Die meisten Menschen in Deutschland lehnen gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere ab. Die Befürchtungen: Sie schaden der Umwelt und der Gesundheit und nutzen nur den großen Konzernen, die sie herstellen. Deshalb haben gentechnisch veränderte Lebensmittel bei uns immer dann keine Chance, wenn sie deklariert werden müssen und der Kunde sie erkennen kann. Bei Kosmetik ist keine Deklaration vorgeschrieben. Auch nicht bei Naturkosmetik-Produkten. Ist da also Gentechnik drin?
Um das herauszufinden, muss man zwischen verschiedenen Arten von Stoffen unterscheiden: Zutaten wie Heilpflanzen, die direkt verarbeitet werden, pflanzlichen Rohstoffen, aus denen Wirkstoffe hergestellt werden, sowie Enzymen und Mikroorganismen, die dabei eingesetzt werden.
Diese Zutaten sind Gentech-frei
Bei Heilpflanzen wie Aloe vera, Ringelblume oder Zaubernuss gibt es keine gentechnisch veränderten (gv) Varianten. Gleiches gilt für Öl liefernde Pflanzen wie Mandel- und Olivenbäume oder Kokospalmen. Auch bei Rosen, Jasmin oder Lavendel, die Naturkosmetik zum Duften bringen, werden keine gv-Sorten angebaut.
Für einige Pflanzen, aus denen wichtige Zutaten für Kosmetik gewonnen werden, sieht das jedoch anders aus: Weit verbreitet sind Gentech-Sorten zum Beispiel bei Mais, Raps und Soja, die in Nord- und Südamerika angebaut werden.
Hier kommt Gentechnik ins Spiel
Mais liefert die Stärke, aus der Zucker für Zuckertenside gewonnen wird. „Coco Glucoside“ oder „Lauryl Glucoside“ steht dann im Verzeichnis der Inhaltsstoffe. Auch das Feuchthaltemittel Sorbitol oder pflanzliches Kollagen können aus Mais hergestellt werden.
Sojabohnen liefern Sojaöl, Lecithin, Liposome, Isoflavone sowie Eiweiß für verschiedene Wirkstoffe. Raps dient als Quelle für Öl und Pflanzensterole. Hinzu kommt: Viele Kosmetik-Wirkstoffe werden mit Hilfe von Mikroorganismen in Tanks, sogenannten Fermentern hergestellt. Dort schwimmen Bakterien, Pilze oder Hefen in einer Nährlösung und produzieren daraus die gewünschten Wirkstoffe.
Diese Nährlösungen enthalten häufig Zucker aus gv-Mais oder auch aus Zuckerrüben, die in den USA meist gentechnisch verändert sind. Auch die Mikroorganismen selbst wurden oft gentechnisch so verändert, dass sie den gewünschten Wirkstoff in höherer Konzentration herstellen als natürlicherweise üblich. Im aufgereinigten Wirkstoff sind diese gv-Mikroorganismen nicht mehr enthalten.
Neues aus dem Gentechnik-Labor
- Mit Verfahren wie der Gen-Schere Crispr/Cas lassen sich Pflanzen manipulieren. In den USA ist eine veränderte Leindottersorte zugelassen. Kommerziell angebaut könnte ihr Öl auch für Kosmetik verwendet werden.
- Gentechnisch neu programmierte Bakterien stellen für ein Schweizer Chemieunternehmen Spinnenseide-Proteine her, die als Basis für Nagellacke dienen sollen.
- Andere Gentech-Rohstoffe gibt es schon: Das US-Unternehmen Solazyme konstruierte Algen, die aus Zucker Öle und Fettsäuren herstellen, die sich zu Seifen verarbeiten lassen.
- Für Naturkosmetik bleibt das alles tabu.
Unter diesen Umständen ist es wahrscheinlich, dass sich in konventioneller Kosmetik Zutaten finden, die aus gentechnisch verändertem Mais oder Soja hergestellt oder von gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert wurden.
Hersteller von Naturkosmetik lehnen Gentechnik dagegen ab. Deswegen verbieten alle Naturkosmetikstandards den Einsatz gentechnisch veränderter Zutaten. Das gilt auch für Inhaltsstoffe, die aus Mais, Soja oder Raps hergestellt wurden.
Das garantieren Naturkosmetik-Hersteller
„Hier müssen die Hersteller gegenüber dem Zertifizierer die Gentechnikfreiheit nachweisen, etwa durch Bescheinigungen der Vorlieferanten oder durch Analysen der Ausgangsstoffe“, erklärt Roland Grandel, der beim Herstellerverband BDIH für Naturkosmetik-Zertifizierungen nach dem internationalen Cosmos-Standard zuständig ist.
„Auch zu biotechnologisch hergestellten Rohstoffen müssen Bestätigungen im Cosmos-Rohstoff-Fragebogen erfolgen“, erläutert Grandel. Die Hersteller müssen belegen, dass im Fermenter keine gv-Mikroorganismen und keine gentechnisch veränderten Substrate in den Nährmedien verwendet wurden. Das gilt beim Cosmos- wie auch beim Ecocert-Standard.
Ausnahmen für drei Substanzen
Der Standard des Naturkosmetikverbandes Natrue erlaubt derzeit Ausnahmen für drei Substanzen. Für sie gebe es auf dem Markt in der gewünschten Qualität keine gentechnikfreien Alternativen mehr, sagt Natrue-Generaldirektor Mark Smith. „Dabei handelt es sich um die Fermentationsprodukte L-Glutaminsäure, Ascorbinsäure und L-Arginin. Sie dürfen als Bausteine für daraus gewonnene Inhaltsstoffe wie Natriumstearoylglutamat verwendet werden“, erklärt Smith. Die Substanz macht Haare leichter kämmbar und findet sich in einigen Naturkosmetik-Shampoos.
Ausnahmen für bestimmte Enzyme
Eine generelle Ausnahmeregelung gibt es bei den Siegeln Cosmos und Natrue für jene Enzyme, die im Fermenter in der Nährlösung schwimmen und die sie für die Mikroorganismen besser verdaubar machen. Die meisten dieser Enzyme werden mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt. Ihnen auszuweichen ist hier nicht möglich.
„Meist handelt es sich bei den dabei hergestellten Produkten um Rohstoffe aus der Lebensmittelindustrie wie Stärken und Zuckerarten“, erklärt Roland Grandel vom BDIH. „Auch bei der Verwendung in Lebensmitteln müssen die verwendeten Enzyme nicht deklariert werden.“ Die Enzyme selbst und die gv-Organismen, die sie herstellten, sind in der fertigen Zutat nicht mehr enthalten.
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Hier beschreibt das Bundesforschungsministerium, wie es sich die Kosmetik von morgen vorstellt.
Buchautorin und Öl-Expertin Heike Käser informiert über natürliche Kosmetikrohstoffe: olionatura.de
Der Informationsdienst keine-gentechnik.de bietet Meldungen zur Agro-Gentechnik und Hintergrundwissen.
In seinem Beitrag Mehr Bio-Landbau für Deutschland! setzt sich unser Autor Leo Frühschütz damit auseinander, ob neue Gentechniken den Hunger besiegen können.
Buchtipp: Druker, Steven M. Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit.
Verlag Kamphausen, 2020, 592 Seiten, 49,95 Euro
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