Kosmetik

Wie wird Hanföl hergestellt?

Unsere Autorin war mit dem Naturkosmetikhersteller Primavera unterwegs auf dem Feld und in einer historischen Mühle.

Schwülwarmes Gewitterwetter, die Bremsen stechen gnadenlos und dem Hanf auf dem Feld kann man quasi beim Wachsen zusehen. „Das Klima ist ideal für die Pflanze“, erklärt Gereon Güldenberg vom Bioland-zertifizierten Rösslerhof in Schlier bei Weingarten.

Eingebettet in die malerische Hügel- und Seenlandschaft Oberschwabens baut Güldenberg auf rund vier Hektar die alte Nutzpflanze an. „Pro Tag wächst der Hanf bis zu sechs Zentimeter“, sagt er. In wenigen Wochen werden ihn die krautigen Stängel mit mehr als zwei Metern überragen. Abnehmer für den Hanf ist die Ölmühle Walz, die daraus Hanföl für den Naturkosmetik-Hersteller Primavera presst.

Kosmetik

Hanf in der Kosmetik – alte Pflanze, neuer Trend

Hanf ist seit Jahrtausenden bekannt – jetzt hat ihn die Kosmetik für sich neu entdeckt. Hier erfahrt ihr alles rund um Inhaltsstoffe, Wirkung und Anwendung.

Ist Nutzhanf berauschend?

Der Bio-Bauer schätzt die robuste, anspruchslose Pflanze als Zwischenfrucht. Mit ihrer tiefgründigen Pfahlwurzel lockert sie den Boden, das rasche Wachstum lässt unerwünschten Beikräutern keine Chance. „Nach der Ernte ist der Boden für meine Dinkelaussaat optimal vorbereitet“, sagt Güldenberg.

„Garantiert THC-frei.“

Gereon Güldenberg

An den weiblichen Hanfpflanzen zeigen sich jetzt, Ende Juni, die so genannten Hanfnüsse. Das sind die Samen, die das wertvolle Hanföl enthalten. Zwischen den Fingern zerrieben entwickeln die kleinen Körner einen dezenten Hanfgeruch. „Garantiert THC-frei“, sagt Güldenberg. Die Abkürzung steht für Tetrahydrocannabinol, den psychoaktiven Wirkstoff im Hanf.

Auch wenn von diesen Pflanzen keine berauschende Wirkung ausgeht, steht der Nutzhanf-Anbau unter strenger Kontrolle durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Zur Blütezeit kommen Mitarbeiter der Behörde und nehmen Proben vom Feld, die im Labor untersucht werden. Gibt das Amt grünes Licht, fällt der Startschuss für die Ernte.

Wie wird Hanf geerntet?

„Das Dreschen von Hanf ist schwierig, weil die Stängel so zäh und faserig sind. Dafür braucht man eine Spezialmaschine, von denen es deutschlandweit nur ganz wenige gibt“, sagt Güldenberg. Daher erledigt das ein Lohnunternehmer. Ein Hektar bringt 800 bis 1.000 Kilogramm Samen. Auf sehr guten Standorten können es bis zu 2.000 Kilogramm pro Hektar sein. Der Ölgehalt der kleinen Körnchen liegt zwischen 30 und 35 Prozent.

Die Ölmühle: Mahlen mit Wasserkraft wie vor 100 Jahren

Nach der Ernte bringt ein Lastwagen die gedroschenen und getrockneten Hanfsamen in die Schwarzwälder Ölmühle Walz ins rund 200 Kilometer entfernte Oberkirch. „Der Traditionsbetrieb, der seit 1832 Saaten, Nüsse und Kerne zu hochwertigen Ölen verarbeitet, ist unser jüngster Bio-Anbaupartner“, sagt Andrea Dahm, Nachhaltigkeitsmanagerin von Primavera.

