Prall gefüllt mit natürlichen Inhaltsstoffen, frei von diesen und jenen schädlichen Substanzen, klimaneutral, ohne Mikroplastik, biologisch abbaubar und sogar korallenfreundlich: immer mehr kosmetische Produkte erwecken den Eindruck, dass sie nicht nur unsere Haut vor Falten und Unreinheiten, sondern nebenbei auch noch die Welt retten können. Doch oft trügt der grüne Schein. Viele als bio, natürlich oder pflanzlich beworbenen Kosmetika enthalten umwelt- und gesundheitsbedenkliche Inhaltsstoffe.
Parabene und Silikone
Mineralölbestandteile, Parabene und Silikone etwa stehen zwar häufig in der Kritik, verstecken sich jedoch meist hinter komplizierten Bezeichnungen, die die wenigsten von uns aussprechen, geschweige denn als problematisch identifizieren können. „Mit pastellgrünem Marketing, Bäumchen, Blümchen und selbst kreierten Siegeln stellen sich Marken oft nachhaltiger dar, als sie eigentlich sind“, bestätigt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Kein Wunder, denn Natürlichkeit verkauft sich gut. Und praktischerweise ist bisher kaum geregelt, welche grünen Versprechen die Hersteller auf ihre Flaschen und Faltschachteln aufdrucken dürfen – und welche nicht.
Nur leere Versprechungen?
Das soll sich ändern: Neue EU-weite Regulierungen wie die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel und die Green-Claims-Richtlinie sollen Firmen künftig dazu verpflichten, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu belegen und transparent zu kommunizieren. Dazu müssten sie sich mit dem gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte auseinandersetzen und deren Öko-Bilanz berechnen. Doch die Mühlen in Brüssel mahlen langsam, und so dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Gesetze ihre Wirkung zeigen.
Greenwashing per App entlarven
- Die App Codecheck bewertet mehr als 14.000 kosmetische Inhaltsstoffe nach ihrer Gesundheits- und Umweltverträglichkeit. Die Stoffe werden in vier Kategorien unterteilt: unbedenklich (grün), leicht bedenklich (gelb), bedenklich (orange) und sehr bedenklich (rot).
- Die Toxfox-App warnt bei Kosmetik- und Körperpflegeprodukten, wenn diese hormonelle Schadstoffe, nicht abbaubare Chemikalien (PFAS), Nanopartikel, Mikroplastik oder flüssige Kunststoffe enthalten.
Auf Zertifikate achten
Statt auf gesetzliche Regulierung zu warten, haben sich namhafte Naturkosmetikhersteller, Verbände und Zertifizierer schon vor Jahrzehnten auf den Weg gemacht: für mehr Glaubwürdigkeit und weniger Trittbrettfahrerei. Das BDIH-Label des Bundesverbands der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e.V. war das erste seiner Art, das Naturkosmetik anhand fester Kriterien definierte.
Daneben kennzeichnen heute die Siegel von Natrue, Cosmos, Ecocert, ICADA, NC und Demeter die entsprechende Naturkosmetik, bei der die inneren Werte mehr zählen als der äußere Schein. Viele gesundheits- und umweltschädliche Substanzen, Gentechnik und bestimmte Herstellverfahren sind hier verboten. Ob die Unternehmen auch halten, was ihre Siegel versprechen, wird regelmäßig von externen Zertifizierern geprüft.
Besonders bei Kosmetika, die intensiv mit dem Körper in Kontakt kommen, rät Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale zum zertifizierten Produkt. „Im Alltagseinkauf ist es für Verbraucher:innen viel zu kompliziert, alle Werbeversprechen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Zumindest bei Produkten wie Gesichtscremes oder Mundspülungen ist zertifizierte Natur- oder Biokosmetik auf jeden Fall empfehlenswert“, sagt er.
Die kostet allerdings oft den ein oder anderen Euro mehr. Zu Recht, findet Katja Tölle, Mitautorin des Ratgebers „Gibt’s das auch in Grün?“: „Naturkosmetik-Hersteller müssen anders kalkulieren als konventionelle. Ausgewählte Öle aus Bio-Anbau etwa sind teurer als erdölbasierte Paraffine. Das erklärt, warum echte Naturkosmetik in der Regel mehr kostet. Was uns ärgert, ist, dass es hochpreisige Kosmetik konventioneller Marken gibt, bei der Verbraucher:innen für den großen Namen bezahlen, nicht für tatsächlich natürlichere oder bessere Inhaltsstoffe.“
Interview
Das Märchen von der Klimaneutralität
Was heißt „klimaneutral“ und wann darf der Begriff auf Verpackungen stehen? Unsere Autorin Ina Hiester hat Linda Janek von der Deutschen Umwelthilfe befragt.
Die Deutsche Umwelthilfe verklagt immer mehr Unternehmen, die ihre Produkte als klimaneutral bezeichnen. Warum?
Der Begriff klimaneutral suggeriert, dass ein Produkt das Klima nicht belastet. Und eine angeblich klimapositive Gesichtscreme verleitet sogar zu der Annahme: Je mehr ich konsumiere, desto besser fürs Klima. Das ist Unsinn! Tatsächlich kompensieren viele Firmen ihre Emissionen nur durch den Kauf von Zertifikaten, mit denen oft umstrittene Klimaschutzprojekte finanziert werden.
Wie sieht denn Ihrer Meinung nach ernst gemeinter Klimaschutz in Unternehmen aus?
Wenn Firmen bloß Zertifikate kaufen, ist das ein Zeichen, dass sie nicht bereit sind, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen sollten sie sich immer erst bemühen, Klimaschäden zu vermeiden und zu verringern. Erst wenn die Möglichkeiten hier ausgeschöpft sind, gilt es zu kompensieren – und das nur über Projekte, die wirklich nachhaltig sind. Waldschutzprojekte beispielsweise sehen wir kritisch, weil Wälder oft nicht lange genug geschützt werden.
Woran kann ich erkennen, wer sich grün wäscht und wer es ernst meint?
Das ist leider nicht so einfach. Laut einer EU-weiten Studie enthalten inzwischen 80 Prozent aller Werbeaussagen Angaben zu Umwelt- und Klimaauswirkungen. Viele davon sind leere Versprechungen. Man muss schon sehr genau hinschauen und dabei auch prüfen: Beziehen sich die Aussagen womöglich nur auf einen Teilaspekt des Produktes – zum Beispiel nur auf die Faltschachtel? Nutzt ein Unternehmen ein anerkanntes Siegel? Oder hat es sich einfach selbst eins gebastelt?
Wird die Green-Claims-Richtlinie Schluss mit Greenwashing machen?
Sicher nicht von heute auf morgen. Aber sie ist neben der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel ein wesentliches Instrument, um Unternehmen zu verpflichten, sich wirklich mit den Klima- und Umweltauswirkungen ihrer Produkte auseinanderzusetzen. Und zwar bevor sie ihre Marketingversprechen stricken. Aktuell wird es für die Firmen oft erst dann ungemütlich, wenn Organisationen wie wir sie verklagen.
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