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Zucker: Wie viel ist gesund?

Mmh … lecker – wenn Zucker drin ist, schmeckt es. Aber wie sehr schadet er dem Körper? Und wie viel Zuckerkonsum ist in Ordnung?

Es ist quasi ein Naturgesetz: Der Mensch steht auf Süßes! Forscher des Fachgebiets Evolutionsbiologie haben für unser Verlangen nach Zucker eine einfache Begründung: Durch die süße Nahrungsvorliebe konnten unsere Vorfahren als Jäger und Sammler energiereiche Lebensmittel finden, die genießbar waren und keine Gifte enthielten. Damit sicherten sie sich das Überleben. Heute, in einer Zeit ohne schweißtreibende Jagd und aufwendige Nahrungsbeschaffung, bedeutet die Vorliebe für Zucker keinen Vorteil mehr. Im Gegenteil. Sie wird zum Bumerang.

Wie viel Zucker konsumieren wir?

100 Gramm Zucker und mehr lässt sich der Deutsche durchschnittlich pro Tag schmecken. Das ist etwa das Doppelte von dem, was derzeit von Ernährungsgesellschaften als maximale Menge empfohlen wird: täglich 50 Gramm für den Erwachsenen, das sind gerade mal 12 Teelöffel. Die sind mit verarbeiteten Lebensmitteln schnell erreicht. Deshalb prangern Verbraucherschützer schon lange die versteckte Masse an Zucker in den Supermarktregalen an.

Nur rund ein Drittel des verzehrten Zuckers entfällt auf Süßigkeiten. Der Hauptteil steckt in herkömmlichen Lebensmitteln.

Verbraucherzentrale NRW

„Nur rund ein Drittel des verzehrten Zuckers entfällt auf Süßigkeiten. Der Hauptteil steckt in herkömmlichen Lebensmitteln“, bemängelt etwa die Verbraucherzentrale NRW. Besonders kritisch: Sehr viel Zucker wird in Produkten verarbeitet, die Kinder gern und häufig essen. Und: In der Zutatenliste taucht Zuckersüßes nicht immer nur als Zucker auf. Auch Fruchtsüße, Maltose, Dextrose, Invertsirup sind nichts anderes als die Zuckerbaustoffe Glukose und Fruktose (umgangssprachlich: Fruchtzucker). Für Verbraucher sehr unübersichtlich.

Sehr aufmerksam beobachten Verbraucherschützer derzeit noch eine andere preiswert hergestellte Süße: Iso-Glukose bzw. Fruktose-Glukose-Sirup. Diese wird industriell aus Mais- oder Weizenstärke gewonnen. Nicht selten ist dabei Gentechnik im Spiel. Für Bio-Produkte kommt Iso-Glukose schon deshalb nicht in Frage – jedoch für konventionelle Lebensmittel. In Zukunft vermutlich noch mehr, denn im Oktober letzten Jahres wurde die sogenannte Europäische Zuckermarktordnung aufgehoben. Sie deckelte die Mengen an produziertem Zucker und an Iso-Glukose und sicherte damit ein hohes Preisniveau am Markt. Bis dahin war die Verwendung von Iso-Glukose in Europa auf unter fünf Prozent am Zuckermarkt reglementiert. Das Thünen-Institut in Braunschweig rechnet nach dem Fall der Zuckermarktordnung innerhalb der EU mit einer deutlichen Steigerung des Iso-Glukose-Einsatzes. Es sei davon auszugehen, dass das Preisniveau fallen und in der industriellen Verarbeitung bis zu 30 Prozent Haushaltszucker durch Iso-Glukose ersetzt werde. Insgesamt könne so ein höherer Verbrauch an Zuckern zu erwarten sein.

Von den Verbrauchern bleibt das möglicherweise fast unbemerkt. In der Summe tauchen zwar seit 2016 alle im Endprodukt vorhandenen Einfach- und Zweifachzucker (also Glukose, Fruktose, Saccharose, Laktose, Maltose) in der Nährwertkennzeichnung unter der Angabe „Kohlenhydrate, davon Zucker“ auf. Diese Angabe wird allerdings von vielen nicht wirklich wahrgenommen, geschweige denn genutzt. „Die Diskrepanz zwischen den Herstellerangaben und den tatsächlich verzehrten Portionen führt nicht selten zu einer Fehleinschätzung der Zuckeraufnahme“, erklärt Carolin Krieger, Referentin für Ernährungspolitik vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Wie schädlich ist Zucker wirklich?

