Kosmetik

Kinder schuften für Kosmetik

Für das Glitzermineral Mica müssen Kinder leiden. Wie Kosmetik-Hersteller versuchen, das zu ändern.

Silbern funkeln die brüchigen, glasigen Steinbrocken im Licht. Im Dunkeln dagegen liegt ihre Herkunft. In tiefen, illegal gegrabenen Löchern hämmern größere Kinder gegen das Gestein, und die Kleineren schleppen die Körbe mit den losgelösten Brocken nach oben. In den nordindischen Bundesstaaten Bihar und Jharkand gehört das zum Alltag.

Wie viele Kinder arbeiten in den Minen?

Rund 22.000 Kinder arbeiteten vor Beginn der Corona-Pandemie in illegalen Minen, berichtete die Kinderrechtsorganisation Terre des hommes kürzlich. Sie schätzt, dass die Zahl seither deutlich gewachsen ist.

Die arbeitenden Kinder leiden unter Erkrankungen der Atemwege, Staublunge und Verletzungen wie Schnittwunden.

Terre des hommes, Organisation für Kinderrechte

Häufig seien sie dehydriert, denn sie könnten während der Arbeit kein Wasser trinken. Viele seien unterernährt, Infektionskrankheiten und Tuberkulose weit verbreitet. Aus Bihar und Jharkand kommt gut ein Viertel der weltweit verbrauchten Glimmerblättchen. Sie stecken als Rohstoff in zahlreichen Produkten, darunter auch in Kosmetik.

Da steckt Mica drin

Glimmerplättchen lassen nicht nur die Metallic-Lackierungen von Autos glänzen, sondern finden sich als Füllstoff und Isolator in etlichen Autoteilen. In den Platinen und Kabeln von Elektro- und Haushaltsgeräten ist es ebenso enthalten wie in Fugenmassen und anderen Baustoffen.

Anders als bei Kosmetik, können Verbraucher das beim Kauf nicht erkennen. „Fragen Sie bei Herstellern oder Handel nach“, bittet deshalb Terre des hommes. Die Auskunft „wir beziehen keinen Glimmer aus Indien“ hilft dabei nicht weiter. Denn Kinderarbeit in Glimmerminen gibt es auch in Madagaskar, möglicherweise auch in Brasilien und China.

Das Mineral ist für Make-up unverzichtbar

Als „Mica“, „CI 77019“ oder „Potassium Aluminium Silicate“ in der Zutatenliste deklariert, sorgen Glimmer-Pigmente für Perlmuttglanz im Puder, für glossige Lippen, strahlende Augen und schimmernde Nägel. Zudem verbessert Mica die Konsistenz von Puder und lässt sich mit anderen mineralischen Farbstoffen wie Eisenoxiden zu bunt schimmernden Pigmenten verarbeiten. Kurz gesagt: Das Mineral ist für die dekorative Kosmetik unverzichtbar. Und aus Indien kommen besonders gute Qualitäten.

Was tun Mica-Nutzer gegen Kinderarbeit?

Dass deren Gewinnung mit Kinderarbeit verbunden ist, wissen Kosmetik-Hersteller seit Jahren. Deshalb gründeten einige von ihnen 2017 zusammen mit anderen Mica-Nutzern und Hilfsorganisationen wie Terre des hommes die Responsible Mica Initiative (RMI).

Einer der wichtigsten Akteure in der RMI ist das Darmstädter Chemieunternehmen Merck, das aus Glimmer Glitzerpigmente für die Autoindustrie und Kosmetik-Produzenten herstellt. Um Kinderarbeit auszuschließen, lässt es jährliche Audits bei allen Minen und verarbeitenden Betrieben durchführen, ergänzt durch unangemeldete Kontrollen eines indischen Prüfunternehmens. Darüber hinaus investiert das Unternehmen in Schulen und Gesundheitszentren in den Abbaugebieten. Außerdem zahlt Merck eigenen Angaben zufolge mehr als den marktüblichen Preis.

Das sagen Naturkosmetik-Hersteller über ihre Quellen

Unter den gut 70 Mitgliedern der RMI finden sich auch der Naturkosmetik-Verband Cosmos sowie konventionelle Konzerne wie L’Oréal, dem der Naturkosmetik-Hersteller Logocos mit den Marken Logona und Sante gehört.

Heute kommen 99 Prozent unseres Micas aus vollständig überprüften Quellen.

Leonie Scheurlen, Pressesprecherin bei Logocos

Hersteller Wala der Marke Dr. Hauschka erklärt, man beziehe Glimmer „von Lieferanten, die jegliche Kinderarbeit ebenso ablehnen wie wir und zusätzlich Maßnahmen etabliert haben, um die Lebenssituation vor Ort zu verbessern“. Für Laverana verweist Sprecherin Sabine Kästner darauf, dass das Unternehmen seine Lieferanten verpflichte, Grundprinzipien einzuhalten, zu denen auch das Verbot von Kinderarbeit zähle. Deren Einhaltung „wird stets kontrolliert und gegebenenfalls geahndet“. Gleiches gilt laut Janika Zahn auch für Cosmondial (Benecos, GRN), die überwiegend Mica aus Spanien verwenden.

Nicht nur in Indien, auch auf afrikanischen Kakaoplantagen schuften viele Kinder, statt zur Schule zu gehen. Wieso das so ist und was es braucht, um das zu ändern.

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