Essen

Zu Besuch bei Mayka

Handwerk bürgt für den Geschmack Wer hat die Brezel erfunden? Keine einfache Frage. Nur eines ist sicher: Die Vorfahren der heutigen Firma Mayka machten schon vor Jahrhunderten mit handwerklichem Know-how auf sich aufmerksam. //Peter Gutting Sogar der Wiedehopf fühlt sich hier wohl

Handwerk bürgt für den Geschmack

Wer hat die Brezel erfunden? Keine einfache Frage. Nur eines ist sicher: Die Vorfahren der heutigen Firma Mayka machten schon vor Jahrhunderten mit handwerklichem Know-how auf sich aufmerksam. //Peter Gutting

Sogar der Wiedehopf fühlt sich hier wohl. Denn Monokultur ist ein Fremdwort im Eggener Tal, wo sich das Markgräfler Land an diesem sonnigen Herbsttag von seiner schönsten Seite zeigt. Markus Winzer und Norbert Michel haben uns den Hang hinaufgeführt – vorbei an schwer behangenen Reben und Streuobstwiesen –um uns den versteckten Ort zu zeigen, wo die wilden Orchideen wachsen, insgesamt noch zehn vom Aussterben bedrohte Arten. Nein, um diese Jahreszeit blühen sie nicht. „Aber im Frühjahr bin ich immer perplex, wie schön das ist“, erzählt Norbert Michel, der neben seinem Beruf als Geschäftsführer der Firma Mayka noch ausreichend Zeit findet, die Wanderstiefel zu schnüren und seine Heimat zu durchstreifen.

Markus Winzer ist froh, dass es Unternehmer wie den Mayka-Chef gibt. Der stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe Bad Bellingen/Schliengen des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) findet bei dem engagierten Geschäftsmann immer ein offenes Ohr – und das seit Mitte der 80er Jahre.

Etwa alle sechs Monate setzt sich Michel mit den Umweltschützern zusammen und überlegt, wie er mit seinen Spenden deren ehrenamtliches Engagement unterstützen könnte. Würde zum Beispiel niemand die Orchideenwiese mähen, wäre es bereits nach einem Jahr aus mit der Herrlichkeit. Nächstes Projekt: die Renaturierung des Hohlbachs, der eingezwängt in seinem begradigten Bett direkt an der Firma vorbeifließt.

Wir genießen die Aussicht, bewundern die letzte, gerade verblühende Herbstzeitlose, freuen uns an dem Deutschen Enzian und reden über das Thema Fortschritt. „Fortschritt ist, wenn ich in der Sonne sitzen kann und mir kein Ozonloch die Freude verleidet,“ sinniert Michel. Man spürt, dass ein solcher Satz der Schlüssel zur Lebens- und Geschäftsphilosophie des 61- Jährigen ist.

Risikoreicher Sprung in die Selbstständigkeit

Neues wagen, um die Tradition zu bewahren – so könnte man den Weg des Marketingexperten in die Selbstständigkeit beschreiben. Zwölf Jahre lang warb der Südbadener für Suchard-Schokolade. Doch der Verkauf des Unternehmens an den Kraft-Jacobs-Konzern mutete dem damals 40-Jährigen Ungeahntes zu. Sollte er plötzlich seinen Kunden das Gegenteil von dem erzählen, was er bisher vertreten hatte? Michel wagte den Absprung und wurde Hauptgesellschafter bei der traditionsreichen Firma Mayka in der „Brezelstadt“ Kandern. Die war zuvor in Konkurs gegangen, weil sie zwar über wertvolles produktionstechnisches Know-how verfügte, aber sich zuwenig ums Marketing gekümmert hatte. Gemeinsam mit Willi Mayer jun., dem Urenkel des Firmengründers, baute Michel das Unternehmen neu auf. Ein gewaltiges Risiko. „Heute würde ich so etwas wahrscheinlich nicht mehr wagen“, blickt Michel zurück. „Aber damals war man eben noch zwanzig Jahre jünger.“