Die Ölmühle liegt am Ortsrand von Oberkirch. Sie ist eine der letzten noch produzierenden historischen Ölmühlen in Deutschland. Neben Hanf werden in dem Familienbetrieb mit zwanzig Angestellten zwölf Ölsorten gepresst, unter anderem aus Walnüssen, Mohn, Weizenkeimen und Kürbiskernen. Hinter dem Betriebsgebäude treibt ein Bach das ausladende hölzerne Mühlrad mit fünf Meter Durchmesser an. Drinnen im Mühlraum bewegt die Wasserkraft wie vor hundert Jahren die so genannten Transmissionen. Das ist ein System zur Kraftübertragung. Es besteht aus Riemen und Bändern, die über Wellen und Räder aus Stahl surren und mit ihrer Energie die schweren Maschinen in der Ölmühle antreiben: die großen Schwung­räder, die die Mahlsteine bewegen, sowie die hydraulische Pumpe, die die Stempelpressen in Gang setzen. Sie sind über einhundert Jahre alt und funktionieren immer noch tadellos.

Mit der Kraft des Wassers arbeitet die Ölmühle völlig autonom. „Wir betreiben damit außerdem noch einen Generator, der Strom für den Hofladen und das Gebäude erzeugt“, sagt Sylvie Mayer. Sie führt die Mühle zusammen mit ihrem Bruder Jochen Hättig. „Wir sind sehr froh, dass Erwin Walz, der die Mühle 1911 übernommen hatte, auf die traditionelle Arbeitsweise vertraute. Denn viele der kleinen Ölmühlen in Deutschland haben nach und nach ihren Betrieb eingestellt, als industrielle Ölfabriken mit Heißpressen aufkamen“, sagt Sylvie Mayer.

Wie entsteht Hanföl?

Für das Hanfsamenöl schüttet Ölmüller Hättig die reifen Hanfsaaten in ein Behältnis der Schneckenpresse. Die Maschine aus schwerem Guss arbeitet so langsam, dass die Körner während des Pressvorgangs maximal auf 40 Grad erwärmt werden. Daher darf das Öl die Bezeichnung kaltgepresst tragen. Das höchstens handwarme, nussig duftende Hanfsamenöl läuft über einen Abscheider in einen Eimer. Damit es seine Frische nicht verliert, füllt es der Ölmüller gleich anschließend in ein Edelstahlfass. Seine grüne Farbe verdankt das Öl übrigens dem Pflanzenfarbstoff Chlorophyll.

In modernen Ölfabriken erreicht das Pressgut auch ohne externe Wärmezufuhr deutlich höhere Temperaturen. Mitunter wird es beim Prozess der Raffination sogar auf über 200 Grad Celsius erhitzt. So ein Pressvorgang geht deutlich schneller und die Ölausbeute ist viel höher.

Doch Primavera hat sich bewusst für die traditionell arbeitende Ölmühle entschieden. „Uns kommt es auf beste Qualität und schonende Verarbeitung an, um die Inhaltsstoffe zu erhalten“, sagt Andrea Dahm. Bei der Wareneingangskontrolle im Labor von Primavera im Allgäu zeige das heimische Öl seine Qualität: „Unser Bio-Hanfsamenöl ist reich an wertvollen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die die Haut stärken, regenerieren und beruhigen“, sagt Andrea Dahm. Besonders bewährt habe sich das vitalstoffreiche Öl in der Pflege gereizter Haut wie bei Neurodermitis und Schuppenflechte.

Mit dem Bio-Hanfanbau und der Ölgewinnung im süddeutschen Raum kann Primavera die gesamte Wertschöpfungskette vom Feld bis in die Flasche auf einen Radius von 300 Kilometern begrenzen. „Das kommt unserem Ideal von einer nachhaltigen Produktion mit Bio-Anbau, kurzen Transportwegen und einer schonenden Nutzung natürlicher Ressourcen schon sehr nahe“, sagt Dahm ein wenig stolz.

Veröffentlicht am

Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

cosmia

Magazin finden

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge