Zeit zum Wachsen
Braten oder Kotelett – bei ihrem Lieblingsfleisch kommen immer mehr auf den Bio-Geschmack. Je artgerechter das Schwein gehalten wird, desto besser scheint es zu schmecken. // Sylvia Meise
Am liebsten Schwein: knapp 40 Kilogramm davon verputzen die Deutschen pro Kopf und Jahr (Rindfleisch: 9 kg). Zwar kommt der Mensch auch ohne Fleisch aus, doch maßvoll genossen liefert es ihm wertvolles Eiweiß, Eisen für die Blutbildung, Selen und Zink für die Immunabwehr und Vitamine der B-Gruppe. Bestseller sind Schweine-Schnitzel, -Kotelett oder -Filet. Dieses Fleisch ist preisgünstiger als Rind. Es stammt in der Regel von jungen, etwa acht Monate alten Tieren.
Es gibt zwei Arten der Schweinehaltung. Wegen der noch immer hohen Nachfrage überwiegt die konventionelle Schweinemast, meist in Form von Massentierhaltung. Hier stehen viele Tiere bei künstlicher Beleuchtung auf Spaltenböden mit Aussparungen für die Gülle – ohne Stroh. Insbesondere Muttertiere haben bedrückend wenig Platz.
Bio-Schweinehaltung dagegen bedeutet artgerechte Tierhaltung, die heute zunehmend auch von kleineren konventionellen Bauernhöfen betrieben wird. Die Schweine stehen hier nur in Teilbereichen ihres Stalls auf Spaltenböden oder gar nicht.
Bio-Sau mit doppelt so viel Platz
Konsequent „bio“ heißt im Vergleich zu konventionell: Auslauf ins Freie. Muttersauen haben mit acht Quadratmetern doppelt so viel Platz. Gefüttert werden ausschließlich ökologisch angebaute und gentechnisch nicht veränderte Produkte wie Gerste, Weizen, Erbsen, Süßlupinen oder Kartoffeleiweiß. Stroh, Heu oder frisches Gras als Einstreu und Futter ist Pflicht, sättigt die Schweine und befriedigt ihren Spiel- und Wühltrieb.
Nicht erlaubt sind synthetische Aminosäuren (Eiweiße), die eine bessere Futterverwertung bedingen. Auch sonstige leistungsfördernde Zusätze sind tabu. Damit verzichtet der Bio-Landwirt ausdrücklich auf Turbowachstum. Bio-Futter, Zeit zum Wachsen und mehr Platz im Stall machen allein indes noch kein gutes Fleisch. Gute Qualität setzt sich vor allem aus den drei Komponenten Auswahl der Rassen, Prozess der Produktion sowie Schlachtung zusammen. Wobei die „Rasse-Auswahl“ direkt mit der Stress-belastung, die später die Fleischqualität beeinflusst, zusammenhängt und das Dilemma der Schweinefleischerzeuger zeigt. Das beliebtere magere Fleisch – auch Bio-Fleisch – stammt nämlich überwiegend von durchgezüchteten Tieren, die unter anderem sehr nervös sind.
Adrenalin macht Fleisch blass
Das Stresshormon Adrenalin verursacht Stoffwechselvorgänge in den Muskeln, die nach dem Schlachten zur Qualitätsminderung führen können. Am verbreitetsten ist als Konsequenz das PSE-Fleisch (kurz für pale, soft, exudative), das blass, weich und wässrig wird. Durch seinen niedrigen pH-Wert zieht es sich beim Braten zusammen, wird trocken und fade.
Gegensteuern könnte der Landwirt mit ruhigeren, „stressresistenten“ Schweinen. Um Sicherung der eigenen Existenz, gute Qualität und Kundenwunsch in einem (mageren) Kotelett zu vereinen, kreuzen sowohl konventionelle als auch Bio-Bauern robuste, fette Muttersauen mit stressanfälligen, aber fleischbetonten Ebern – etwa aus der Piétrain-Rasse. Bio-Bauern kreuzen diese noch mit anderen wie dem Duroc, das fast noch als Wildschwein durchgeht.