Szenenwechsel: In der Backhalle liegt ein feiner Mehlgeruch, auf zwei Backstraßen wandern Brezeln und Salzstangen durch den Ofen. Ins Auge fällt die schmucke, mannshohe Holzmühle, die ständig für frisch gemahlenes Vollkornmehl sorgt und zunächst nicht so recht zur weitgehend automatisierten Technologie passen will. „Die Mühle brachte den Durchbruch“, erzählt Michel. „Wir haben mehrere Jahre mit biologischen Rohstoffen experimentiert, bis wir darauf kamen, dass die Vollkornbrezeln am besten schmecken, wenn wir das Mehl frisch mahlen.“ Die Aussage ist typisch für den Knabberartikel-Spezialisten. Das Geschmacksargument steht, wenn es um Werbung und Marketing geht, ganz klar im Vordergrund. Wer will, kann etwa auf der Verpackung der Kartoffel-Chips nachlesen, dass sie mit Schale verarbeitet werden – ganz im Sinne einer vernünftigen Ernährung. Sollte man das nicht deutlicher herausstellen? Norbert Michel schmunzelt: „So schmecken sie am besten.“ Na gut, wir geben uns geschlagen. Vielleicht macht es ja wirklich keinen Sinn, bei eindeutigen Genussprodukten auf Gesundheitsargumenten herumzuknabbern (selbst wenn sie wahr sind).

Tages- statt Kunstlicht – selbst in der Produktion

Auch mit dem ökologischen Engagement geht Michel nicht hausieren, es ist einfach da – unübersehbar. Der großzügige Neubau, mit dem die Firma 1996 von Kandern ins benachbarte Schliengen wechselte, gilt als Vorzeigeobjekt. Selbst im Lager sind die Wände mit Holzplatten verkleidet, und die Produktion findet unter hohen Bögen aus Buche statt. Überall herrscht Tageslicht, dafür sorgen auffällige Lichtkuppeln im begrünten Dach. Nur beim Heizen (mit Erdgas) wurde noch keine richtig vorbildliche Lösung gefunden. Aber das soll demnächst, wenn die dritte Backstraße eingerichtet wird, anders werden. Geplant ist ein Ofen mit CO2-neutralen Holzpellets.

Vorwärts in die Tradition: Natürlich heizten bereits die Vorfahren des heutigen Mayka-Mitinhabers Willi Mayer junior mit Holz. Denn die Geschichte der Kanderner Brezelbäcker reicht – urkundlich bestätigt – bis in 13. Jahrhundert. Vor rund 200 Jahren kam dann ein Vorfahr von Willi Mayer in seiner Freizeit auf die Idee, eine haltbare Brezel auf Festen und in der Nachbarschaft zu verkaufen – mit derart durchschlagendem Erfolg, dass der angestellte Geselle selbst zum Unternehmer wurde und seinem Meister die Bäckerei abkaufte. Damit der Erfindungen nicht genug. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden all die kleinen Brezelchen noch in Handarbeit geformt, rund hundert Frauen waren damit beschäftigt. Bis der Vater von Willi Mayer junior den Dreh heraus hatte, den gewalzten Teig durch Erzeugen eines Vakuums in vorgestanzte Formen zu saugen und dann per Pressluft wieder herauszudrücken.

Zum Abschied bewundern wir die wilde Blumenwiese, die direkt vor dem Produktionsgebäude ein kleines Paradies bietet: für Insekten, Igel, Eidechsen und sogar einen Feldhasen. Fast sechs Jahre dauerte es, bis der überdüngte frühere Ackerboden sein natürliches Gleichgewicht wiederfand. Der Lohn ist kniehohe Harmonie. Wer weiß, vielleicht schaut sogar der Wiedehopf mal vorbei.


Arbeitsplätze mit Zukunft

Die Firma Mayka bietet 15 Mitarbeitern die Chance, eine nachhaltige Arbeit in nachhaltigem Umfeld zu leisten. Dass alle den Qualitäts-gedanken mittragen, ist wichtig für Norbert Michel, der das Wort „Job“ nicht gern hört. Dafür kümmert er sich auch um persönliche Anliegen. „Wenn jemand mit einem Problem zu mir kommt, richte ich es so ein, dass wir noch am gleichen Tag darüber sprechen können.“


Mayka in Zahlen

Mitarbeiter:

15

Umsatzentwicklung:

Verdoppelung in den letzten drei Jahren

Exportanteil:

15 Prozent (Schweiz, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Österreich, Italien)

Bio-Anteil:

60 Prozent

Bio-Produkte:

Kartoffel-Chips, Dinkel-Chips, Popcorn, Sesam-Dinkelbrezeln, Dinkel-Sticks, Mais-Chips, Erdnuss-Flips

Vertragspartner:

Bioland-Verarbeiter seit 1989

Umweltengagement:

Baubiologisches Gebäude, Dachbegrünung, Sponsoring des BUND seit Mitte der 80er Jahre, geplante Solarstromanlage auf 140 qm, geplanter Holzpellets-Ofen

Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge