und Wurzeln. Sie finden vielfältigen Einsatz in Weleda-Produkten: Die Ringelblumen-Creme etwa beruhigt die Haut, die Schleimstoffe aus der wilden Malve finden ihren Einsatz in Augentropfen. Das Hauptaugenmerk im biodynamischen Anbau liegt auf Biodiversität, Bodenschutz und Humusaufbau: „Der Boden wird schonend bearbeitet und ganzjährig bewachsen gehalten. Der naturnahe Anbau sorgt für eine hohe Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren“, sagt Sprenger. 

Provida: 95 Prozent der Heilkräuter kommen vom eigenen Hof

Im Spätsommer, wenn der Wind die drückende Hitze wegfegt, leuchten an den Bäumen die ersten tiefroten Früchte der Eberesche. Färben sich die gefiederten Blätter dann gelb-orange, beginnt für Kosmetikhersteller Provida die Ernte auf dem eigenen Bio-Bauernhof. Die bittersüßen Beeren der Eberesche baut das Unternehmen vor allem wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts an. „Vitamin C sorgt für einen niedrigeren pH-Wert der Haut und lässt Pigmentflecken verblassen“, erklärt Marketingleiter Maxime Lagarde. Nach der Ernte werden die Beeren von Hand gewaschen, gepresst und zu Extrakt weiterverarbeitet. Den Extrakt setzt das Unternehmen in Hautcremes ein. Die Firmengründer Theda und Jerg Wohnhas erzählen von ihren ersten Jahren der Produktion: „Als wir 1984 anfingen, gab es nur sechs Kosmetikrohstoffe in Bio-Qualität: Calendula, Kamille, Rose, Brennnessel, Sonnenblumen- und Olivenöl. Um weitere Rohstoffe selbst anzubauen, kauften wir dann im Jahr 1995 einen Bauernhof mit vier Hektar Land.“ 

Hagebutte, Rose, Aloe vera

Schnell entdeckte das Gründerpaar den biodynamischen Anbau für sich und ließ den Hof nach Demeter-Richtlinien zertifizieren. „Der Hof glich einer Mondlandschaft, heute ist er ein Bio-Paradies. Wir haben mittlerweile über 600 Bäume und unzählige Hecken, die ständig gepflegt werden müssen.“ Neben der Eberesche bauen sie verschiedene Heilpflanzen, Hagebutten, Rosen und Aloe vera an. „95 Prozent der Heilkräuter beziehen wir vom eigenen Hof. Diese verarbeiten wir in Tinkturen, Extrakten und Mazeraten weiter“, erklärt Maxime Lagarde. 

Primavera: Acht Bio-Bauern aus Oberschwaben liefern Hanfsamen

Das Wasserrad in der über hundert Jahre alten Ölmühle Walz im Schwarzwald treibt wie in alten Zeiten ein Mühlbach an. Dort stellt Ölmüller Jochen Hättig in kalter Pressung Hanföl für Primavera her. Während die Samen langsam durch die Schneckenpresse laufen, erfüllt ein intensiv nussiger Duft den gesamten Raum. Die Hanfsaat wird auf maximal 40 Grad erwärmt, um viele der wertvollen Inhaltsstoffe zu erhalten. Der Hanf hat einen kurzen Weg zur Ölmühle und wird von acht Bioland-Bauern angebaut. 

Die robuste Kultur ist gut für den Öko-Landbau geeignet, denn sie braucht wenig Wasser, die Blüten bieten Nahrung für Insekten. „Unsere Hanf-Bauern säen den Hanf im Frühjahr aus. Die Ernte der Samen beginnt im September. Nach Reinigung und Trocknung werden sie an den Ölmüller geliefert“, sagt Andrea Dahm, verantwortlich für Nachhaltigkeit bei Primavera. Pro Hektar rechnen die Landwirte mit etwa 800 Kilogramm Samen, aus denen rund 266 Kilogramm Hanfsamenöl gewonnen werden.

Regionales Hanfsamenöl 

Dem Aromatherapie- und Naturkosmetikhersteller aus dem Oberallgäu ist es seit Anbeginn wichtig, dass die Landwirte und Ölmüller in der Region sind: „Heute findet die gesamte Wertschöpfungskette für unser Bio-Hanfsamenöl im Radius von 300 km vom Feld bis in die Flasche statt“, sagt Andrea Dahm. Eingesetzt wird das stärkende und beruhigende Öl in Produkten für die Haut. 

Kosmetik

Wie wird Hanföl hergestellt?

Unsere Autorin war mit dem Naturkosmetikhersteller Primavera unterwegs auf dem Feld und in einer historischen Mühle.

Logona: Bio-Brennnessel für die Haarpflege

Im Juni 2022 ging es los: Bio-Landwirt Johannes Barckhausen zog seine Handschuhe an, um sich vor den unangenehmen Brennhaaren zu schützen und pflanzte die ersten Brennnesselsetzlinge für Naturkosmetik-Hersteller Logona. Im Oktober war dann Erntezeit auf dem Feld im niedersächsischen Salzhemmendorf. Die 20.000 Setzlinge ergaben eine Ernte von 450 Kilo frischen Brennnesseln. Nur drei Kilometer weiter kamen sie in die Trocknungsanlage.

Der Bio-Landwirt nebenan

„In Papiersäcken verpackt machen die getrockneten Bio-Brennnesseln sich dann auf den Weg zu unserer hauseigenen Produktion und werden zu einem reinen Bio-Brennnesselextrakt verarbeitet“, erklärt Daniela Metzger, Head of Brand Management bei Logona. Die Vision dahinter: regionale Ressourcen nachhaltig nutzen. Durch die freundschaftliche Beziehung zum benachbarten Bio-Landwirt ist das Herzensprojekt wahr geworden. Aus dem Extrakt stellt Logona dann Shampoo her, denn Brennnessel soll das Haar stärken. „Der Pflanze wird auch nachgesagt, dass sie das Haarwachstum verbessern kann. Sie ist außerdem bekannt dafür, dass sie Haarausfall vorbeugen, Juckreiz der Kopfhaut reduzieren und Schuppenbildung mildern kann“, erläutert Metzger. Die Pflanze ist ideal für den Öko-Landbau: Mit ihren tiefen Wurzeln lockert sie den Boden auf und kommt ohne Beregnung und Düngemittel aus. „Der Anbau von Brennnesseln kann Schädlingszyklen unterbrechen und den Befall bei danach angebauten Kulturen reduzieren“, sagt der Bio-Landwirt.

Veröffentlicht am

Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

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cosmia 01/2025 Februar/März/April

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