Der Zuckerüberfluss bringt derweil gewichtige Probleme für den Körper mit sich: „Die Leute werden dicker, seit Jahren nimmt das Gewicht der Gesamtbevölkerung zu. Über die Hälfte der Erwachsenen ist übergewichtig“, sagt Prof. Andreas Pfeiffer von der Charité Berlin. Dr. Stephanie Gerlach von der Deutschen Diabetes Hilfe unterstreicht: „Adipositas, also schweres Übergewicht, ist der stärkste Risikofaktor für Diabetes Typ 2“. Der Zusammenhang mit einem hohen Zuckerverbrauch sei aufgrund der vorhandenen Studienlage keinesfalls mehr wegzudiskutieren, kommentiert Gerlach Meldungen aus der zuckerverarbeitenden Lebensmittelindustrie, die diese Zusammenhänge immer wieder anzweifeln. „Um das Problem zu packen und den Zuckerkonsum einzuschränken, wäre eine Steuer durchaus diskutabel“, meint Ernährungsmediziner und Diabetologe Pfeiffer. Die müsse allerdings klug gemacht sein, um wirkliche gesundheitliche Effekte zu zeigen und nicht nur die Staatskassen zu füllen.

Hierfür kämpfen die Deutsche Adipositas Gesellschaft und die Deutsche Diabetes Hilfe bereits seit Jahren. Sie bewerten Modelle wie in Großbritannien als Erfolg: Hier müssen die Hersteller ab April eine Abgabe für zuckerreiche Softdrinks zahlen. Für Getränke mit mehr als 5 Gramm pro 100 Milliliter werden die Hersteller mit 18 Penny pro Liter, für die mit mehr als 8 Gramm pro 100 Milliliter sogar mit 24 Penny pro Liter zur Kasse gebeten. Noch bevor sie überhaupt in Kraft tritt, haben 2017 viele Getränkeproduzenten reagiert und den Zuckeranteil von zum Teil 12 auf acht Prozent gesenkt. Alle Einnahmen, die daraus in die Staatskasse fließen (derzeit geschätzt jährlich 380 Millionen Pfund), sind zudem für die Bewegungsförderung von Grundschülern eingeplant – ein doppelt positiver Effekt.

Was eine differenzierte Besteuerung von gesunden und ungesunden Lebensmitteln bewirken kann, untersuchte unlängst Dr. Tobias Effertz von der Universität Hamburg. Sein Ergebnis stützt die Forderung nach einer „gesunden Mehrwertsteuer“ nach einem „Ampelsystem plus“. Diese soll Obst und Gemüse unbesteuert lassen (grün), dagegen normale Lebensmittel wie Nudeln, Milch oder Fleisch mit sieben (gelb), Produkte mit viel zugesetztem Zucker, Salz oder Fett – wie Fertiggerichte, Chips oder Süßigkeiten (rot) – mit 19 und gesüßte Getränke mit 29 Prozent Steuer belasten. Immerhin 10 Prozent weniger Adipositas prognostiziert der Gesundheitsökonom für eine solche Maßnahme.

Wie viel Zucker ist gesund?

Die WHO empfiehlt die Menge an „freiem Zucker“ auf sechs Teelöffel am Tag zu reduzieren. Als freier Zucker in Produkten gelten etwa Glukose, Fruktose, Haushaltszucker, Honig, Sirup. Außerdem Zucker in Fruchtsäften, Fruchtsaftkonzentraten sowie Trockenfrüchten. Zucker aus frischem Obst zählt nicht dazu.

Zucker in Bio-Produkten: Faktencheck

  • Zucker süßt auch viele Bio-Produkte. „Traditionell waren und sind übersüßte Produkte im Sortiment des Naturkostfachhandels nicht die Regel“, sagt Hilmar Hilger vom BNN (Bundesverband Naturkost Naturwaren). „Jeder Einzelhändler entscheidet über sein Angebot und nicht wenige entscheiden sich ganz bewusst und traditionell gegen den übermäßigen Verkauf zuckerreicher Produkte.“ Aber auch im Bio-Laden stehen zuckerarme Varianten einträchtig neben Zuckerbomben. Wer Wert auf wenig Zucker legt, muss die Verpackungsangaben beachten oder nachfragen. Extra Produkte mit wenig Zucker gibt es etwa von Andechser, Emils, Barnhouse, Rosengarten, Rapunzel oder Allos.
  • Molkerei Andechser bietet zwei Sorten zuckerreduzierten Fruchtjoghurt an. 30 Prozent weniger Zucker als in vergleichbaren Joghurts bedeutet auf 100 Gramm (g) noch neun Gramm Zucker. Die fehlende Süße wird mit dem Süßungsmittel Erythrit ausgeglichen.
  • Ganz ohne zusätzliches Süßungsmittel kommen Emils Ketchup-Sorten aus. Mit 12 statt 25 g Zucker in 100 g schmeckt er viel weniger süß als andere Ketchups und wird aus sonnengetrockneten Tomaten, Apfelsüße und Balsamessig hergestellt. „Es gibt viele Kunden, die finden unseren Ketchup auf Anhieb sehr lecker, andere müssen sich erst an weniger Süße gewöhnen“, meint Geschäftsführer Jens Wages.
  • Müslihersteller wie Barnhouse, Allos, Rosengarten und Rapunzel bieten Frühstücks-Cerealien sowohl mit viel als auch mit wenig Süße an, um jedem Kundenwunsch entgegenzukommen. „Wir sind nun mal Spezialisten für knusprige und damit auch süße Cerealien“, meint Andreas Bentlage von Barnhouse. Mit der Reihe „Granola“ geht es allerdings auch soft: Weniger als 10 g Zucker stecken in 100 g.

