Tim Bendzko, Sänger des Ohrwurms „Nur noch kurz die Welt retten“, isst seit einem Jahr vegan und lernte dadurch viele neue Lebensmittel kennen. Seither hat sich viel bei ihm verändert.
Herr Bendzko, warum essen Sie vegan?
Ich bin durch meine Tourneen viel unterwegs und die ganze Zeit beschäftigt. Da muss ich fit sein. Ich war aber immer fertig, müde und komplett k.o. Ich habe mir lange überlegt, woran das liegen könnte. Mangelnde körperliche Fitness konnte es nicht sein, weil ich relativ viel Sport mache.
Am Alter lag es auch nicht ...
Ja, das war auch eher unwahrscheinlich. Und irgendwelche schweren Krankheiten wurden auch nicht vermutet. Deshalb habe ich gedacht, dass ich etwas an meiner Ernährung ändern muss. Und so habe ich angefangen, mich gesünder zu ernähren – zumindest aß ich Sachen, die ich für gesund hielt.
Über Tim Bendzko

Tim Bendzko gilt als einer der talentiertesten deutschen Singer-Songwriter. Den Durchbruch schaffte der heute 29-Jährige vor drei Jahren mit seinem Lied „Nur noch kurz die Welt retten“.
Tim Bendzko stammt aus Berlin, wo er auchheute noch lebt. Sein Studium der Evangelischen Theologie und nichtchristlicher Religionen an der Freien Universität Berlin brach er ab, um sich ganz seiner Künstlerkarriere zu widmen. Der erste große Auftritt war der mit den Söhnen Mannheims vor fünf Jahren in der Berliner Waldbühne vor 20 000 Zuschauern.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte Bendzko sein zweites Album „Am seidenen Faden“ und ging damit auf Tournee. Im August spielt er unter anderem in Bochum, Berlin und Arbon in der Schweiz. www.timbendzko.de
Was war der erste Schritt?
Ich aß mehr frische Sachen, keine Fertigpizza mehr, kein Fastfood. Ich habe mich eine ganze Weile halbwegs anständig ernährt. Das hat aber nicht gereicht. Ich fühlte mich noch immer k.o. Dann sah ich im vergangenen November die Doku „Gabel statt Skalpell“. Die hat genau das bestätigt, was ich schon ahnte: Es liegt an den tierischen Eiweißen; dem ganzen Milch- und Sahne-Wahnsinn, den man in sich rein wirft.
Wie ging es Ihnen während Ihrer ersten veganen Tage?
Schon nach einer Woche stellte sich eine krasse Verbesserung ein: Ich war fast nicht mehr müde und musste mich beinahe zwingen, schlafen zu gehen. Mir war dann auch ziemlich schnell klar, dass es nicht so schwer sein wird, das weiterhin durchzuhalten. Besonders witzig ist das bei Proben: Nach dem Mittagessen, bei dem ich der einzige war, der vegan gegessen hat, würden die anderen um 15 Uhr am liebsten schlafen gehen. Ich frag‘ dann: Was ist denn los? Wir proben hier! Für mein Umfeld ist das jetzt eine harte Prüfung.
Da wird keiner nachdenklich, bekommt Lust mit einzusteigen?
Es ist immer schwierig, etwas zu tun, nur weil jemand anderes erzählt, dass das eine tolle Sache ist. Man muss schon selbst ein Grundbedürfnis entwickeln. Es bilden sich ja alle ein, sie könnten ihre Ernährung nicht auf vegan umstellen.
Hören Sie oft: „Was kann man denn dann noch essen?“
Ja. Und: „Das ist mir zu anstrengend“ und „Ich brauche Fleisch. Das ist wichtig für meinen Körper“. Das Bedürfnis, sich vegan zu ernähren, muss von allein kommen. Obwohl viele mittlerweile merken, dass vegan lecker ist, dass sie auf nichts verzichten müssen. Auf Tour wird übrigens nicht nur für mich vegan gekocht, sondern alle naschen ab und zu vegan.
Welche Auswirkungen hat Ihre Ernährungsumstellung noch gehabt? Haben Sie, wie viele andere auch, abgenommen?
Ein bisschen schon, aber ich bezweifele, dass es an der veganen Ernährung liegt. Das liegt eher daran, dass ich generell bewusster esse. Und man hat ja auch nicht mehr so viele Gelegenheiten, zwischendurch zu essen. Um das
Gewicht zu halten, ist es gut, genau dreimal am Tag zu essen.
