Sie sind mikroskopisch klein und bevölkern unser Innerstes: 100 Billionen Mikroben tummeln sich im Darm eines Erwachsenen und erfüllen wichtige Funktionen für Gesundheit und Fitness. Blutzucker, Herz-Kreislauf-System, Immunabwehr und das Körpergewicht werden beispielsweise vom Mikrobiom beeinflusst.
1 Kilo wiegt das Heer der verborgenen Darmmitbewohner. Von mehr als 1000 identifizierten Bakterienarten sind etwa 200 bis 300 verschiedene gleichzeitig im Dickdarm vertreten.
Frauen ab 40 Jahren haben einen weiteren Grund, ihre Darmbakterien zu hegen und zu pflegen, legen immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen nahe. Das Mikrobiom des Verdauungstraktes zeigt sich als Mitspieler im hormonell gesteuerten Auf und Ab der Wechseljahre. „Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen können durch eine gezielte Pflege des Mikrobioms abgepuffert und sogar verbessert werden“, sagt die Ernährungsmedizinerin Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann von der Hochschule Coburg.
So verändert sich das Mikrobiom im Laufe des Lebens
Im Laufe des Lebens gibt es viele Veränderungen in der Darmbesiedlung, vom Säugling und Kleinkind über die Jugend, das junge Erwachsenenleben bis hin zum Alter, bei Frauen zusätzlich in den Wechseljahren. Dr. Rima Chakaroun forscht an der Universität Leipzig zum Schwerpunkt Mikrobiom und geschlechtsspezifische Verläufe von Adipositas und plädiert für rechtzeitiges Handeln: „Frühe Interventionen, idealerweise bereits in der Perimenopause, also dem kritischen Zeitfenster der hormonellen Umstellung der Wechseljahre, können besonders wirksam sein.“ Zwar weise der derzeitige Wissensstand zu den Zusammenhängen von Mikrobiom und gesundheitlichen Problemen in den Wechseljahren noch einige Lücken auf, allerdings sei sicher, dass das Mikrobiom der Frau nach der Menopause durchschnittlich an Vielfalt einbüßt.
Wenn Hormone das Mikrobiom verändern
Auslöser ist der Rückgang von körpereigenem Östrogen und Progesteron. Zusätzlich reagieren einige Parteien im Darm sensibel auf äußere Einflüsse wie die Nährstoffversorgung, Schadstoffe wie Pestizide und Schwermetalle, Stresshormone oder Bewegungsmangel. Gerade in den Wechseljahren treffen häufig ungünstige Belastungen zusammen. Die Folge: Es gibt Verschiebungen im mikrobiellen Gefüge. Das sogenannte ‚Metabolom‘ – die Summe der Stoffwechselprodukte und -vorgänge, die von und zwischen Wirt und Darmbakterien entstehen – gerät in Schieflage.
Die Wissenschaft hat festgestellt: Es gibt Zusammenhänge zwischen Darm, Gehirn und Immunsystem. Einzelne Darmmikroben produzieren den Botenstoff Serotonin, der über das Blut zum Gehirn gelangt und dort stimmungsaufhellend wirkt. Von Bakterien produzierte Buttersäure bewirkt Veränderungen an der Blut-Hirn-Schranke. Und Darmzellen werden angeregt, Zytokine zu bilden, die die Signalübertragung im Gehirn mitbeeinflussen. Diese Mechanismen können Entzündungsreaktionen im Körper herunterschrauben.
Wie das Mikrobiom die Wechseljahre beeinflusst
Studien zufolge reduziert sich bei betroffenen Frauen unter anderem die Anzahl derjenigen Bakterien, die in der Lage sind, in den Darm ausgeschiedene, abgebaute Östrogene so zu recyceln, dass sie wieder funktionsfähig in den Körper rückresorbiert werden können. „Reizdarm, Blähungen und Obstipation sind unter anderem typische Beschwerden, die den Mangel an Östrogen und Progesteron im Darm anzeigen“, meint Michaela Axt-Gadermann. „Zusätzlich beeinflusst das Mikrobiom zahlreiche andere Hormone, etwa Schilddrüsenhormone, das Schlafhormon Melatonin, den Serotoninspiegel oder Stresshormone wie das Cortisol“, betont die Professorin für Gesundheitsförderung.
