Der Tag war anstrengend und stressig. Da hilft ein Vollbad beim Entspannen. Mit Kerzen, Duftölen, Schaumkugeln und leiser Musik. Für viele Menschen ist die Badewanne heute ein wichtiger Bestandteil der Wohnung und eine Oase des Wohlgefühls. Doch obwohl bereits seit Jahrtausenden bekannt, können sich viele erst seit wenigen Jahrzehnten eine eigene Wanne leisten.
Historisch ist nicht eindeutig geklärt, wann Menschen begannen, in Wannen und Zubern zu baden. Die ersten Gefäße dieser Art waren vermutlich aus Holz gefertigt und sind längst verrottet. „Die erste eindeutig belegte Badewanne steht im Palast des Nestor in Pylos in Griechenland“, sagt Philipp Stockhammer, Professor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der damalige Herrscher ließ das Prunkstück aus Ton einmauern. Spiralen verzieren die Ränder. Die Anlage deutet darauf hin, dass es nicht nur um Körperhygiene ging, sondern auch darum, das Bad zu zelebrieren.
Im römischen Reich dominierten die öffentlichen Thermen das Badeverhalten. Funde und historische Texte zeigen aber, dass zumindest vermögende Römer privat auch Wannen und Becken nutzten. Doch mit dem römischen Reich verschwand auch die ausgefeilte Badekultur in Westeuropa, mit wenigen Ausnahmen wie dem Bad von Papst Formosus aus dem 9. Jahrhundert.
Badstuben fürs Volk, Badehäuser für den Adel
Im Mittelalter baden die Menschen vor allem in Holzbottichen. Tücher schützen die Körper vor Splittern. Beliebt ist auch die Variante, ein Brett mit Speisen und Getränken quer über den Zuber zu legen. Wenn überhaupt gebadet wird. Gerade Kirchenkreise warnen vor zu viel Badgenuss. So empfahl Bischof Augustinus von Hippo in einem Brief an das örtliche Frauenkloster: „Auch Waschung des Körpers sowie der Gebrauch der Bäder soll nicht beständig stattfinden, sondern nur in den üblichen Zeiträumen gestattet sein, nämlich einmal im Monat.“ Und von der heiligen Elisabeth ist überliefert, dass sie ihren Fuß kurz ins Wasser streckte und daraufhin ihr Bad für beendet erklärte.
Das gewöhnliche Volk hingegen reinigt sich in den aufkommenden Badstuben, der Adel richtet sich eigene Badhäuser ein. Ein Vollbad ist eine aufwendige Sache. Bedienstete erwärmen das Wasser über einem Feuer, bringen es mit Eimern zum Zuber und nach dem Bad auf gleichem Wege wieder hinaus. Dieses Grundprinzip bleibt lange erhalten, noch bis ins 20. Jahrhundert. Mit einer Unterbrechung: Im Barock gilt Baden als gefährlich. Wasser soll Krankheiten übertragen, so die damalige Überzeugung. Parfum und Flohfallen unter der Kleidung statt Wasser und Seife, lautet die Devise.
Erst im 18. Jahrhundert denken die Menschen um. Badewannen kommen wieder auf, nicht mehr aus Holz, sondern aus Kupfer mit einer Beschichtung aus Zinn. Von der heutigen Wanne unterscheidet sie vor allem die Form: Sie erinnern eher an eine Stiefelette oder einen Pantoffel, bei denen die Badenden durch den Schaft einsteigen.
Badezusätze: Von Eselsmilch und Rosenwasser
- Schon in der Antike verwendeten Menschen Naturkosmetik im Bad. Andreas Hensen, Leiter des Lobdengau-Museums in Ladenburg, hat mit Experten für Botanik und Gartenbau im Freigelände des Museums einen Römergarten angelegt. Dort wachsen Pflanzen, die von den Römern nach Germanien gebracht wurden: „Darunter befinden sich für das Bad genutzte Rosenmalven, Schwertlilien und Lavendel sowie die Olive als Basissubstanz für Salböle.“ Sie wurden auf die Wände der Wanne aufgetragen.