Ins Fleisch gehört auch Fett
Rainer Löser, Öko-Strategieberater aus dem hessischen Mücke, bedauert, dass auch Bio-Konsumenten kein Fett mögen und plädiert dafür, den Blick der Kunden neu zu schulen. Nicht das ganz magere Fleisch sei das beste, sondern das leicht marmorierte. „Fett bringt Geschmack!“
Anders sieht das bei zu Wurst verarbeitetem Fleisch aus. Um bakterieller Fäulnis vorzubeugen, arbeiten konventionelle Metzger gern mit der erlaubten Höchstmenge an Nitritpökelsalz (NPS) – je mehr, desto roter die Wurst. Was bei den Kunden gewohnheitsmäßig eher mit „frisch“ assoziiert wird. Nitritpökelsalz wird seit hundert Jahren zur Verbesserung des Geschmacks, als Antioxidans und gegen Fäulnis von Rohwurst wie Salami, Mettwurst oder Schinken verwendet. Da aus dem Salz Nitrosamine entstehen können, die im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen, reduzieren oder ersetzen Bio-Metzger diesen Stoff. Laut EU-Bioverordnung ist NPS jedoch nicht verboten.
Erfolgreiche Versuche zeigen allerdings, dass sich schmackhafte und ansehnliche Wurst auch mit erheblich geringeren Zugaben oder ganz ohne Nitritsalz herstellen lässt. Etwa mit antibakteriell wirksamen Gewürzen wie Thymian, Nelke oder Senf. Allerdings schmeckt das Ergebnis etwas anders als herkömmliche Wurst.
Ob Bio-Schweinefleisch besser vertragen wird, lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Klar scheint aber doch, dass Qualität auch durch „psychosoziale Vorlieben“ bestimmt wird, wie Klaus Fischer, Fleischexperte der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, sagt – dazu gehört vielleicht auch, dass es dem Menschen besser schmeckt und bekommt, wenn das Schwein artgerecht glücklich gelebt hat.
Kein Paradies
In der konventionellen Mast leben die Schweine meist in engen Ställen ohne Tageslicht auf unfallträchtigen Vollspaltenböden. Gelenkentzündungen kommen häufig vor. Ihr Futter darf mit gentechnisch veränderten Stoffen angereichert werden. Bio-Mast ist zwar auch kein Schweineparadies, doch den Tieren geht es allemal besser.
Qualität von Schweinefleisch
Für „bio“ sowie konventionelle Ware gilt: Frisches Schweinefleisch ist rosa bis rot und nach der Zubereitung zart, saftig und aromatisch. Fettgewebe sollte weiß sein und sich an der Luft kurzfristig nicht verfärben. Je nach Verpackungsart erhöht sich die Haltbarkeit von gekühltem Fleisch (0 bis 2 Grad) in folgender Reihenfolge: Lagerung in Normalatmosphäre: wenige Tage; in Folien mit Hartschalen verpackt: ca. 10 Tage; in Folie eingeschweißt: ca. 20 Tage. Bio-Siegel, Aufdruck der Öko-Prüfstelle und des Erzeugerbetriebs garantieren Transparenz und Produktionsqualität.
Was ist artgerechte Schweinehaltung?
- Artgerecht heißt, für die von Natur aus neu- gierigen Schweine, viel Abwechslung. Die sozialen Tiere leben am liebsten in Gruppen, weswegen „Bio“ die Einzelhaltung verbietet. Die Schweine wühlen gerne im Stroh, Heu oder Gras und graben sich darin ein – Ferkel spielen damit.
- Wichtig für eine gesunde Entwicklung ist eine gute Mutter-Ferkel-Beziehung. Deswegen werden die Kleinen mindestens 40 Tage gesäugt (im Gegensatz zu 21 Tagen beim konventionellen Betrieb). Abkneifen der Zähne und Kupieren der Schwänze sind nur im Notfall erlaubt.
- Deutsches wie europäisches Tierschutzrecht lassen innerhalb eines Landes acht Stunden, sonst bis zu 29 Stunden Transport zu. Am besten ist natürlich die Schlachtung direkt auf dem Hof, dabei müssen die Tiere am wenigsten leiden.
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