Alles Käse? Von wegen!
Mal mit Löchern, mal ohne, würzig oder mild. Gouda, Edamer, Tilsiter und Co. gibt es in vielen Varianten. Doch was ist drin, in Bio-Schnittkäse? Und was macht ihn so besonders? // Manfred Loosen
Heike Schmitz steht vor der Kühltheke eines Kölner Discounters – und ist verwirrt. Auf der Inhaltsliste einer Gouda-Verpackung liest sie einen Begriff, der ihr bislang noch nicht untergekommen ist: Natamycin. Wieder zu Hause, ruft sie bei einer Bekannten an, die sie aufklärt.
Natamycin ist zum einen ein Arzneimittel, das Ärzte gegen Pilzinfektionen der Haut oder am Auge verschreiben. Es ist aber auch ein Konservierungsstoff, den Lebensmittelhersteller wegen seiner anti-biotischen Wirkung auf die Oberfläche von Schnittkäse aufbringen können.
Dazu meint das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Natamycin sollte in Lebensmitteln weitgehend verhindert werden. Ansonsten könnten sich Resistenzen bilden, die dazu führen, dass Medikamente bald nicht mehr wirken. Das BfR rät, bei Käse von der äußeren Rinde mindestens fünf Millimeter zu entfernen.
Bioladen-Kunden haben es nicht nötig, vor dem Einkauf die Empfehlungen des BfR zu studieren. Bei Bio-Käse ist Natamycin – das auch als „E235“ ausgezeichnet wird – tabu!
Konventionelle Hersteller verwenden außerdem häufig Nitrat gegen sogenannte Spätblähungen des Käses. Hierbei entstehen unerwünschte Gase, die den Käse ungenießbar machen. Bei der Bio-Herstellung ist Nitrat verboten, ebenso Zutaten, die gentechnisch verändert worden sind, zum Beispiel Lab (s. Kasten auf Seite 24).
Schnittkäse ist nicht Aufschnitt
Weltweit gibt es etwa 4000 Käsesorten. Die bekanntesten Schnittkäse sind Gouda, Edamer, Tilsiter und Raclette. Diese werden von anderen Käsesorten dadurch unterschieden, dass sie etwa 40 Prozent Wasser enthalten (Schnittkäse ist nicht gleichzusetzen mit vorgeschnittenem Aufschnittkäse aus der Tüte). Hartkäse haben einen kleineren Wasseranteil, Weichkäse einen höheren. Der Fettanteil von Käse muss auf den Packungen in „Fettgehalt in Trockenmasse (Fett i. Tr.)“ – gerechnet also ohne den Wasseranteil – angegeben werden. Will man herausfinden, wie viel Fett ein Schnittkäse wirklich hat, muss man die „Fett i. Tr.“-Angabe mit 0,6 multiplizieren. Beispiel: Ein Gouda mit 45 Prozent Fett i. Tr. hat 27 Gramm Fett pro 100 Gramm Käse.
Vorteile von Bio-Käse
Die Bio-Milch-Produktion beginnt bekanntlich bei der Kuh. Diese wird nach den Vorgaben der ökologischen Landwirtschaft artgerecht gehalten und bekommt Bio-Futter ohne Antibiotika. Tierschutz wird großgeschrieben.
Der größte Teil der gewonnenen Milch wird pasteurisiert. Dabei wird sie in der Regel für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad Celsius erhitzt. Das tötet eventuell vorhandene Keime zuverlässig ab und verringert die Zahl Verderbnis auslösender Mikroorganismen.
Für Schnittkäse dürfen Hersteller auch Rohmilch verwenden. Sie wird weder erhitzt noch sonst wie in der Molkerei bearbeitet. Sie darf als Konsummilch nur vom Erzeuger ab Hof abgegeben werden. Vor allem kleine und spezialisierte Bio-Käsereien produzieren Rohmilchkäse wegen des besonderen Aromas und der Naturbelassenheit.
Doch auch Rohmilch-Käse ist nicht unumstritten – wegen Listerien und EHEC-Bakterien (enterohämorrhagische Escherichia coli). Die Warnung gilt allerdings nur für weichere Käsesorten.Schnittkäse aus Rohmilch wird als unbedenklich angesehen. Zurück zur Käseproduktion. Damit Käse entstehen kann, muss die Milch dick werden. Im Falle des Schnittkäses helfen hierbei Milchsäurebakterien und das sogenannte Lab (siehe Kasten). Wenn der Gerinnungsvorgang und die „Dicklegung“ nach etwa 40 Minuten abgeschlossen ist, wird die Restflüssigkeit, die Molke, abgetrennt. Übrig bleibt die feste Käsemasse, in der Fachsprache „Bruch“ genannt.