Generell stehen alternative Süßen wie Ahornsirup, Dattelsüße, Agavendicksaft, Reissirup und andere im Vordergrund. Diese werden branchenintern als die bessere Wahl gegenüber weißem Industriezucker bewertet. „Bestrebungen wie von konventionellen Anbietern, den Zucker durch synthetische Alternativen zu ersetzen, kommen für uns nicht in Frage“, unterstreicht Eva Kiene von Rapunzel und meint: „Das Beste in Müslis ist immer noch die natürliche Süße getrockneter Früchte.“ Was ihr über Zuckeralternativen wissen solltet, lest ihr hier:

Süße Alternative: Was ersetzt Zucker am Besten?

Forderung nach freiwilligem Verzicht

Enttäuscht äußert sich Stephanie Gerlach über das Engagement der Bundesregierung in dieser Frage: „Die Politik hat das Problem ‚ernährungsbedingte Krankheiten‘ zwar bereits seit Jahren im Visier, die von der WHO empfohlenen präventiv wirksamen Verbrauchssteuern lehnt sie bislang jedoch kategorisch ab – da sind andere Länder mutiger – mit bereits messbaren Erfolgen.“ Unter dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt war eine freiwillige Reformulierung im Rahmen einer sogenannten Nationalen Reduktionsstrategie zumindest „angedacht“. Dahinter verbirgt sich eine Überarbeitung der Rezepturen verarbeiteter Lebensmittel. Demnach sollen die Hersteller auf freiwilliger Basis ohne definierten Zeitrahmen den Zuckergehalt in ihren Produkten senken. „Für einen langfristigen Erfolg ist es notwendig, dass alle Unternehmen sich an diesem Prozess beteiligen und es Zielvorgaben durch die Politik gibt“, kommentiert Monika Vogelpohl von der Verbraucherzentrale NRW. Auf freiwilliger Basis sei ein Erfolg dieser Maßnahme daher eher fraglich.

Offenbar nimmt der Druck auf die Nahrungsmittelindustrie allerdings allein durch die öffentliche Diskussion rund um Zucker doch zu. „Die Großen in der Lebensmittelbranche, zum Beispiel Coca-Cola, Mars, Mondelez, Danone, Nestlé oder Unilever arbeiten schon seit einigen Jahren an Reduktionsstrategien. Auch der Handel, beispielsweise Lidl und Rewe, reformuliert derzeit seine Eigenmarken“, so Verbraucherschützerin Vogelpohl. Nestlé vermeldet beispielsweise für einen Zeitraum von neun Jahren in Deutschland Zuckereinsparungen von etwa 39 000 Tonnen. Coca-Cola verweist auf die Senkung des Zuckergehalts von sieben bis zehn Prozent in Fanta und Sprite – innerhalb der letzten 15 Jahre. Danone meldet für seine Fruchtzwerge seit der Einführung 1981 bis heute eine Zuckerreduktion um 30 Prozent. Zuckerarm sind die meisten betroffenen Lebensmittel damit noch lange nicht.

Als harte Front zeigen sich die Verbände der zuckerverarbeitenden Industrie, beispielsweise die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ). Sie wehren sich vehement sowohl gegen eine Reformulierung als auch gegen eine Besteuerung der Zutat Zucker: „Das Ministerium wolle den Verbrauchern ein neues Geschmackserlebnis anerziehen“, ist im WVZ-Infodienst zu lesen. Dabei wolle der frei entscheiden können, was er kaufen will. Generell sehen die Zuckerlobbyisten Zucker zu Unrecht in der Kritik. Sie sprechen ihn mit Botschaften wie „Wir alle brauchen Zucker“ und „Wir müssen über Kalorien reden“ vom Zusammenhang mit Zivilisationserkrankungen frei und zweifeln zuckerbelastende, wissenschaftliche Arbeiten an.

„Wären Sie Manager eines großen Nahrungsmittelkonzerns, dann würden Sie sich auch für das entscheiden und einsetzen, was sich gut verkauft und viel Gewinn verspricht“, mutmaßt Prof. Pfeiffer. Die WHO hat im Dezember 2017 veröffentlicht, warum die Industrie so an der Süße hängt: Zucker ist eine vergleichsweise billige Zutat, aus vielen Rohstoffen leicht zu gewinnen, in der Rezeptur als „goldener Standard“ geschmacklich und technologisch nicht leicht zu ersetzen und schließlich entscheide man entlang des Konsumentenwunsches. Nachvollziehbar.

Aber gerade Letzteres lässt hoffen: Wir Verbraucher müssen nur deutlich zeigen, dass wir gar nicht so viel Zucker wollen … und die süßen Sachen einfach häufiger mal in den Regalen liegenlassen.

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