Und nicht ständig zwischendurch zu Schokoriegeln zu greifen.
Genau. Gerade wenn ich auf Tour bin, würde ich die ganze Zeit zwischendurch etwas essen. Das ist jetzt anders: Ich esse genau dreimal am Tag: Frühstück, mittags und abends.
Wenn Veganer so streng mit sich sind, geben sie dann nicht den Kritikern recht, die sagen: „Vegan ist Verzicht“?
Ja, wenn man jetzt ganz wild ist, kann man das so interpretieren. Aber es ist ja nicht so, dass vegan oder vegetarisch Essen heißt, dass man einfach irgendetwas weg lässt, sich etwas verbietet. Man ersetzt das ja sofort: Man isst unheimlich leckere, nahrhafte Dinge. Man hat dadurch gar nicht mehr das Verlangen, zwischendurch dauernd ungesunde Sachen zu essen.
Vegan zu leben ist eben viel mehr, als einfach nur tierische Bestandteile im Essen wegzulassen.
Ja. Sonst würde man nach einer Woche keinen Spaß mehr haben. Aber vegan macht Spaß: Ich habe angefangen zu kochen, mich mit Essen zu beschäftigen. Und ich habe viele neue Lebensmittel kennengelernt: 90 Prozent der Sachen, die ich jetzt esse, kannte ich vor einem Jahr noch nicht! Allein das ist es ja schon wert, es auszuprobieren.
Also Quinoa, Amaranth, Seitan oder Agavendicksaft. Woran liegt es, dass Neu-Veganer so viele Lebensmittel vorher nicht kannten? Werbung, Eltern, Erziehung?
In allererster Linie ist das natürlich Erziehung: Sozialisation. In der Schule, bei Freunden, beim Sport, überall wird auf eine sehr ähnliche Art gegessen. Und das nimmt man natürlich erst einmal als richtig hin. Dass Milch und Käse gesund sein sollen, hat man uns jahrzehntelang eingetrichtert. Viele Menschen sagen heute noch zu mir, dass ich doch Milch brauche für meine Knochen. Dabei ist ja genau das Gegenteil der Fall.
Wenn Sie jetzt mehr selbst kochen: Wo gehen Sie einkaufen?
Meistens im Bio-Laden. Wenn du vegane Sachen haben willst, ist die Wahrscheinlichkeit, die da zu bekommen, relativ groß. Und noch dazu sind sie da halt in Bio-Qualität zu bekommen.
Und in Berlin gibt’s ja ziemlich viele Bio-Läden …
Ja, wenn man sich überlegt, wie viele Bio-Läden es vor fünf Jahren gab und wie viele es jetzt sind. Das ist toll. Und das wird mit dem veganen Angebot genauso: Es wird immer mehr.
Auch bei den Restaurants?
Noch muss man danach suchen. Wenn es um Imbisse und vegane Restaurants geht, ist Deutschland noch ziemlich hinter dem Mond. In großen Städten gibt es aber immer was. Ich habe auf der Tour wahnsinnig gute Restaurants gefunden.
Haben Sie Tipps für unsere Leserinnen und Leser, was gute vegane Restaurants in Deutschland betrifft?
Die „Wiesenlust“ in Frankfurt ist zum Beispiel toll. Und zu Hause in Berlin gehe ich gerne ins „Mio Matto“. Es machen immer mehr gute vegane Restaurants auf. In ein paar Jahren wird es die an jeder Ecke geben.
Gibt es noch andere Gründe für Ihre vegane Ernährung: ethische Gründe, die Tierhaltung …
Nein, eigentlich nicht. Natürlich ist Massentierhaltung bedenklich, und mir ist bewusst, was da alles passiert. Ich habe viele Dokumentationen gesehen, die das zeigen. Aber es wäre mir nicht Motivation genug. Ich hätte aus diesen Gründen auch mal eine Woche vegan gelebt, mir dann aber sicher eine Ausrede einfallen lassen, warum es nicht dauerhaft geht. Meine Grundmotivation ist die eigene Gesundheit, die Fitness.

Schrot&Korn-Redakteur Manfred Loosen (li) und Tim Bendzko tauschten sich auf dessen „Ich steh nicht mehr still“-Tour über ihre veganen Erfahrungen aus.
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