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Was ist los mit Bio-Olivenöl?

Weichmacher, unerlaubte Wärmebehandlung, Geschmacksfehler: Der Olivenöltest der Stiftung Warentest von Ende September 2005 fiel für fünf der acht getesteten Bio-Öle nicht gut aus. Gemeinsam suchen die Anbieter jetzt nach Ursachen.

Nach dem Warentest der gleichnamigen Zeitschrift haben praktisch alle Bio-Olivenöl-Anbieter für den Naturkost-Fachhandel ihre Produkte in Labore gegeben, um zu prüfen, ob weitere Öle betroffen sind. Im Mittelpunkt stand die Suche nach Weichmachern, die möglicherweise aus Kunststoffleitungen in das Öl übergehen können. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem griechische Olivenöle betroffen sind. Eine Gesundheitsgefahr besteht bei den Ölen im Bioladen nicht. Die Stiftung Warentest untersuchte 26 Olivenöle „nativ extra“. Darunter waren zwei Bio-Öle aus dem Bioladen (Naturata und Rapunzel), eines aus dem Reformhaus und fünf aus Super- oder Drogeriemärkten. Neunmal gab es die Note „mangelhaft“, davon fünfmal für Bio-Produkte. Im Kreta-Öl von Naturata und beim Gut&Gerne-Öl der Bio-Zentrale Stubenberg fand das Labor Weichmacher. Beim Naturata-Öl sowie den Ölen von Tengelmann (Naturkind) und Edeka (Bio-Wertkost) stellten die Tester unerlaubte Wärmebehandlung fest. Die Bio-Öle von Edeka (Gut&Gerne) und Rossmann (EnerBio) hatten einen „stark fehlerhaften“ Geschmack und hätten deshalb nicht als nativ extra verkauft werden dürfen. Auch bei vielen konventionellen Ölen bemängelte Stiftung Warentest die Qualität.

Weichmacher im Öl

Weichmacher machen Kunststoffe wie PVC geschmeidig. Sie gehen bei Kontakt leicht in fetthaltige Lebensmittel wie Öl über. Als Quellen der Belastung gelten Schläuche oder Dichtungen, mit denen das Öl in der Mühle, bei der Abfüllung oder auf dem Transport in Kontakt kam. Auch die Bewässerung mit Plastikschläuchen könnte eine Ursache sein. Die Stiftung Warentest fand in der Hälfte der Öle Spuren von Weichmachern, in zwei Bio-Ölen waren die Konzentrationen deutlich erhöht. Das Kreta-Öl von Naturata enthielt 9,3 Milligramm je Kilogramm (mg/kg) Di-2-Ethylhexylphthalat (DEHP) und 40 mg/kg Diisodecylphthalat (DIDP). Noch wesentlich mehr wurde im Gut&Gerne-Öl der Bio-Zentrale Stubenberg gefunden: 75 mg/kg DEHP. Sie beliefert unter anderem Edeka. DEHP ist im Tierversuch krebserregend, giftig für Hoden, Leber und Niere, beeinträchtigt die Fortpflanzungsfähigkeit und führt zu Entwicklungsstörungen bei männlichen Embryos. DIDP schädigt die Leber und wirkt in höheren Mengen fortpflanzungsschädigend.

Bestand eine Gesundheitsgefahr?

Für beide Weichmacher gibt es keine Grenzwerte für Lebensmittel. Allerdings hat der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU so genannte tolerierbare tägliche Aufnahmemengen (TDI) festgelegt. Für einen 60 Kilogramm schweren Menschen wären das 3 mg DEHP und 9 mg DIDP am Tag. Um diesen Wert zu erreichen, hätten zwei Esslöffel des Gut&Gerne-Öls genügt. Doch der Weichmacher gelangt auch noch aus anderen Quellen in den Körper. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt dazu: „Wird der TDI längerfristig überschritten, können gesundheitliche Schädigungen nicht mehr sicher ausgeschlossen werden.“ Im Klartext: Der Weichmachergehalt im Gut&Gerne-Öl ist, täglich benutzt, auf Dauer gesundheitlich bedenklich. Das Naturata-Öl ist deutlich geringer belastet und gilt deshalb gesundheitlich als unbedenklich.