- Neros Gattin Poppaea hat laut Plinius dem Älteren auf allen Wegen fünfhundert „geworfen habende“ Eselinnen mitgeführt, um auch unterwegs in deren Milch baden zu können.
- Kräuter, Rosenwasser und Öle blieben fast 2000 Jahre lang die wichtigsten Zusätze. Das Schaumbad hingegen, wie wir es heute kennen, kam erst in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Markt.
- Eher ungewollte Zusätze lieferte Mitte des 19. Jahrhunderts Deutschlands erster Wasserturm den Hamburger Bürgern. Mit dem ungefilterten Elbwasser kamen auch Muscheln, kleine Wassertiere und sogar junge Aale aus der Leitung.
Allerdings hat selbst das gehobene Bürgertum kaum eigene Wannen. So schreibt beispielsweise Johann Wolfgang von Goethe 1809 seiner Frau, sie möge doch bitte die geliehene Badewanne mit einer Schubkarre den Eigentümern zurückbringen. Es entsteht ein eigenes Gewerbe.
Im Sommer 1822 erhält der Franzose Roger ein Patent auf einen „Wagen für Hausbäder.“ Er versieht einen Handkarren mit einem isolierten Wasserfass und einem Ofen. Darin wird das Wasser auf dem Weg zum Kunden erhitzt, die Wanne liefern die Händler gleich mit. 1836 hatten in Paris 1013 Kleinunternehmer eine Lizenz, heißes Badewasser zu verkaufen.
Als es Wannen zu mieten gab – Wasser inklusive
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts halten Fortschritt und Technik auch im Badezimmer Einzug. Wobei der Begriff Badezimmer noch übertrieben ist. Nach wie vor mietet sich die Mehrheit der Menschen eine Wanne. Wer sich eine eigene leistet, stellt sie häufig in die Wohn- oder Schlafräume. Nur Vermögende haben Geld und Platz für ein eigenes Badezimmer. Kupfer, Zink, Gussstahl, Feuerton, Fliesen oder Marmor, das Material der Wannen wird vielfältig. Und technikverliebt wie die Menschen auch damals schon sind, kommen immer mehr Erfindungen auf den Markt, wie Massage- und Wellenbäder für den Hausgebrauch.
Arbeiter, Bauern und Mittelschicht hingegen haben noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein keine eigene Wanne und schon gar kein eigenes Badezimmer. Zwar erfreut sich die Volksbadewanne bereits Mitte der 20er-Jahre großer Beliebtheit, aber die wird nach wie vor nicht fest installiert, sondern kann zur Seite geräumt werden. In den 30er- Jahren werden auf Messen Kleinstbäder vorgestellt, um das Bad endlich in die Breite zu bringen. Aber selbst nach dem Krieg sind diese noch kein Standard. So berichtet Sylvia Zenta aus ihrer Kindheit in den 50er-Jahren in einer österreichischen Kleinstadt im Buch „Warmes Wasser – weiße Ware“: „In der Küche wurde gekocht und gebadet. Über der Badewanne lag für gewöhnlich eine Arbeitsplatte, die nur zum wöchentlichen Bade entfernt wurde.“
Wanne im Wandel: Von der Hygiene zum Wohlbefinden
Es ist allerdings das Jahrzehnt, in dem Badezimmer und Badewannen langsam zum Standard in den Wohnungen werden. Glasfaserverstärkte Kunststoffe und Acryl ergänzen die Materialpalette bis zum Ende der 60er-Jahre. Und dann setzt der große Wandel ein: Designer wie André Courrèges und Luigi Colani lösen Ingenieure und Konstrukteure bei der Entwicklung ab. Gefällige Formen und Farben halten Einzug. Es geht nicht mehr nur um Hygiene. Das Bad wird zu einer Oase für Wohlbefinden und Vergnügen. In den vergangenen Jahren hat die Wanne auch ihr Dasein in der Nische beendet. Angesagt sind derzeit freistehende Wannen – als zentrales Element, um das Vollbad zu zelebrieren.
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