Aus ihrer klinischen Forschung weiß Axt-Gadermann: „Ist der Darm und die Gesundheit massiv aus der Balance, können probiotische Bakterien helfen, aber ohne gesunden Lebensstil bleibt die Wirksamkeit begrenzt.“ Grundsätzlich habe aber jede Frau es in der Hand, durch Ernährung und Lebensführung den Artenreichtum im Darm zu fördern.
Mikrobiomfreundlicher Lebensstil im Überblick
- Bewegung und Sport trainiert nicht nur die Muskeln, sondern hält die Darmbesiedlung fit
- Raus ins Freie: Das erweitert die Mikrobenvielfalt und versorgt mit Vitamin D
- Freundschaften pflegen: Soziale Kontakte bringen mehr Vielfalt in die Darmbesiedlung
- Kahlschlag vermeiden, z. B. keine unnötigen Antibiotikaeinnahmen oder Darmentleerungen
So kann Ernährung in den Wechseljahren helfen
Grundlage ist eine pflanzenbetonte, ballaststoffreiche Ernährung und viel Bewegung. Bei allen Maßnahmen brauche es Durchhaltevermögen, so Axt-Gadermann: „Es dauert mindestens sechs bis acht Wochen, bis spürbare Veränderungen eintreten.“ Probiotische Bakterien sollte man mindestens drei Monate einnehmen, den mikrobiomfreundlichen Lebensstil möglichst dauerhaft beibehalten.
5 Tipps fürs ein starkes Darmmikrobiom in den Wechseljahren
- Fermentiert
Naturjoghurt, Sauerkraut, Kombucha, Kimchi, Tempeh … fermentierte Lebensmittel unterstützen mit Milchsäure und Bakterienkulturen das Wachstum eines vielfältigen Darmmikrobioms. - Ballaststoffreich
Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte liefern Futter für die Darmbakterien. Roggensauerteig, gequollener Hafer, gekochte Linsen, Lupinen & Co. sind empfehlenswert. - Abgekühlt
Kartoffel-, Nudel- oder Reissalat ruhig häufiger einplanen. Gekochte, abgekühlte, stärkereiche Komponenten bieten sogenannte ‚resistente Stärke‘, die das Mikrobiom mag. - Genießen
Bis zu drei Tassen Kaffee oder grüner Tee täglich und dazu ein paar Stücke dunkler Schokolade – das ist nicht nur gut fürs Gemüt; auch deren Polyphenole fördern eine stabile Bakterienbesiedlung im Darm. - Unbelastet
Bio-Lebensmittel sind die bessere Wahl fürs Mikrobiom, wenn es darum geht, Schadstoffe, etwa Pestizide oder Konservierungsstoffe wie Sorbinsäure auszuklammern. Sie könnten die gesunde Darmflora schädigen.
Zum Weiterlesen
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann: Gesund mit Darm. Fitter, gelassener und jünger mit dem richtigen Mikrobiom. Südwest Verlag
Fragen & Antworten
Was ist das Mikrobiom und warum ist es in den Wechseljahren wichtig?
Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit der Bakterien im Darm. In den Wechseljahren beeinflusst es Hormone, Stoffwechsel und Immunsystem und kann Beschwerden abmildern.
Warum nimmt die Vielfalt des Mikrobioms nach der Menopause ab?
Mit sinkendem Östrogen- und Progesteronspiegel verändert sich die Darmflora. Das kann zu weniger Bakterienvielfalt und dadurch zu Beschwerden führen.
Welche Rolle spielt Ernährung für das Mikrobiom in der Menopause?
Eine ballaststoffreiche, pflanzenbetonte Ernährung fördert die Vielfalt der Darmflora und unterstützt hormonelle Balance sowie die Verdauung.
Können probiotische Lebensmittel Wechseljahresbeschwerden lindern?
Ja, probiotische Lebensmittel wie Joghurt, Sauerkraut oder Kimchi können das Mikrobiom stärken und damit Blähungen, Verdauungsprobleme und Stimmungsschwankungen positiv beeinflussen.
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