Die Branche hat reagiert

Die Anbieter haben die beiden mit Weichmachern belasteten Öle zurückgerufen und Proben weiterer Öle in die Labore geschickt. Bei Redaktionsschluss lagen noch nicht alle Ergebnisse vor. Doch bisher fanden sich Weichmacher nur in Olivenölen, alle anderen Speiseöle waren frei davon.

Olivenöle aus Spanien und Italien enthielten keine Weichmacher oder nur unbedenkliche Spuren bis zu 1 mg/kg. Belastungen meist bis zu 10 mg/kg fanden sich bis Redaktionsschluss in griechischen Ölen (Kalamata und Kreta) von Naturata, Rapunzel und Byodo, eine Größenordnung, die ebenfalls gesundheitlich noch nicht bedenklich ist. Dies gilt auch für die etwas höheren Weichmacherkonzentrationenin manchen Chargen der Kreta-Öle von Naturata und Davert. Unterschiedlich beurteilten die Anbieter die Frage, ob die Produkte dennoch aus Vorsorgegründen zurückgerufen werden sollten.

Einig sind sie sich darin, dass Weichmacher in diesen Konzentrationen nichts in einem Lebensmittel zu suchen haben und deshalb alles getan werden muss, um die Quellen der Belastung zu finden und auszutrocknen. Bereits Mitte Oktober diskutierten die Qualitätsmanager der Branche über weitere Messungen und mögliche brancheninterne Grenzwerte für Weichmacher. Ein Thema sind auch einheitliche Standards beim Umgang mit solchen negativen Testergebnissen, um Bio-Läden und ihre Kunden möglichst frühzeitig und genau informieren zu können. Über den Ausgang des Treffens und aktuelle Messwerte berichten wir ganz aktuell unter www.naturkost.de.

Wärmebehandlung

Nicht nur Weichmacher hat die Stiftung Warentest gefunden, sondern auch unerlaubte Wärmebehandlungen. Durch Erhitzen lassen sich geschmackliche Fehler eines Olivenöls korrigieren, so dass aus einem nativen Öl noch eines der Qualitätsstufe „nativ extra“ wird. Das ist natürlich verboten. Ein neues Analyseverfahren kann solche Manipulationen schon für Erhitzungen ab 80 Grad Celsius nachweisen.

Naturata als der betroffene Lieferant der Bioläden argumentiert, dass es in den kretischen Pressen, aus denen das Öl stammt, keine Anlagen zur Erhitzung gebe. Das Messergebnis müsse durch die Alterung des Öls verbunden mit einer unsachgemäßen Lagerung zustande gekommen sein. Nach Auskunft von Christian Gertz vom chemischen Untersuchungsamt Hagen weist die Gesamtheit aller Untersuchungsergebnisse des Tests jedoch eindeutig auf eine thermische Belastung oder Zumischung von thermisch belastetem Olivenöl hin. Gertz hat die oben erwähnten Verfahren entwickelt.

Bei den unerlaubt erhitzten Bio-Ölen aus dem Supermarkt gibt es erste Hinweise auf eine italienische Ölmühle, die gepanschtes Öl auf den Markt gebracht haben könnte. Auch ohne Wärmebehandlung wurde der Geschmack einiger Bio-Olivenöle moniert. Aus dem Bioladen war neben Naturata das Demeter-Olivenöl nativ extra, Finca la Torre aus Spanien betroffen, es erhielt ein „befriedigend“. Der Hersteller Rapunzel wies darauf hin, dass die Testflasche kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums getestet worden sei. Ältere Öle würden geschmacklich oft leicht abbauen; das gleiche Öl mit identischem Haltbarkeitsdatum sei 2004 in erntefrischem Zustand von der Zeitschrift Ökotest als geschmacklich einwandfrei getestet worden.

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