Der Käsebruch wird in Formen gefüllt, die der späteren Form entsprechen. Hat der Bruch eine gewisse Stabilität erreicht, wird er aus den Formen genommen und je nach Sorte unterschiedlich lange in ein Salzbad gelegt. Dadurch tritt weitere Molke aus. Es bildet sich die käsetypische Rinde. Der Salzgehalt beeinflusst im Übrigen nicht nur den Geschmack, sondern auch die Haltbarkeit. Dann muss der Käse reifen. Das kann Tage, aber auch Monate dauern. Teilweise gärt es in dieser Phase noch. So entstehen die Löcher, die etwa für den Tilsiter typisch sind. Das Besondere an Bio-Käse ist nicht nur die Qualität des Rohstoffs Milch. Bio-Käsereien sind auch die handwerklichen Traditionen sehr wichtig. Und die besonderen Rezepte: So gibt es allein für Gouda die unterschiedlichsten Kräutermischungen, die auch dem anspruchsvollsten Gourmet-Mund gerecht werden: Senf/Pfeffer, Bärlauch, Tomate/Basilikum, Knoblauch oder Ingwer/Pfeffer können Sie in den Regalen der Bioläden finden.
Noch ein Grund für „Bio“
Kundin Heike Schmitz ist übrigens der Appetit auf Gouda vom Discounter vergangen. Wegen der Natamycin-Geschichte ist sie es leid, jedes Mal dran denken zu müssen, dass sie auch wirklich genügend vom Rand abschneidet. Und warum sollte sie Käse unter der Rinde wegschmeißen, den sie, wenn er unbelastet wäre, noch essen würde? Deswegen ist sie auf Bio-Schnittkäse umgestiegen. Da gibts keine unangenehmen Gedanken, sondern nur Genuss.
Die Käseglocke läutet nicht mehr
Die gute alte Käseglocke. Der relativ große Raum unter der Glocke garantierte, dass sich nicht so schnell Schwitzwassear bildet. Heute mag sich aus Platzgründen kaum noch einer eine Käseglocke leisten. Wer die Käse nicht nach jedem Essen wieder in die Originalverpackung wickeln will, kann eine Plastikbox mit einsetzbarem, erhöhtem Gitterboden verwenden (Schwitzwasser sammelt sich am Boden der Box).
Damit überhaupt nur wenig Wasser kondensiert, sollte der Deckel nicht hermetisch schließen.
Perfekte Käseplatte
Sie präsentieren sich Ihren Gästen als Kenner, wenn Sie die Käse im Kreis nach ihrer Kräftigkeit sortieren – etwa Camembert, Emmentaler, Schimmelkäse. Hart- und Schnittkäse kann man mit Weintrauben oder Nüssen garnieren. Birnen, Äpfel oder Kiwis schmecken zu Weichkäsesorten. Aber Vorsicht: Ist das Obst zu wasserreich, wird aus Ihrer Käseplatte schnell ein Suppenteller.
Käse wirklich vegetarisch?
Bei den meisten Käsesorten ist ein bestimmter natürlicher Hilfsstoff unumgänglich: das Lab.
Lab ist ein Ferment, das die Milch gerinnen lässt. Früher wurde Lab ausschließlich aus den Mägen von Kälbern gewonnen. Seit etwa 30 Jahren wird zunehmend ein Lab-Austauschstoff (Chymosin) verwendet, der mithilfe von Mikroorganismen gewonnen wird. Aber nach wie vor gibt es Käse, der mit Kälberlab hergestellt wird. Vegetarier, die es genau nehmen, vertreten deshalb die Auffassung, Käse aus Kälberlab sei kein vegetarisches Lebensmittel. In Bio-Käse darf derzeit auch Lab konventionell gehaltener Kälber enthalten sein, weil tierisches Lab in Bio-Qualität nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht.
Seit einiger Zeit darf Lab auch gentechnisch hergestellt werden, ohne dass der daraus gewonnene Käse eigens gekennzeichnet sein muss. Bei Bio-Käse ist gentechnisch gewonnenes Chymosin grundsätzlich nicht erlaubt.
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